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Gesellschaftskritik mit bissigem Witz

Anfang März erscheint ein weiteres Drama von Richard Schuberth als Buch. Mit „Trommeln vom anderen Ufer des großen Flusses“, das er bereits 2008 verfasste, beendet der Wiener Autor eine Komödientrilogie, die satirisch die kulturindustriell gefilterte Wahrnehmung und Verwertung der Welt reflektiert.

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Schuberth hat sich einen gewissen Ausnahmestatus in der heimischen Literatur erschrieben. Neben Essays, Polemiken, Aphorismen und seiner vielbeachteten Artikelserie zu Karl Kraus verfasst er nämlich vor allem satirische Dramen. Diese kamen mitunter auch auf die Bühne (z. B. „Freitag in Sarajevo“ und zuletzt „Wie Branka sich nach oben putzte“), doch in erster Linie sieht Schuberth seine Dramen als Lesetexte und bringt sie – ein Paradox auf dem Literaturmarkt – als Bücher heraus, deren erste Auflagen schnell vergriffen sind.

Von Nestroy bis zu den „Simpsons“

Seine dichten Gewebe aus analytischer Gesellschaftskritik, aphoristischem Witz und bizarrem Humor schlagen Leser und Leserinnen ebenso in ihren Bann wie das Theaterpublikum. Als wichtige Einflüsse sind Johann Nestroy und Karl Kraus deutlich erkennbar. Der Autor schätzt aber vor allem die angelsächsischen und romanischen Traditionen: die englischen Komödienschreiber der Stuart-Periode (z. B. William Congreve), Denis Diderot, Jonathan Swift, Oscar Wilde, Brendan Behan, das Absurde Theater sowie Dario Fo.

Zugleich liebäugelt Schuberth mit Screwball-Comedys und der TV-Serie „Die Simpsons“. Obwohl er im Interview Brecht’sche Verfremdung und surrealen Humor a la Monty Python nicht explizit erwähnt, drängen sich seinen Lesern auch diese Assoziationen auf.

Klischees und Wirklichkeit in einem Boot

Wie schon in „Freitag in Sarajevo“ (2003) ist es bei „Trommeln vom anderen Ufer des großen Flusses“ wieder eine östliche Welt, auf die westliche Geistesmenschen ihre kulturelle Libido und koloniale Gier richten, und wie beim dritten Teil der Triolgie, „Wartet nur, bis Captain Flint kommt“ (2006), prallen Projektionen und Wirklichkeit auf einem Schiff zusammen - diesmal aber nicht wie im „Flint“ auf hoher See, sondern auf einem vertrauten Fluss.

Die burleske Donau-Reise in halb echte, halb fiktive Flusswelten des „Wilden Ostens“ spielt mit Referenzen der Abenteuer- und Horrorgenres und treibt ihren Schabernack mit Balkan-Klischees und gängigen Vorstellungen davon, was nun langweilige Zivilisation und was idealisierte Wildnis ist.

Cover des Buchs „Trommeln vom anderen Ufer des großen Flusses“ von Autor Richard Schuberth

Drava

Buchhinweis

Richard Schuberth: Trommeln vom anderen Ufer des großen Flusses. Drava, 160 Seiten, 19,80 Euro.

Jagd nach Draculescus Brustpelz

Eine Berliner Literaturkritikerin, ein deutscher Banker, ein Kärntner Volxmusiker namens Lois K@r@w@nkinger, das Eingeborenenmädchen Lagunica und der geistig behinderte, stets lüsterne Mönch Teofil werden als Schiffbrüchige vom bärbeißigen Kapitän Zvonko an Bord seines Donau-Schiffs genommen. Da gesellt sich noch der Dichter und Balkan-Spezialist Trader Horn, ein moderner Old Shatterhand, hinzu.

Er soll im Auftrag Angela Merkels den Brustpelz des weltberühmten Schriftstellers Dragutin Draculescu erbeuten, der sich zum Zaren ausgerufen und einen „Zigeuneraufstand“ angezettelt hat. Wie sich herausstellt, nehmen alle Protagonisten des Stücks ihr je eigenes Interesse an Draculescu. Es folgt eine abenteuerliche Flussreise durch einen moskitoverseuchten und von barbarischen Walachen, Serben, Skythen und NGOs bewohnten Dschungel, ehe es in der rettenden Stadt Lepograd zum unerwarteten Showdown kommt.

Bleibt nur die Tragikomödie

In aberwitzigen Sequenzen zeigt Schuberth immer wieder die versteckten Zusammenhänge zwischen kultureller Idealisierung, Rassismus und ökonomischer Okkupation des Ostens auf. Sein Humor ist ein aufklärerischer. Warum sich die Theaterbühnen seinen Stücken bisher nur zögerlich nähern, mag daran liegen, dass sie weder konventionell noch rein experimentell sind und sich den Schubladen Komödie und Problemstück verweigern. Sprachwitz und Paradox als Erkenntniswerkzeuge sind für Schuberth die „Königsdisziplinen zur Darstellung gesellschaftlicher Widersprüche“.

„Ernstes Theater“ findet er „schnell pathetisch und prätentiös“, und Kabarett liegt dem Ex-Kabarettisten „als humorige Unterhaltung um ihrer selbst willen“ auch nicht, und so zitiert er Horace Walpole: „Life is a comedy to those who think and a tragedy to those who feel.“ Folgerichtig entscheidet er sich für die Tragikomödie. Wie einst Kraus interpretiert Schuberth seine Stücke am liebsten selbst, mit musikalischer Begleitung, so auch bei der Präsentation von „Trommeln vom anderen Ufer des großen Flusses“ am 4. April im Wiener Porgy & Bess.

Autor Richard Schuberth

Richard Schuberth

Schriftsteller, Drehbuchautor und Essayist

Der Autor

Schuberth wurde am 12. März 1968 in Ybbs a. d. Donau in Niederösterreich geboren. Er studierte Ethnologie, Philosophie und Geschichte und lebt als freier Autor in Wien. Lange Jahre leitete er das Musikfestival Balkan Fever. Dreimal gewann er den Carl Mayer Drehbruchpreis (Diagonale Graz). Als Bücher erschienen bisher „CrossRoots“ (2002), „Freitag in Sarajevo“ (2003), „Wartet nur, bis Captain Flint kommt“ (2007), „30 Anstiftungen zum Wiederentdecken von Karl Kraus“ (2008) und „Wie Branka sich nach oben putzte“ (2012). „Das neue Wörterbuch des Teufels“ publizierte die Straßenzeitung „Augustin“ in einer Serie 2009 und 2010. Regelmäßig verfasst Schuberth Artikel, Essays, Rezensionen und Polemiken für diverse Zeitungen und Zeitschriften. Daneben wirkt er auch als Cartoonist und Schauspieler.

Armin Sattler, ORF.at

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