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„Vorwürfe treffen mich tief“

Die deutsche Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat nach der Aberkennung ihres Doktortitels ihren Rücktritt erklärt. Schavan habe ihr Freitagabend ihren Rücktritt vom Amt angeboten, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag in Berlin. Sie habe das „sehr schweren Herzens angenommen“. Schavan stelle mit ihrem Rücktritt ihr eigenes Wohl hinter das Wohl des Ganzen.

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Nach ihrer Unterredung mit Merkel im Kanzleramt sagte Schavan, sie habe weder abgeschrieben noch getäuscht. Die Vorwürfe träfen sie tief. Schavan begründete ihren Rücktritt mit dem Respekt vor dem Amt des Bildungs- und Forschungsministers. Sie wolle mit ihrem Rücktritt Belastungen für das Amt und die Bundesregierung vermeiden. Nun wolle sie sich auf ihr Bundestagsmandat konzentrieren.

Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan und Bundeskanzlerin Angela Merkel

dapd/Axel Schmidt

Schavan und Merkel am Samstag vor der Presse

Schavan hatte Plagiate und eine Täuschungsabsicht in ihrer 1980 eingereichten Doktorarbeit stets bestritten. Lediglich „Flüchtigkeitsfehler“ hatte sie zuletzt eingeräumt. Sie hatte die Prüfung durch die Uni selbst mit angeregt und wollte gegen den Entzug des Titels klagen. Die Klage einer Bundesbildungsministerin gegen eine Universität würde aber die Bundesregierung, das Amt und auch die CDU belasten, erklärte Schavan am Samstag.

Nachfolgerin wird Johanna Wankam

Die 57-Jährige gilt als enge Vertraute Merkels und war seit 2005 Bundesbildungsministerin. Merkel bescheinigte Schavan außerordentliche Leistungen in ihrem Ministeramt. Schavans Nachfolgerin werde Niedersachsens Wissenschaftsministerin Johanna Wankam, sagte Merkel. Sie fügte hinzu, dass Wanka, promovierte Mathematikerin und langjährige Wissenschaftsministerin in Brandenburg und Niedersachsen, „beste Voraussetzungen“ mitbringe.

„Ich habe mich gefreut, dass sie mir für diese Aufgabe zugesagt hat.“ Wanka soll die Ernennungsurkunde am kommenden Donnerstag von Bundespräsident Joachim Gauck in Empfang nehmen, wie Merkel weiter mitteilte. Die promovierte ostdeutsche Mathematikerin gilt als konservativ und pragmatisch. In der Wissenschaftspolitik agierte sie bisher allerdings eher farblos.

Lob für Schavans Schritt

Seit dem Entzug des Doktortitels sei Schavan in ihrem Amt beschädigt gewesen. Mit dem Rückzug wende die CDU-Politikerin sowohl von der Wissenschaft als auch von ihrem Amt Schaden ab, sagte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Bernhard Kempen, der von einem „notwendigen und folgerichtigen“ Schritt sprach.

Der FDP-Vorsitzende, Wirtschaftsminister Philipp Rösler, bedauerte, dass Schavan ihre erfolgreiche Arbeit nicht fortsetzen könne. „Es ist tragisch, dass die politische Karriere von Annette Schavan so endet“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann. Ihr Rücktritt sei jedoch „ein Akt der politischen Konsequenz“. „Annette Schavan hat das Richtige getan“, hieß es von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Die Grünen nahmen den Rücktritt laut Fraktionschef Jürgen Trittin „mit Respekt“ zur Kenntnis. „Sie hätte ihr Amt als Bundesforschungsministerin nicht mehr glaubwürdig ausüben können.“ Nach Ansicht der Linkspartei erspart der Wechsel eine monatelange Hängepartie.

Erste Vorwürfe Ende April 2012

Die Universität Düsseldorf hatte am Dienstag entschieden, Schavan ihren vor 33 Jahren erworbenen Titel wegen Plagiaten in ihrer Dissertation „Person und Gewissen“ abzuerkennen. Die Uni habe es als erwiesen angesehen, dass Schavan „systematisch und vorsätzlich über ihre Dissertation verteilt“ gedankliche Leistungen vorgegeben habe, die sie nicht selbst erbracht habe. Insgesamt gebe es in der Arbeit „in bedeutendem Umfang eine nicht gekennzeichnete Übernahme fremder Texte“.

Die Prüfung von Schavans Doktorarbeit hatte rund neun Monaten gedauert. Ein interner Bericht der Promotionskommission warf Schavan in ihrer Dissertation an zahlreichen Stellen Plagiate vor. Erste Plagiatsvorwürfe gegen die CDU-Politikerin waren Ende April 2012 anonym im Internet aufgetaucht. Martin Heidingsfelder, Gründer der Onlineplattform VroniPlag, die Belege für Plagiatsfälle in wissenschaftlichen Arbeiten sammelt, hatte Schavan bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe zum Rücktritt aufgefordert. „Wer nicht weiß, wie man richtig zitiert, kann nicht Bundesforschungsministerin und Professorin sein“, hatte der bekannteste deutsche Plagiatsjäger damals gesagt.

Nicht das erste Opfer

Heidlingsfelder wirkte bei der Aufdeckung von Plagiatsvorwürfen gegen mehrere Spitzenpolitiker wie CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin mit. Über 25.000 Doktortitel werden pro Jahr an deutschen Unis neu eingereicht. Über Ablehnungen, Plagiate und Täuschungsversuche bei Forschungsarbeiten wird nirgendwo Buch geführt. Nur wenn es sich um Plagiatsfälle von Prominenten handelt oder solchen, die vor dem Verwaltungsgericht landen, werden sie publik.

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