Haar- soll Harntests ablösen
Johanna Mikl-Leitner macht mit ihrem Vorstoß, Haartests bei Drogenverdacht einzusetzen, nun ernst. In Bälde sollen Pilotprojekte starten, wie der „Kurier“ in seiner Mittwoch-Ausgabe berichtete. „Im Frühjahr wird in drei Bezirken in Ostösterreich“ ein Pilotprojekt umgesetzt, so ein Sprecher des Innenministeriums zum „Kurier“.
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„Die wenig genauen und leicht zu umgehenden Urintests sollen damit der Vergangenheit angehören“, wie der „Kurier“ mit Verweis auf das Ministerium weiter schreibt. Autofahrer und Drogenverdächtige müssten dann keine Urinprobe, sondern eine Haarprobe beim Amtsarzt abgeben. Neben den Alkomattests haben sich Schnelltests für Autofahrer derweil nicht durchgesetzt. Mit den Haartests erhofft man sich nun mehr Präzision und weniger Ungenauigkeit.
„Lückenlose Beobachtung des Drogenkonsums“
Mikl-Leitner hatte die Debatte über die Haartests erneut Ende Jänner losgetreten. Um Drogenkarrieren von Jugendlichen möglichst schnell zu unterbinden, seien Schnelltestverfahren - ähnlich wie beim Alkohol - notwendig, so die Innenministerin. Die Wahl fiel auf die Haartests. Beim Kampf gegen den Drogenmissbrauch sei es wichtig zu wissen, „in welchem Stadium sich der junge Mensch befindet“, argumentierte Mikl-Leitner Ende Jänner für die Haartests.
Bereits Mitte November hatte Mikl-Leitner sich erstmals für Haartests ausgesprochen. Eine langfristige Beurteilung sei nur durch eine Haaruntersuchung möglich. Die Haaranalyse sei wesentlich genauer und aussagekräftiger als Harnuntersuchungen und ermögliche eine lückenlose Beobachtung des Drogenkonsums des Probanden über einen längeren Zeitraum, hieß es damals.
Jarolim: „Jugendliche unter Generalverdacht“
Mikl-Leitners neuerlicher Vorstoß ist koalitions- wie ÖVP-intern heftig umstritten. Verärgert reagierte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Schüler und Jugendliche schon bei bloßem Drogenerstverdacht Schnelltests per Haaranalysen zu unterziehen, damit würden Österreichs Jugendliche einem Generalverdacht ausgesetzt, so Jarolim in einer Aussendung Ende Jänner. „Das ist ungeheuerlich und entspricht nicht einem in einem entwickelten Rechtsstaat üblichen Vorgehen“, so der Justizsprecher des Koalitionspartners. Er verwies auch auf seinen Parteikollegen Gesundheitsminister Alois Stöger. Der keinen Grund sieht, „von der bewährten Strategie gegen Sucht abzugehen“.
„Weiters ist nicht einmal gesichert, dass Haartests tatsächlich ein einwandfreies und auch gerichtlich verwertbares Ergebnis liefern, um Drogenkonsum nachzuweisen“, so Jarolim. Die ÖVP habe ganz offenkundig die Jugend zu ihrem neuen Feindbild erklärt. Die Sozialistische Jugend stieß in einer Aussendung in ein ähnliches Horn. In der Bekämpfung von Sucht seien Prävention und Therapie gefragt, sicher nicht Bestrafungsfantasien und Law-&-Order-Maßnahmen, kritisierte die SJÖ den Vorstoß Mikl-Leitners.
Rasinger für mehr Prävention
Auch ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger kann den Haartests nichts abgewinnen. Nachdem man wisse, dass 30 bis 40 Prozent der jungen Leute „einmal etwas probieren, hat es keinen Sinn, da verstärkt einzugreifen. Am besten wäre es, hier massiv auf Prävention zu setzen“, so Mikl-Leitners Parteikollege Anfang Februar im „Standard“. Der Arzt plädierte in der Tageszeitung daher dafür, potenzielle Erstkonsumenten über die Folgen von Drogenmissbrauch aufzuklären. Die jungen Leute sollten zum Neinsagen ermutigt werden, verwies er im „Standard“ auf die 80er-Jahre-Aktion der Präsidentengattin Nancy Reagan „Just Say No!“.
Toxikologe: Es kommt auf die Haarfarbe an
Auch andere Experten sind skeptisch. Die Methode sei sehr gut in der Gerichtsmedizin, aber nicht für ein Massenscreening geeignet, so der Toxikologe Rainer Schmied im „Kurier“. Das Problem sei, dass es genetische Unterschiede gebe. Drogen würden in blonden Haaren weniger abgelagert als in dunklen, zitierte ihn der „Kurier“. „Wenn sie die Haare von einem Menschen an verschiedene Stellen schicken, dann kommen dabei sehr unterschiedliche Ergebnisse heraus“, so das Fazit des Experten im „Kurier“.
Drogenkoordinator: Fragwürdige Motive
Auch der Wiener Drogenkoordinator Michael Dressel kann dem Vorstoß der Innenministerin wenig abgewinnen. Haaranalysen seien nach jetzigem wissenschaftlichem Stand „kein valides Instrument“. Dressel stellte im „Standard“ auch die Motive der Innenministerin in Frage. „Hier scheinen vor allem jugendliche Kiffer das Ziel zu sein.“ Sie wären leichte Beute für die Polizei. Und auch die Kosten wären „zehn- bis fünfzigmal“ höher als Harntests. Er befürchtet bei der Drogenpolitik Rückschritte „um bis zu 30 Jahre“.
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