Themenüberblick

Die Gründe für die „mysteriöse Schere“

Wissenschaftler wollen jetzt ein Rätsel gelöst haben: Wieso fällt laut jüngsten Zahlen in Großbritannien der Wirtschaftsertrag bei wachsenden Beschäftigtenzahlen? Stutzig machte die Experten auch, dass das „Produktionsrätsel“ für alle Branchen gilt. Mehrere Gründe wurden jetzt von den Experten für diese mysteriöse Schere genannt, wie der „Guardian“ berichtet.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Vor allem aber sogenannte „Zombie“-Firmen sollen die Produktivität aushöhlen. Laut der Studie des Thinktanks Institute for Fiscal Studies (IFS) produzieren nun mehr Menschen in Großbritannien pro Stunde um 2,6 Prozent weniger als vor fünf Jahren und hochgerechnet um 12,8 Prozent weniger, wenn der Produktivitätstrend vor der Krise angehalten hätte.

Torkeln am Rande der Pleite

In ihrem jüngsten Erklärungsversuch geht das IFS von einem Bündel an Gründen für das Auseinanderklaffen des geringen Wirtschaftswachstums und der steigenden Beschäftigungszahl aus. So werden die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, schwache Investitionen und vor allem die Zunahme von „Zombie“-Unternehmen genannt.

Unter „Zombie“-Firmen versteht man Unternehmen, die am Rande der Pleite stehen und nur mehr ihre Schulden bedienen können, was sie vor dem endgültigen Aus rettet. Die Schuldentilgung ist insofern wichtig, da die Bank dann nicht die gesamte Restkreditsumme einfordert und damit das Unternehmen in den Ruin treibt.

Jobs jedoch weiter gesichert

Das Unternehmen befindet sich dadurch in einem gelähmten Zustand, der auch lange anhalten kann, wie es im „Guardian“ heißt. Investitionen, Neuerungen und andere Impulse sind dabei schon aufgrund der finanziellen Einschränkungen nicht möglich. Andererseits behalten die Arbeitnehmer dadurch weiterhin ihre Jobs.

Mittlerweile sind die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft offenbar enorm. Man geht von rund 150.000 dieser „lebenden toten“ Firmen in Großbritannien aus. Die Dunkelziffer dieser sich in einem quasi „eingefrorenen“ Zustand befindlichen Unternehmen dürfte allerdings größer sein. Sollten die Kreditzinsen steigen, wäre das für diese verheerend.

Warnung vor „Zombie“-Katastrophe

„Diese Firmen kommen gerade so durch“, so Christine Elliott, Geschäftsführerin des Institute for Turnaround zu der BBC. Diese Firmen bräuchten mehr Aufmerksamkeit vonseiten der Politik, um eine Katastrophe zu vermeiden. Denn dann würden Zehntausende Arbeitsplätze verloren gehen. Und das in den „lebenden Toten“ steckende Kapital kann von den Banken nicht für Start-up-Firmen oder dynamische Kleinunternehmen zur Verfügung gestellt werden.

Lohnniveau frustriert Arbeitnehmer

Die Verfasser der Studie zählen noch zwei weitere Gründe für das britische Phänomen auf. Der Verfall des Lohnniveaus bzw. die Einbußen im Reallohn, da die Inflationsrate nicht ausgeglichen wird, erlaubt den britischen Firmen mehr Menschen zu beschäftigen bzw. einzustellen als bei einem höheren Lohnniveau, so die Studie des IFS.

Durch den Verfall von Vermögenswerten wie etwa Aktien und Immobilien, die britische Pensionsreform und geringere staatliche Zuwendungen für Arbeitslose drängten mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt. Das macht es für Beschäftigte schwieriger, ihr Lohnniveau vor Arbeitslosen, die auch für ein geringeres Entgelt die Arbeit annehmen, zu schützen, so das IFS weiter.

Fehlende Investitionen lähmen Fortschritt

Der zweite Grund - er hängt zum Teil auch mit den „Zombie“-Unternehmen zusammen - ist der laut Studie festgestellte starke Rückgang bei Investitionen. Es wird um rund 16 Prozent weniger als vor der Krise investiert.

„Der Rückgang in der Produktivität scheint von den geringen Reallöhnen und den niedrigen Firmeninvestitionen auszugehen. Die Verlangsamung der Produktivität passiert quer durch die gesamte Wirtschaft - und das, obwohl sich nichts bei den Rahmenbedingungen weder der Wirtschaft noch des Arbeitsmarktes geändert hat“, so Wenchao Lin, Mitverfasserin der Studie. „Wenn die Beschäftigten weniger und weniger gutes Kapital zum Arbeiten haben, produzieren sie auch weniger“, so die Konklusion des IFS.

Links: