Rücktritt völlig überraschend
Völlig überraschend hat Papst Benedikt XVI. am Montag seinen Rücktritt angekündigt. Der Dekan der katholischen Kirche, Angelo Sodano, nannte die Ankündigung einen „Blitz aus heiterem Himmel“. Viele Kirchenvertreter, Politiker und Gläubige zeigten sich „betroffen“, aber es gab auch leise Kritik.
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„Ich bin natürlich sehr betroffen, sehr bewegt von der von ihm ganz bewusst und klar getroffenen Entscheidung“, sagte Schönborn. Den Schritt könne man nur „mit ganz großem Respekt wahrnehmen und annehmen“. Auf die Frage, ob er potenzieller Nachfolgekandidat sei, antwortete Schönborn: „Mein Herz ist in Wien, mein Herz ist in Österreich - aber natürlich auch bei der ganzen Kirche“ - mehr dazu in wien.ORF.at.
Kardinal Meisner „schockiert“
Wenig Verständnis zeigte der Kölner Kardinal Joachim Meisner. „Ich bin regelrecht schockiert“, sagte Meisner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er habe die Ankündigung „erst für einen Rosenmontagsscherz“ gehalten. „Das geistliche Amt ist ja eine Art Vaterschaft. Und Vater bleibt man doch Zeit seines Lebens“, begründete Meisner sein Unverständnis.
Papst-Bruder: „Ich war eingeweiht“
Der Bruder des Papstes, Georg Ratzinger, nannte die angeschlagene Gesundheit Benedikts XVI. als Grund für dessen Rücktritt. „Das Alter drückt“, sagte er. Benedikts Arzt habe dem Papst geraten, keine transatlantische Reisen mehr zu unternehmen, sagte Georg Ratzinger weiter. Auch das Gehen bereite seinem Bruder zunehmend Schwierigkeiten.
Georg Ratzinger meinte, der Rücktritt seines Bruders sei ein „natürlicher Vorgang“. „Mein Bruder wünscht sich im Alter mehr Ruhe.“ Georg Ratzinger sagte weiter: „Ich war eingeweiht.“ Er räumte ein, seit Monaten von den Rücktrittsplänen des Papstes gewusst zu haben. Georg Ratzinger, wie sein Bruder katholischer Priester, war drei Jahrzehnte lang Domkapellmeister im deutschen Regensburg und damit Leiter der weltberühmten Regensburger Domspatzen.

REUTERS/Osservatore Romano
Sodano umarmt den Papst bei einem Konsistorium für die Seligsprechung von zwei süditalienischen Märtyrern am 11. Februar
„Wir sind Kirche“ zieht Bilanz
Die Plattform „Wir sind Kirche“ begrüßte den angekündigten Rücktritt Benedikts XVI.: „Sein Mut, damit gewohnte Strukturen aufzubrechen, ist großartig und zu bewundern.“ Kritisch fiel die Bilanz der Amtszeit des Papstes aus. Benedikt habe sich sehr „in die innerkirchliche Politik eines Zurück zu den Positionen vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil“ einspannen lassen.
Unter anderem würden davon die Aufhebung der Exkommunikation der Lefebre-Bischöfe, die Wiederzulassung alter Messriten und die gleichzeitige Kritik an neuen Gottesdienstformen zeugen. Kritisch sieht die Plattform unter anderem auch Benedikts Aussagen zur Christianisierung Lateinamerikas, seine Distanz zu den Kirchen der Reformation, seine Kritik der islamischen Welt an seiner Rede 2006 in Regensburg sowie seine „die Realität verweigernde Haltung in Fragen der Sexualität oder der Zweitehe“.
Dank, Respekt und Kritik in Deutschland
In Benedikt XVI. deutscher Heimat wurde die Rücktrittsankündigung mit Respekt und auch Bedauern aufgenommen. „Papst Benedikt gibt aller Welt ein leuchtendes Beispiel wirklichen Verantwortungsbewusstseins und lebendiger Liebe zur Kirche (...) Er wird uns fehlen“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. „Dass Ämter nur auf Zeit wahrgenommen und dass man ab einem bestimmten Lebensalter von allen amtlichen Pflichten befreit ist, gehört zum Maß des Menschlichen“, sagte Nikolaus Schneider, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Für diesen historisch höchst seltenen Entschluss sind großer Mut und Selbstreflexion nötig", sagte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck. Kanzlerin Angela Merkel sagte: „Benedikt XVI. ist und bleibt einer der bedeutendsten religiösen Denker unserer Zeit.“ Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte, die Entscheidung verdiene „größten Respekt, auch wenn ich sie persönlich zutiefst bedauere“. Deutschland und Bayern hätten ihm „unendlich viel zu verdanken“. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte: „Die Menschen in Deutschland, auch diejenigen, die nicht katholischen Glaubens sind, hatten während seines Pontifikats das Gefühl: ‚Wir sind Papst.‘“
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wünschte, dass die katholische Kirche unter seinem Nachfolger den Weg der Öffnung weiterverfolge. Grünen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin (ebenfalls Grüne) würdigten Benedikts XVI. Eintreten für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung und gegen Hunger und Armut, kritisierten aber „viele andere Positionen, wie etwa zur Empfängnisverhütung und zur Homosexualität“. Der religionspolitische Sprecher der Linksfraktion, Raju Sharma, sagte, Benedikt XVI. habe als Befürworter einer klaren Trennung von Staat und Kirche eine Entweltlichung der Kirche gefordert.
Monti, Hollande und Cameron würdigen Entscheidung
Italiens scheidender Regierungschef Mario Monti sagte: „Ich bin von dieser unerwarteten Nachricht erschüttert.“ Staatspräsident Giorgio Napolitano lobte den „großen Mut“ Benedikts. Medienzar und Premierkandidat Silvio Berlusconi erklärte seinen Respekt für die „Geste von großem Verantwortungsbewusstsein“ des Papstes. Frankreichs Staatschef Francois Hollande würdigte den angekündigten Rücktritt als „höchst achtbaren“ Schritt. Frankreich würdige „den Papst, der eine solche Entscheidung trifft“, sagte Hollande.
Der britische Premier David Cameron zollte Benedikt XVI. Tribut: „Er hat unermüdlich gearbeitet, um die Beziehungen zwischen Großbritannien und dem Heiligen Stuhl zu stärken. An seinen Besuch in Großbritannien 2010 wird mit großem Respekt und Zuneigung erinnert werden. Er wird als spiritueller Führer von Millionen vermisst werden.“ EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso zeigte sich „bewegt“. Er zolle dem Wirken des Papstes und dessen Verteidigung ökumenischer Werte, des Friedens und der Menschenrechte Respekt, hieß es am Montagabend in Brüssel in einer Erklärung.
Fischer: „Maßstäbe gesetzt“
Bundespräsident Heinz Fischer hielt die Rücktrittserklärung für „ein großes menschliches Zeichen von Verantwortungsbewusstsein“: „Ich glaube, dass damit auch Maßstäbe gesetzt wurden, dass auch jemand in allerhöchsten Funktionen, die nicht zeitlich begrenzt sind, sein Amt niederlegen kann, wenn die Last zu groß wird.“
„Aus meiner Sicht schade“, reagierte Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) auf die Rücktrittsankündigung. Der Papst sei „sehr intellektuell“. Der Schritt zeige aber auch das „besondere Verantwortungsgefühl“, das Benedikt XVI. dem Amt gegenüber habe.
Anerkennung aus den USA und Russland
US-Präsident Barack Obama und seine Ehefrau Michelle dankten dem Papst für die Zusammenarbeit. „Im Namen von allen Amerikanern wollen Michelle und ich Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. unsere Wertschätzung und Gebete überliefern“, sagte Obama. Die Kirche spiele eine wichtige Rolle in den USA und in der Welt.
Überrascht zeigte sich der Erzbischof von New York, Kardinal Timothy Dolan: „Ich bin so erstaunt wie der Rest von Euch und genauso erpicht darauf herauszufinden, was genau los ist.“ Er fühle sich Benedikt XVI. persönlich sehr verbunden, da er ihn zum Erzbischof von New York gemacht habe.
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. (Kirill), hat lobende Worte für Benedikt XVI. gefunden. In der „schwierigen Lage“, in der sich das westliche Christentum heute befinde, habe der Papst „mutig“ die Positionen und moralischen Werte seiner Kirche verteidigt, sagte Kyrill I., berichtete Kathpress am Montag.
Beziehung zu Juden verbessert
Papst Benedikt habe die Beziehungen zwischen Katholiken und Juden „auf ein beispielloses Niveau“ gehoben, sagte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder. „Kein Papst vor ihm hat mehr Synagogen besucht und mehr Anstrengungen unternommen, die Beziehungen zu Juden zu verbessern.“ Auch der deutsche Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, würdigte die Verdienste des Papstes um die Zusammenarbeit von Christen und Juden.
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