Klage gegen „Unbekannt“ angekündigt
Der europaweite Lebensmittelskandal um als Rindfleisch deklariertes Pferdefleisch in Tiefkühlkost ist am Wochenende in Klagen, Verdächtigungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen eskaliert. Die Kette an Schuldzuweisungen betrifft inzwischen zumindest sieben europäische Länder.
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Seinen Ausgang genommen hatte der Skandal in Großbritannien und Irland durch Entdeckung von Pferdefleisch in „Rindfleisch“-Produkten des transeuropäischen Lebensmittelkonzerns Findus. Auch Produkte in Schweden und Frankreich wurden aus dem Handel genommen. Während Findus eine Betrugsklage gegen Unbekannt ankündigte, schob der französische Fleischverarbeiter die Schuld rumänischen Lieferanten zu. Die britische Regierung vermutet kriminelle Machenschaften hinter dem Skandal.
Beweiskette reicht durch halbe EU
Die Klage werde am Montag eingereicht, erklärte der Chef von Findus France, Matthieu Lambeaux, am Samstag: „Wir sind getäuscht worden.“ Der britischen Behörde für Lebensmittelsicherheit FSA zufolge wiesen Lasagnepackungen des Tiefkühlkostkonzerns Findus einen Pferdefleischanteil von bis zu hundert Prozent auf, obwohl auf dem Etikett Rindfleisch angegeben war. Das gleiche galt für zwei von der Aldi(Hofer)-Kette in Großbritannien vertriebene Fertiggerichte.
Die Beweisführung in dem Fall führt durch halb Europa und zeigt die Probleme in der Nahrungsmittelindustrie von heute beispielhaft auf: Nicht umsonst muss Findus gegen „Unbekannt“ klagen. Das Fleisch ging durch so viele Hände, dass ein Verantwortlicher vorerst nicht zu eruieren ist. Das beginnt schon bei der Herstellung: Alle beanstandeten Produkte wurden nur von Findus gehandelt - hergestellt wurden sie jedoch vom französischen Tiefkühllieferanten Comigel.
„Haben gekauft und wieder verkauft“
Der Hersteller Comigel wiederum zeigt mit dem Finger auf das südwestfranzösische Unternehmen Spanghero, der das verwendete Fleisch geliefert hatte. Spanghero seinerseits erklärte, das Pferdefleisch sei ihm aus Rumänien untergeschoben worden und kündigte eine Klage gegen den rumänischen Lieferanten an. Möglicherweise spielt aber auch das luxemburgische Unternehmen Tavola eine Rolle: Bei dieser Tochtergesellschaft von Comigel wurden die Fleischprodukte tatsächlich produziert.
Doch auch damit ist der Kreis der Verdächtigen nicht restlos eingegrenzt: Der rumänische Lieferant hatte das Fleisch über Zwischenhändler in Zypern und den Niederlanden nach Frankreich verkauft. Bei Spanghero ist man sich jedenfalls keiner Schuld bewusst: „Wir haben Rindfleisch mit der Herkunftsbezeichnung Europa gekauft und wieder verkauft,“ sagte Firmenchef Barthelemy Aguerre.

APA/ORF.at
Die Vertriebsstrukturen im europäischen Pferdefleischskandal
Rumänien verdächtigt Frankreich
Rumäniens Landwirtschaftsminister, Daniel Constantin, leitete am Wochenende Vorermittlungen gegen zwei Schlachtbetriebe ein, die von den französischen Behörden benannt worden seien. Sollte sich ein Betrugsverdacht erhärten, würden die Schuldigen bestraft. Derzeit sei aber noch nichts erwiesen, betonte Constantin. Der Präsident des rumänischen Verbands der Lebensmittelindustrie, Dragos Frumosu, konterte am Sonntag wiederum mit Vorwürfen in Richtung Frankreich.
Da es sich um eine bedeutende Liefermenge handelte, müsse der französische Importeur „entweder mit dem rumänischen Produzenten unter einer Decke stecken - oder er hat das Fleisch selbst umetikettiert“, meinte Frumosu. Auch Sorin Minea, Vorsitzender des Verbandes der rumänischen Lebensmittelhändler, bekundete sein Unverständnis. „Ich bin mir sicher, dass der Importeur wusste, dass es sich nicht um Rindfleisch handelt“, sagte Minea. „Pferdefleisch hat einen besonderen Geschmack, eine besondere Farbe und eine besondere Beschaffenheit.“
Erste Rufe nach totalem Fleischimportstopp
Nach dem Fund von Pferdefleisch, dessen Verzehr in Großbritannien verpönt ist, in Burgern und in tiefgefrorener Lasagne hatte Findus auch in Frankreich und Schweden Fertiggerichte aus dem Handel genommen. Die britische Lebensmittelaufsicht ordnete Tests aller Fertigmahlzeiten an, die laut Verpackung Rindfleisch enthalten. Auch in Deutschland laufen entsprechende Testreihen an. In Großbritannien wurde außerdem zuletzt Schweinefleisch in Rindfleischgerichten für muslimische Häftlinge entdeckt.
Großbritanniens Lebensmittelminister Owen Paterson erklärte, er schließe nicht aus, dass es sich „um ein grenzüberschreitendes kriminelles Komplott in betrügerischer Absicht“ handele und nicht um die Folge grober Fahrlässigkeit. Die konservative Unterhausabgeordnete Anne McIntosh, Vorsitzende des britischen Parlamentsausschusses für Lebensmittelsicherheit, forderte, den Fleischimport aus der gesamten EU sofort einzustellen, bis der Etikettenschwindel aufgeklärt sei.
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