Ein Boykott veränderte die USA
Begonnen hat es mit einer Busfahrt. Die damals 42-jährige Rosa Parks sollte für einen weißen Fahrgast ihren Platz räumen - und blieb sitzen. An diesem Tag, dem 1. Dezember 1955, schrieb die zierliche Afroamerikanerin, die ihre Haare stets zu einem Haarkranz geflochten trug, Geschichte. Am 4. Februar wäre die Bürgerrechtsikone 100 Jahre alt geworden.
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Nicht einmal Parks ahnte, was sie mit ihrem zivilen Ungehorsam auslösen würde, als sie an diesem Dezember-Abend von der Polizei verhaftet, ins Gefängnis gesteckt und danach zu einer Strafe von 14 Dollar verurteilt wurde. „Ich hatte keine Ahnung, dass sich so viel daraus entwickeln würde“, sagte Parks später.
Die noch in den Kinderschuhen steckende Bürgerrechtsbewegung von Montgomery, Alabama, rief noch am gleichen Tag alle schwarzen Bürger zu einem Bus-Boykott für den 5. Dezember auf, dem Tag der Gerichtsverhandlung von Parks. Und zur großen Überraschung aller stieg an diesem Tag kein einziger schwarzer Fahrgast in einen Bus.

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Rosa Parks bei ihrer zweiten Verhaftung 1956 nach Verstößen gegen das Rassendiskriminierungsgesetz
Junger Priester übernahm die Koordination
Verwundert war auch ein junger Priester, der anfangs noch Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines Boykotts gehabt hatte. Aber als sich zeigte, dass die schwarze Bevölkerung geschlossen hinter Parks stand, stellte er den Organisatoren rasch seine Baptistenkirche zur Verfügung und übernahm schließlich selbst die Koordination der Boykottaktion. Sein Name war Martin Luther King.
Der Boykottaufruf verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den rund 40.000 Afroamerikanern der Südstaatenstadt Montgomery. Aus einem Boykotttag wurde eine Woche, dann ein Monat, schlussendlich fuhr 381 Tage lang kein einziger Afroamerikaner mit einem Bus der städtischen Linien. Das brachte die Busgesellschaft an den Rand des Ruins und sorgte landesweit für eine Welle der Sympathie.
1956 fällt historisches Urteil
Doch es erforderte auch einiges an logistischem Aufwand: Fahrgemeinschaften mussten gebildet werden und schwarze Taxiunternehmer überzeugt, Fahrgäste für den Preis eines Bustickets (10 Cent) zu befördern. Für die bessere Organisation wurde die Montgomery Improvement Association (MIA) gegründet, zu deren Präsident King ernannt wurde. Doch die Stadt wollte den zivilen Ungehorsam nicht dulden und reagierte mit Anzeigen bis hin zu offener Gewalt.
Da die Stadt finanziell stark unter dem Boykott litt, setzte sie per Dekret einen Mindestfahrpreis für Taxis von 45 Cent fest. Daraufhin schlossen sich rund 300 Autofahrer zu einem Auto-Pool zusammen, um den Personentransport aufrechtzuerhalten. Die Stadt reagierte, indem sie die Versicherungen unter Druck setzte, die Verträge der rund 300 Teilnehmern der Fahrgemeinschaften zu kündigen. Doch auch dafür fand die MIA eine Lösung, indem sie Verträge mit der britischen Lloyd’s of London abschloss.

AP/John L. Focht
Besucher des Bürgerrechtsmuseums von Tennessee könnten hinter der Figur von Rosa Parks in einem Originalbus aus Montgomery Platz nehmen
Schließlich waren die Fronten mit der Stadt so verhärtet, dass sich Kings Bürgerrechtsbewegung entschloss, vor Gericht zu ziehen. 1956 entschied das zuständige Bundesbezirksgericht zugunsten der schwarzen Bevölkerung und ordnete an, die Segregationspraxis in den Bussen wegen Verfassungswidrigkeit einzustellen. Die Stadt Montgomery zog daraufhin vor den Obersten Gerichtshof. Die Stimmung war aufgeheizt. Auf das Haus eines weißen Richters wurde ein Bombenanschlag verübt, bei dem jedoch niemand verletzt wurde.
Am 13. November 1956 fällte der Oberste Gerichtshof dann ein historisches Urteil, indem er die Entscheidung des Bundesgerichts bestätigte. Am 20. Dezember, mehr als ein Jahr nach der Verhaftung von Rosa Parks, durften Schwarze dieselben Sitzplätze wie Weiße benutzen, und kein schwarzer Fahrgast musste mehr einem weißen den Platz überlassen.

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Kings Ehefrau Coretta Scott King übergibt Parks 1980 den Martin Luther King Jr. Award
Flucht nach Detroit
Doch während die Bürgerrechtsbewegung rund um King immer mehr Zulauf bekam, wurde das Leben für Parks zunehmend schwierig. Während des Boykotts unterstützte sie die MIA und half bei der Koordination von Sammeltaxis oder nahm an Versammlungen teil, um Spenden für ihre Bewegung zu sammeln. Doch nach dem Urteil waren sie und ihr Mann Raymond täglichen Einschüchterungen und Drohungen ausgesetzt. Niemand gab ihr Arbeit, und nachdem ihr Mann, ein Friseur und aktives Mitglied der NACCP (Vereinigung zur Förderung und Unterstützung Farbiger in den USA), wegen ständiger Drohanrufe einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, zog das Paar nach Detroit.
Kurz vor ihrem Umzug erklärte die MIA den 5. August noch zum „Rosa Parks Day“ und überreichte Parks feierlich 800 Dollar. In Detroit arbeitete sie zunächst wieder als Näherin, doch nachdem der afroamerikanische Anwalt John Conyers 1964 mit ihrer Unterstützung als Abgeordneter in das Repräsentantenhaus gewählt wurde, holte er sie als Sekretärin in sein Büro, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1988 arbeitete.
„War müde, immer nur nachzugeben“
Bis ins hohe Alter machte sie sich für Bürgerrechte stark. 1987 gründete sie das Rosa und Raymond Parks Institut für Persönlichkeitsentwicklung. 1995 war sie Rednerin am Millionen-Mann-Marsch in Washington. Ein Jahr später wurde sie vom damaligen Präsidenten Bill Clinton mit der Friedensmedaille geehrt. Sie starb am 24. Oktober 2005 im Alter von 92 Jahren. Nach ihrem Tod war sie die erste Frau in den USA, die im Kapitol aufgebahrt wurde.
Ihr lebenslanges Engagement zeigt auch, dass der Vorfall im Bus kein Zufall war, und sie nicht deshalb sitzen blieb, weil ihr die Füße wehtaten, wie immer wieder fälschlicherweise geschrieben wurde. „Ich war nicht physisch müde, oder zumindest nicht mehr als üblich nach einem langen Arbeitstag“, schrieb Parks in ihren Memoiren. „Ich war nur müde, immer nur nachzugeben.“
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