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„Wunderbarer, warmherziger Mensch“

Die ehemalige Nationalbank-Chefin Maria Schaumayer ist tot. Schaumayer, die vor allem als Beauftragte der schwarz-blauen Regierung für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern auch international Ansehen erlangte, starb im Alter von 81 Jahren Mittwochfrüh unerwartet in ihrer Wiener Wohnung.

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Schaumayer schaffte es mit ihrer knorrig-jovialen Art, in langen Verhandlungen mit jüdischen Organisationen und dem US-Staatssekretär Stuart Eizenstat eine Regelung auszuhandeln. Damit leistete sie einen wesentlichen Beitrag in jenem seit der Waldheim-Affäre angelaufenen Prozess der Aufarbeitung der Verantwortung von Österreichern in der NS-Maschinerie. Eizenstat soll später gesagt haben, Schaumayer sei wie eine Großmutter gewesen, aber „mit aller Härte“ bei Gesprächen. „Schaumayer ist für mich das Nächste zu einer Heiligen. Ein wunderbarer, warmherziger Mensch mit außergewöhnlichen Fähigkeiten“, erklärte er in einem Zeitungsinterview.

Die Regierungsbeauftragte für Zwangsarbeiterfragen Maria Schaumayer und US-Vizefinanzminister und Unterhändler in Sachen Zwangsarbeiterentschädigung Stuart Eizenstat

APA/Hans Klaus Techt

„Schaumayer ist für mich das Nächste zu einer Heiligen,“ schwärmte US-Staatssekretär Eizenstat 2001

Für die schwarz-blaue Regierung des damaligen Kanzlers Wolfgang Schüssel war die Zwangsarbeiterregelung auch ein Schritt, um den von der EU verhängten Sanktionen gegen die ÖVP-FPÖ-Koalition und internationalem Druck Israels und der USA zu begegnen.

Über Parteigrenzen hinweg respektiert

„Worauf ich dankbar, stolz bin, ist, dass es gelungen ist, Österreich für die Europäische Union und damit für zukünftigen Frieden und besseren Wohlstand vorzubereiten“, hatte Schaumayer zur Feier ihres 80. Geburtstags Bilanz gezogen - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Schaumayer gelang es nicht nur in Politik und Wirtschaft zu reüssieren, sondern auch über die Parteigrenzen hinweg Respekt zu ernten. Im Mai 2006 wurde sie als erste Frau überhaupt zum Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Ihre Tätigkeit als Regierungsbeauftragte für die NS-Zwangsarbeiterentschädigung brachte ihr auch internationales Ansehen.

Wolfgang Schüssel überreicht Maria Schaumayer das große goldene Ehrenzeichen am Bande für besondere Verdienste um die Republik Österreich

APA/HOPI-MEDIA/Bernhard J. Holzner

Schüssel: „Sie hat überall dort, wo sie war, bleibende geistige Eindrücke hinterlassen“

Vom Wiener Stadtrat in die Wirtschaft

Schaumayer wurde am 7. Oktober 1931 in Graz geboren. Nach der Matura in Fürstenfeld studierte sie in Wien an der Hochschule für Welthandel, der heutigen Wirtschaftsuniversität. Nach dem „Diplomkaufmann“ setzte sie ihr Wirtschaftsstudium in Innsbruck bis zum Doktorat fort. In der Folge führte sie ihr erster Job 1954 in die Creditanstalt.

Von dort wechselte sie 1965 in die Wiener Stadtpolitik. Zunächst war sie von 1965 bis 1969 für die ÖVP als amtsführende Stadträtin für die städtischen Unternehmungen zuständig. Bis 1973 war sie Sprecherin der ÖVP-Fraktion in der Wiener Landesregierung und amtsführende Stadträtin für baubehördliche und sonstige technische Angelegenheiten.

Anschließend ging Schaumayer in die Wirtschaft zurück. Sie zog in den Vorstand der Kommunalkredit AG ein, wo sie für Kreditgeschäft, Rechnungswesen und Bilanz zuständig war. Im Oktober 1978 wurde sie als Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete für Wien wiedergewählt und neuerlich in den Vorstand der Kommunalkredit bestellt. Von dort wechselte sie 1982 in den Vorstand der jetzigen OMV, zuständig für Finanzen. 1990 kam dann der Höhepunkt in der Wirtschaftskarriere mit der Berufung an die Spitze der Nationalbank. Dieses Amt hatte sie fünf Jahre inne.

Mitarbeit am ÖVP-Verhaltenskodex

Erst 2012 erarbeitete Schaumayer gemeinsam mit dem früheren Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Sausgruber und dem Grazer Jurist Wolfgang Mantl einen „Verhaltenskodex“ für die ÖVP. Der von ÖVP-Chef Michael Spindelegger angesichts der Korruptionsaffären in Auftrag gegebene Kodex sollte laut Schaumayer „eine Stärkung jener Regeln, die teilweise in Gesetzesform vorhanden sind, die sich für den einfachen Bürger unter dem Sammelbegriff Anstand subsumieren lassen“ enthalten. Eine derartige Klarstellung würde keiner Partei schaden, meinte sie.

An der Aufarbeitung der Korruptionsaffären im Untersuchungsausschuss übte Schaumayer schon im April vergangenen Jahres harsche Kritik. „Der U-Ausschuss ist für die Katz, er hat sich ganz gewaltige Schnitzer geleistet,“ erklärte die Politikerin gegenüber dem Magazin „Gewinn“.

Der Untersuchungsausschuss überbrücke nicht die Distanz zwischen politischer Moral und der rechtlichen Situation, sondern vergrößere sie, kritisiert die Ex-Nationalbankerin „Statt Vernaderung brauchen wir wieder mehr Anstand in der Politik. Nur das kann das Vertrauen der Bürger wiederherstellen.“

TV-Hinweis

ORF 2 zeigt am Mittwoch um 0.00 Uhr in memoriam Maria Schaumayer und Louise Martini eine Begegnung der beiden bei Barbara Stöckl im Juni des Vorjahres.

Frauenförderung ohne Quotendruck

Schaumayer förderte während des Berufs wie auch nach ihrer Pensionierung auf ruhige und diskrete Art Karrieren von Frauen. Der „Kampf mit der Hellebarde“ sei nie ihrer gewesen, sie habe vielmehr auf Partnerschaft gesetzt, sagte sie einst in einem Interview. Auch wenn sich vieles gebessert habe, bleibe auch noch viel zu tun.

Quoten als Mittel zur Frauenförderung lehnte Schaumayer jedoch stets ab. Eine Quote sei implizit frauenfeindlich, weil sie Frauen Defizite einrede. Zudem widersprächen Quoten in der Privatwirtschaft massiv dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, so Schaumayer. Ein Patentrezept für Frauen habe sie nicht, aber es gelte: „Ausschau halten nach Möglichkeiten und sich, wenn man qualifiziert ist, mit großem Selbstbewusstsein bewerben.“

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