„Das wird nicht von alleine enden“
Bereits die zweite Nacht hat ein sechsjähriger Bub im US-Bundesstaat Alabama in den Händen seines Geiselnehmers verbringen müssen. Der Täter, ein pensionierter Lastwagenfahrer und Kriegsveteran, hält den Schüler seit Dienstag in seinem selbst gebauten unterirdischen Bunker im ländlichen 2.300-Seelen-Ort Midland City gefangen.
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Der Mann, der von seinen Nachbarn als der 65-jährige Jimmy Lee Dykes identifiziert wurde, überfiel am Dienstag einen Schulbus. Er soll vom Fahrer verlangt haben, dass dieser ihm zwei Buben im Alter zwischen sechs und acht Jahren übergibt. Laut Berichten des TV-Senders Fox soll er dabei außerdem gemeint haben, dass er „das Gesetz“ auf seiner Seite habe. Der 66-jährige Fahrer hatte noch versucht, Dykes zu stoppen, und wurde von ihm nach einem kurzen Streit mit vier Schüssen aus einer Faustfeuerwaffe getötet.
Als gewaltbereit bekannt
Das Motiv für die Tat ist unklar. Dykes hätte jedoch am Donnerstag vor Gericht erscheinen müssen, weil er auf einen Nachbarn geschossen haben soll. Nachbarn schilderten gegenüber der US-Nachrichtenagentur AP außerdem, Dykes hätte bereits mehrmals Kinder aus der Gegend bedroht. Eine Frau berichtete, er habe ihren Hund mit einem Bleirohr zu Tode geprügelt. Laut den Angaben mehrerer Bewohner von Midland City ging er regelmäßig die ganze Nacht mit Taschenlampe und geladenem Gewehr auf seinem Grundstück auf und ab.

Reuters/Phil Sears
Einsatzkräfte belagern das Grundstück des 65-Jährigen
Dykes wird als Einzelgänger beschrieben, der sich mit seinem Bunker vor einer Katastrophe schützen wolle. Als Behausung für das alltägliche Leben diente ihm demnach ein ausrangierter Wohnwagen, der auf dem Grundstück steht. Er habe das Erdloch über lange Zeit unermüdlich in seinem Garten ausgehoben, gelegentlich auch mitten in der Nacht, so die Nachbarn. Zudem habe er mit radikalen Parolen gegen die Regierung auf sich aufmerksam gemacht.
Häuser in Umgebung geräumt
Die Exekutive gab keine Informationen zu ihrem Einsatz. Lediglich der örtliche Sheriff sagte in einer kurzen Mitteilung am Mittwochabend (Ortszeit), man stehe in Verhandlungen mit dem Geiselnehmer und habe „vorerst keinen Grund zur Annahme, dass dem Kind Schaden zugefügt wurde“. Über etwaige Forderungen des Geiselnehmers wurde nichts bekannt. Die Häuser rund um Dykes’ Grundstück wurden wegen der Vermutung geräumt, dort befinde sich auch eine Bombe.
Der Lokalpolitiker Steve Clouse, der sich in die Causa einschaltete, erklärte gegenüber den Medien, in dem Bunker gebe es Strom und Essen, der Bub würde fernsehen. Auch habe der Entführer zugelassen, dass Medizin und ein Malbuch für den Buben in den Bunker hinuntergelassen wurden. Offenbar geschah das durch ein Rohr, das die einzige Verbindung zwischen Bunker und Außenwelt sein soll. Laut Medienberichten ist die Medizin nötig, weil der Bub autistisch ist.
Aufnahme von Verhandlungen gesendet
Der frühere FBI-Experte für Geiselnahmen, Chris Voss, sagte gegenüber AP, es handle sich um eine schwierige Situation: „Zu bekommen, was man will, und Genugtuung zu bekommen ist nicht dasselbe.“ Die Fernsehstation WSFA strahlte eine Aufnahme vom Schauplatz des Verbrechens aus. Darauf ist eine Verhandlerin der Polizei mit den Worten zu hören: „Geben Sie auf! (...) Das wird nicht von alleine enden. Sie müssen herauskommen und mit uns reden. Wir gehen hier nicht weg.“
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