Debatte über Darstellung von Folter
Schon kurz nach ihrem Oscar-Gewinn für „The Hurt Locker“ 2010 hat Kathryn Bigelow angekündigt, einen Film mit dem Titel „Kill Bin Laden“ drehen zu wollen. Ein Jahr später wurde sie von der Realität eingeholt und musste ihr Drehbuch umschreiben lassen: Osama Bin Laden war 2011 getötet worden, aus dem Film über das Scheitern einer CIA-Mission musste ein Thriller über eine erfolgreiche Operation werden.
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Schon als die ersten Einzelheiten über Bigelows aktuelles Projekt durchsickerten, war die Aufregung groß. Details zur Geheimdienstarbeit würden gezeigt werden, Methoden, die zum Aufspüren und schließlich dem Tod von Osama Bin Laden geführt haben, und - das war schon weit vor Kinostart in den USA klar - keine geschönten. Republikaner fürchteten, der Film könnte vor der US-Wahl ins Kino kommen (kam er nicht), Barack Obama als großen Al-Kaida-Bezwinger zeigen und gleichzeitig an die Foltermethoden der George-W.-Bush-Ära erinnern.
Kein Film mit dokumentarischen Ansprüchen
„Basierend auf Berichten aus erster Hand über wahre Begebenheiten“ sei der Film, wird eingangs erklärt. Dennoch haben sowohl Bigelow als auch Drehbuchautor Mark Boal stets betont, dass „Zero Dark Thirty“ ein Thriller und kein Film mit dokumentarischem Ansprüchen sei. Und so stellen sie die CIA-Agentin Maya, gespielt von Jessica Chastain, in den Mittelpunkt des Plots. Die junge Frau wird gleich am Beginn ihrer Karriere unfreiwillig nach Pakistan abkommandiert und soll dort dabei helfen, das Terrornetz der Al-Kaida zu sprengen.

2012 Zero Dark Thirty, LLC.
Mayas Leben dreht sich ausschließlich um die Suche nach Bin Laden
Wie der große Coup im Endeffekt durchgeführt wurde, ist weitgehend bekannt. Nach der Bin-Laden-Aktion erwies sich das Weiße Haus als gut geölte PR-Maschine. Gezielt wurden Informationen gestreut, peu a peu Details veröffentlicht: Die Blitzaktion auf bin Ladens Anwesen habe ganze 40 Minuten gedauert, mit zwei Helikoptern sei die Elitetruppen der Navy SEALs angerückt, Bin Laden sei von diversen Ehefrauen umgeben gewesen. Die Soldaten hätten sofort das Feuer eröffnet - Gefangene seien nicht geplant gewesen. Und obwohl damit nicht nur der Ausgang des Films als bekannt vorausgesetzt werden kann, hält „Zero Dark Thirty“ zweieinhalb Stunden den Spannungsbogen perfekt aufrecht.
Isolation auf der Militärbasis
Über zehn Jahre hinweg verfolgt Maya den meistgesuchten Terroristen Bin Laden. Ihre Arbeit besteht im Wesentlichen im Aufspüren und Verhören von Verdächtigen, die sie zu den Terroristen der „Most Wanted“-Liste führen sollen. Schnell lebt sie sich auf der Militärbasis im „abgefuckten Pakistan“ ein. Viel Zeit für ein Privatleben bleibt dort nicht. In „Zero Dark Thirty“ ist eine Ausschmückung durch unnötige Nebenhandlungsstränge aber ohnehin kein Thema. Die sozialen Kontakte Mayas halten sich in den engen Grenzen der Kollegenschaft und nehmen indirekt proportional zum Fahndungserfolg noch mehr ab.
Außer ein paar Kurzbesuchen in anderen „Black Sites“, den berüchtigten CIA-Geheimgefängnissen, bekommt Maya nicht recht viel zu sehen. Während sie ihren Kollegen Dan (Jason Clark) das erste Mal beim Waterboarden (simuliertes Ertränken als Folter) eines Verdächtigen beobachtet, wirkt sie noch leicht verstört, schnell wird auch für sie die Gewalt als Mittel der Informationsbeschaffung zum Alltag. CIA-Kollegin Jessica (Jennifer Ehle) will durch Bestechung an die Topterroristen herankommen. Maya weiß es besser (und soll recht behalten): Die Al-Kaida lässt sich nicht mit Geld kaufen. Anders Informanten in Kuwait - von denen kriegt man gegen einen Lamborghini immerhin eine Telefonnummer.
Die Ära nach dem Hundehalsband
Doch für Maya und ihre Arbeitsweise ändern sich die Zeiten. Es herrsche jetzt eine andere Politik, erklärt ihr Dan, als er genug von seinem Folterposten hat und sich an einen Schreibtisch in Langley versetzen lässt - „Pass auf, dass man dich nicht mit einem Hundehalsband in der Hand erwischt.“ Den Verdacht, eine Pro-Obama-Eloge produziert zu haben, kann Bigelow wohl schon mit der Verzögerung der Militäroperation entkräften. Während zu Bush-Zeiten im Film noch ordentlich etwas weitergeht, ziehen sich später die Tage bis zum Zugriff merklich - und schuld ist daran hauptsächlich die unentschlossene Politik. Maya weiß es natürlich auch hier besser (und behält wieder recht).

2012 Zero Dark Thirty, LLC.
Große Action bietet der Film nur begrenzt
Die Kontroverse, ob „Zero Dark Thirty“ Folter befürwortet, wie Kritiker Bigelow vorwerfen, ist schwer auf einen Nenner zu bringen. Die Regisseurin beharrt darauf, dass man einen Film über die brutalen Methoden ja wohl nur drehen könne, wenn man sie auch darstelle. Und nachdem die Foltermethoden (neben Waterboarding auch sexuelle Demütigung und andere Grausamkeiten, die hart an die Grenze des für einen Kinofilm Erträglichen gehen) in „Zero Dark Thirty“ zwar über weite Strecken am Beginn dominieren, lassen Bigelow und Boal schließlich offen, ob und wie sehr sie zum Fahndungserfolg beigetragen haben sollen.
Ob auch „Zero Dark Thirty“ zum ganz großen Erfolg wird, bleibt abzuwarten: In den USA eroberte der Film gleich am ersten Wochenende den Platz an der Spitze der Kinocharts. Bereits mehrfach preisgekrönt, darf Bigelow nun auch noch in gleich fünf Kategorien auf den Oscar hoffen.
Sophia Felbermair, ORF.at
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