Letzter Wille: Ein Begräbnis in York?
Im Oktober haben Wissenschaftler ein mehr als 500 Jahre altes Skelett unter einem Parkplatz in Leicester entdeckt. Am Montag war die Sensation perfekt: Ein Forschungsteam veröffentlichte die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen und gab bekannt, dass man sich sicher sei, die Gebeine König Richards III. gehoben zu haben. Schon kurz darauf ging der Streit um die Gebeine los.
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Ähnlich wie beim Streit zwischen Südtirol und Tirol, die jahrelang um den Anspruch auf die Gebeine des Gletschermanns „Ötzi“ stritten, bahnt sich nun ein Kampf um das Skelett des englischen Königs an. Kein Wunder - neben dem Prestige und der internationalen Aufmerksamkeit könnte der tote Monarch auch viel Geld in die Kassa jener Stadt bringen, die sein Grab letztlich beherbergen darf.

Reuters/Andrew Winning
Eine Rekonstruktion des Gesichts soll zeigen, dass Richard III. nicht so entstellt war, wie er oft dargestellt wird
War bei „Ötzi“ jedoch Hauptstreitpunkt die Frage, wo er das Zeitliche gesegnet hat und von wo aus er seine Bergtour gestartet hatte, sind derartige Fakten bei Richard III. bekannt. Er war der letzte Herrscher aus dem Hause York und wuchs in Middleham Castle in den Northshire Dales auf. Gestorben ist er in Market Bosworth (Leicestershire), begraben wurde er in Leicester.
Geboren in Yorkshire, gestorben in Leicestershire
Während seiner kurzen Regentschaft soll er York mehrmals besucht haben. Bis heute erinnert ein kleines Museum in einem ehemaligen Wärterhaus an der Stadtmauer an den König. Einige Historiker gehen davon aus, dass Richard III. geplant habe, in der Kathedrale der Stadt begraben zu werden - und liefern damit das Hauptargument für den nun entbrannten Kampf um seine Überreste.
Diesen Wunsch leiten die Wissenschaftler vor allem daraus ab, dass der König „hundertmal mehr“ Spenden an die Kirche in York gegeben habe als an andere, erklärte Kersten England, Vorsitzende des Stadtrats von York gegenüber der BBC. Man wolle sich zwar nicht mit Leicester streiten, und ohne Zweifel sei die Stadt, in der das Skelett gefunden wurde, juristisch gesehen im Vorteil - aber York sei „eindeutig moralisch im Recht“.
Brief an Königin Elizabeth soll York zum Recht verhelfen
Mit einem Brief an Königin Elizabeth II. will Kersten England nun für ihre Stadt kämpfen. Parallel zu den offiziellen Bemühungen ist der Streit um das Grab auch zu einem Social-Media-Phänomen geworden. Eine Onlinepetition wurde bisher bereits über 4.500-mal unterzeichnet, und auch auf Twitter und Facebook formen sich Kampagnen.
Bisher mit wenig offiziellem Erfolg: Justizminister Chris Grayling bestätigte bereits, dass Richard III. in der Leicester-Kathedrale seine letzte Ruhestätte finden soll.
„Schlichte, elegante und angemessene“ Zeremonie
In Leicester plant man derweil auch schon fleißig die Zeremonie: „Schlicht, elegant und angemessen“ wolle man die Beisetzung halten. Philippa Langley von der Richard III. Society bestätigte gegenüber der BBC, dass die Pläne für das Grab bereits „fortgeschritten“ seien. Aus der Diözese signalisierte Sprecherin Liz Hudson-Oliff, dass man es auch auf einen Rechtsstreit mit York ankommen lassen würde. „Wir wollen, dass die sterblichen Überreste bei uns bleiben, und wir nehmen auch an, dass das so sein wird.“
Kein Wunder: Für die Stadt Leicester ist der Fund eine Goldgrube. Gut vier Millionen Pfund (fast fünf Mio. Euro) könnten alleine mit dem Eintritt zur Fundstelle jährlich eingenommen werden, schätzt Marketingexpertin Nicky Stephen. Noch ist der Parkplatz, unter dem die mutmaßlichen Königsknochen bis vor kurzem vor sich hin rotteten, ein wenig anziehender Ort - doch Stephen schwärmt im BBC-Interview von einem „unglaublichen Besuchercenter“, in dem die Zeit Richards III. mit allen Sinnen erlebbar werden soll.
Letzter König, der im Kampf starb
Richard III. war der letzte englische König, der im Kampf starb. 1485 fiel er in der Schlacht von Bosworth Field gegen die Truppen von Henry Tudor, dem späteren König Heinrich VII. „Viele Leute hatten sich nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, ob die Überreste überhaupt noch da sein könnten“, sagte der für das Projekt verantwortliche Archäologe Buckley von der Universität Leicester.

Reuters/University of Leicester
Auf den Röntgenbildern sind deutlich die möglicherweise tödlichen Kampfwunden zu sehen
Anscheinend kein aufwendiges Begräbnis
Als das Archäologenteam jedoch in die Gräben unter dem Asphalt des Parkplatzes stieg, wurden ihre kühnsten Träume übertroffen. Nach nur drei Wochen fanden die Wissenschaftler in einem schlichten Grab die Knochen eines Mannes. „Wir können vom Zustand des Skeletts darauf schließen, dass das Begräbnis kurz nach dem Tod stattfand und die Leiche nicht verlegt wurde“, so Appleby. „Es scheint ein sorgfältiges Begräbnis gewesen zu sein, aber kein aufwendiges.“
Das Skelett weist den Wissenschaftlern zufolge mindestens zwei Verletzungen am Schädel auf, eine Wunde am Rücken und eine Krümmung der Wirbelsäule. „Er hat Verletzungen, die zu einem Tod in einer Schlacht passen könnten, wie es Richard III. passiert ist“, sagte Appleby.
Gewissheit brachte schließlich ein DNA-Abgleich mit Michael Ibsen, einem Neffen des Königs in 17. Generation. Der 55-jährige Tischler wurde in Kanada geboren und zog vor 27 Jahren nach London. „Die einzige Linie, die sie bis in die heutige Zeit verfolgen konnten, war diejenige, die zu meiner Mutter führte“, sagte Ibsen.
Wie böse war Richard III. wirklich?
Ibsen hofft, dass die Identifizierung der Überreste dazu beitragen könnte, den Ruf Richards III. zu rehabilitieren. „Ehrlich gesagt ist man doch lieber mit jemandem verwandt, der für nette Dinge bekannt ist, als mit einem barbarischen Mörder, wie ihn Shakespeare dargestellt hat“, sagt Ibsen. Schließlich porträtierte der englische Dramatiker Richard III. als machtbesessenen Buckligen, der seinen Neffen ermordete, um auf den Thron zu kommen. „Ich persönlich glaube, er wurde falsch dargestellt“, sagt Ibsen. „Aber wir werden das wohl nie mit Sicherheit erfahren.“
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