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Viele Anwärter - kein Favorit

Mit 28. Februar wird sich Benedikt XVI. in den Ruhestand zurückziehen und damit das Amt des Papstes zur Verfügung stellen. Diese Mitteilung kam sowohl für den Vatikan als auch die gesamte katholische Welt überraschend. Die Kardinäle stehen nun vor der großen Aufgabe, bis Ostern einen würdigen Nachfolger zu finden. Die Gerüchteküche brodelt. Kommt der nächste Papst erstmals nicht aus Europa?

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Nur wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Rücktritts von Benedikt XVI. gingen bei britischen Buchmachern bereits die ersten Wetten ein. Die besten Chancen hätte demnach ein Kandidat aus Lateinamerika oder Afrika. Aber auch Kanada hätte mit Marc Ouellet, Leiter der Bischofskongregation, einen würdigen Nachfolger. Aber auch Europa, wo jedoch nur noch 25 Prozent aller Katholiken beheimatet sind, hat starke Kandidaten.

Kardinal Odilo Pedro Scherer

AP/Alessandra Tarantino

Kardinal Scherer hat eine starke brasilianische Kirche im Rücken

Kein „geborener Nachfolger“

Die Zeiten, als der Papst zwingend aus Italien kam, sind längst vorbei. Schon der Pole Johannes Paul und der Deutsche Benedikt haben diese Tradition unterbrochen. Wen die Kardinäle nun beim nächsten Konklave voraussichtlich im März an die Macht wählen werden, ist diesmal spannend wie selten zuvor. Für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gibt es keinen „geborenen Nachfolger“, wie er dem Südwestrundfunk sagte. Doch auch für ihn spielt Lateinamerika eine gewichtige Rolle.

Aussagen in diese Richtung gibt es schon länger. „Ich kenne viele Bischöfe und Kardinäle aus Lateinamerika, die die Verantwortung für die Weltkirche übernehmen könnten“, sagte der deutsche Erzbischof Gerhard Müller, der derzeit den früheren Posten des Papstes an der Spitze der Glaubenskongregation innehat, kurz vor Weihnachten der „Rheinischen Post“. Etwa zur gleichen Zeit sagte der Schweizer Kardinal Kurt Koch dem Zürcher „Tagesanzeiger“, die Zukunft der Kirche liege nicht in Europa. „Es wäre gut, wenn es beim nächsten Konklave Kandidaten aus Afrika oder Südamerika gäbe.“

Lateinamerika vs. Afrika

Kommt die Rede auf Lateinamerika, fällt Beobachtern sofort der Name des Erzbischofs von Sao Paulo, Kardinal Odilo Scherer, ein. Scherer wurde in Brasilien geboren, seine Familie stammt von deutschen Auswanderern ab. In seiner Heimat kämpft er jedoch mit einer wachsende Zahl an Protestanten. Ein zweiter möglicher Kandidat wäre Leonardo Sandri, Leiter der vatikanischen Abteilung für die Kirchen im Osten, der italienisch-argentinischer Herkunft ist. Seine Rolle im Vatikan war jedoch bisher kaum von Bedeutung.

Kardinal Francis Arinze

Reuters/Jerry Lampen

Francis Arinze könnte der erste schwarze Papst in Rom werden

Doch nicht nur in Lateinamerika, auch in Afrika ist der Katholizismus auf dem Vormarsch. Daher steht auch ein schwarzer Papst bei den Buchmachern ganz oben auf der Liste. Als Favorit gilt Peter Turkson aus Ghana. Er leitet die vatikanische Abteilung für Frieden und Gerechtigkeit und gilt daher als das „soziale Gewissen“ der Kirche. Er sorgte jedoch bei einer vatikanischen Synode mit einem muslimkritischen Video für Aufregung. Auch der Nigerianer Francis Arinze hat Chancen, wenn er auch ob seiner 79 Jahre eher als Außenseiter gehandelt wird.

Krisenmanager Schönborn?

Ebenfalls als „papabile“ gilt der Leiter der Bischofskonferenz und damit der Personalchef des Vatikan, der Kanadier Marc Ouellet. Der 69-Jährige hat im Vatikan sehr gute Kontakte, jedoch nie Bestrebungen für das höchste Amt der katholischen Kirche gezeigt. Im Gegenteil, er sagte einmal, Papst zu werden „wäre ein Alptraum“.

Doch auch wenn vieles für einen nicht europäischen Papst spricht, ist das Wahlgremium noch immer fest in europäischer Hand. Ob sie sich zu so einem gewichtigen Schritt durchringen können und etwa einem schwarzen Kandidaten ihre Stimme geben, darf bezweifelt werden. Schließlich gibt es auch auf dem alten Kontinent einige interessante Kandidaten. So spricht einiges für Angelo Scola aus Mailand. Sein Amt als Erzbischof von Mailand gilt als Sprungbrett für das Amt des Papstes. Für ihn spricht seine gute Kenntnis des Islam, doch ein großer Charismatiker ist Scola nicht.

Kardinal Angelo Scola steht hinter Papst Bendedikt XVI

Reuters/Stefano Rellandin

Kardinal Angelo Scola zeigte sich gerne an der Seite des Papstes

Und auch der Name von Kardinal Christoph Schönborn taucht in internationalen Medien immer wieder auf. Ihm eilt der Ruf eines Krisenmanagers voraus, zudem machte er sich als Redakteur für den Katechismus der Katholischen Kirche weltweit einen Namen. Seine liberalen Aussagen zum Thema Homosexualität haben in der Kirche jedoch für Debatten gesorgt. Die Liste möglicher Kandidaten lässt sich noch beliebig fortsetzen - mehr dazu in religion.ORF.at

Längstes Konklave dauerte zwei Jahre

Bis ein neuer Papst den Petrusstuhl besteigt, leitet das Kardinalskollegium die Kirche. Seine Befugnisse sind jedoch beschränkt. In die Zeit der Sedisvakanz - die Zeit zwischen zwei Päpsten - fällt vor allem die Organisation der Papst-Wahl. Es wird gehofft, dass bereits zu Ostern das Amt wieder besetzt ist. Obwohl in jüngerer Zeit die Sedisvakanzen relativ kurz waren, ist es aber durchaus möglich, dass es bei einem Konklave 33 erfolglose Wahlgänge gibt. Das längste Konklave begann 1268 im mittelitalienischen Viterbo und dauerte zwei Jahre, neun Monate und zwei Tage. Zuletzt gab es 1831 eine besonders lange Wahl, aus der Gregor XVI. nach 50-tägigem Konklave als Papst hervorging.

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