Guttenberg prominentester Fall
Nach der spektakulären Affäre um die Doktorarbeit des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gerieten schon bald die Dissertationen weiterer Politiker unter Verdacht. Im Internet suchten Plagiatsjäger nach Fehlern in ihren Arbeiten, was Universitäten zu offiziellen Prüfungen veranlasste.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Wochenlang beherrschte 2011 die Plagiatsaffäre um den CSU-Politiker Guttenberg die Schlagzeilen. Mitte Februar tauchten erste Berichte über Täuschungsvorwürfe im Zusammenhang mit seiner juristischen Doktorarbeit an der Universität Bayreuth auf. Der damalige Verteidigungsminister wies den Plagiatsvorwurf zunächst als „abstrus“ zurück, kurz darauf sprach er selbst von „gravierenden Fehlern“.
Ende Februar erkannte die Uni Bayreuth Guttenberg den Doktortitel ab. Am 1. März 2011 trat der bis dahin beliebteste deutsche Politiker zurück. Eine Unikommission kam schließlich im Mai nach dreimonatigen Prüfungen zu dem Schluss, dass Guttenberg vorsätzlich getäuscht hatte. Guttenberg hatte das immer bestritten.
FDP-Europaabgeordnete Koch-Mehrin trat zurück
Auch die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin stolperte über Plagiatsvorwürfe gegen ihre Doktorarbeit. Mitte Mai des Vorjahrs trat Koch-Mehrin als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament und als Vizepräsidentin des Parlaments zurück. Gut einen Monat später entzog die Universität Heidelberg ihr den Doktortitel. Die Uni klassifizierte mehr als 120 Stellen als Plagiate. Wie bei Guttenberg hatten auch in ihrem Fall Plagiatsjäger im Internet die Arbeit unter die Lupe genommen. Für Schlagzeilen sorgte Koch-Mehrin zuletzt Ende Juni 2011, als sie erst nach heftiger Kritik ihren Sitz im EU-Forschungsausschuss aufgab.
Drei weitere FDP-Schwindler
Die Doktorarbeit der Politikprofessorin und FDP-Politikerin Margarita Mathiopoulos stand zweimal auf dem Prüfstand. Die in den 1980er Jahren vorgelegte Arbeit war bereits Anfang der 1990er Jahre in die Kritik geraten. Damals waren zwar handwerkliche Mängel festgestellt worden, die aber nicht zur Aberkennung des Doktortitels führten. Nach einer zweiten Prüfung wurde ihr im April 2012 der Doktorgrad wegen eines Plagiats entzogen.
Die Universität Bonn entzog auch dem FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis nach mehrwöchiger Überprüfung der Plagiatsvorwürfe den Doktortitel. In der Dissertation hätten die Prüfer in zahlreichen Fällen aus anderen wissenschaftlichen Arbeiten entlehnte Passagen gefunden, die nicht als wörtliche Übernahmen gekennzeichnet waren, erklärte die Universität zur Begründung.
Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Köln erkannte im März 2012 dem FDP-Abgeordneten Bijan Djir-Sarai den akademischen Titel ab. Der 35-Jährige habe in seiner Dissertation „Ökologische Modernisierung der PVC-Branche in Deutschland“ in erheblichem Umfang wissenschaftliche Zitierpflichten nicht hinreichend beachtet. An zahlreichen Stellen habe Djir-Sarai Textpassagen aus Werken fremder Autoren sinngemäß übernommen, ohne diese korrekt zu kennzeichnen oder offenzulegen.
Fremde Texte, nicht ausgewiesene Zitate
Der baden-württembergische CDU-Landtagsabgeordnete Matthias Pröfrock verlor Anfang Juli 2011 seinen Doktortitel. Der Promotionsausschuss der juristischen Fakultät der Universität Tübingen kam bei der Prüfung seiner Dissertation zu dem Schluss, dass sie „in nicht unerheblichem Maße fremde Texte wörtlich übernimmt, ohne dass dies kenntlich gemacht wurde“. Pröfrock, der erst in diesem Jahr in den Stuttgarter Landtag gewählt wurde, will sein Mandat behalten.
Die Universität Hamburg entzog dem SPD-Politiker Uwe Brinkmann nach Plagiatsvorwürfen den Doktortitel. Seine Dissertation enthielt nicht oder nicht ausreichend gekennzeichnete Zitate. Auch gegen seine Arbeit hatten zuvor Plagiatsjäger im Internet Vorwürfe erhoben. Brinkmann war in der Vergangenheit auch Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.
Titel ohne Arbeit
Der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Dieter Jasper (CDU) wurde Anfang Mai 2011 zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt, weil er einen Doktortitel zu Unrecht geführt hatte. Jasper hatte den Doktor der Wirtschaftswissenschaften 2004 an einer Universität in der Schweiz erworben, die gegen Geld akademische Grade vergeben soll.
Der Oberbürgermeisterkandidat der Landauer CDU, Kai Schürholt, hatte sich 2007 im Wahlkampf mit einem Doktortitel geschmückt, obwohl er seine Promotion noch längst nicht abgeschlossen hatte. Das Amtsgericht Landau verurteilte den studierten Theologen im Juni 2009 wegen Titelmissbrauchs zu einer Geldstrafe von 7.500 Euro.
Althusmann durfte Titel behalten, Hahn auch
Der Kultusminister des deutschen Bundeslandes Niedersachsen, Bernd Althusmann (CDU), durfte hingegen seinen Doktortitel behalten. Das Prüfverfahren sei eingestellt, die Plagiatsvorwürfe seien nicht belegt, so die Universität Potsdam. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hatte über mögliche Regelverstöße in seiner Arbeit berichtet. Es hätte demnach Hinweise gegeben, dass Althusmann auf 88 von 114 Seiten seiner Dissertation fremdes geistiges Eigentum verwendet habe, „ohne dies in der notwendigen Weise deutlich zu machen“.
In Österreich sorgte die Dissertation des früheren Wissenschaftsministers und nunmehrigen EU-Kommissars Johannes Hahn (ÖVP) für lange Diskussionen. Die österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) kam aber zu dem Schluss, dass es sich um kein Plagiat handelt. Das Zitieren von Texten anderer Autoren in Hahns Dissertation „Die Perspektiven der Philosophie heute - Dargestellt am Phänomen Stadt“ aus dem Jahr 1987 würde zwar nach heutigen allgemein anerkannten Standards „nicht den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis“ entsprechen, hieß es. Nach 25 Jahren sei aber nicht mehr zu verifizieren, ob die Arbeit damals an der Uni Wien geltenden Standards entsprochen habe.
Links: