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Kommentare zur Volksbefragung

Die heimischen Zeitungen kommentieren den Ausgang der Volksbefragung mit Blick auf das anstehende Superwahljahr. Hätten sich die einen mit der Befragung ein Eigentor geschossen, müssten die, die erfolgreich mobilisieren konnten, noch zeigen, wohin beim Bundesheer die Reise geht. Überraschend auch für die Kommentatoren der Printmedien: die Wahlbeteiligung.

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„Kleine Zeitung“, Graz, 21.1.2013

Die Österreicher dürfen stolz sein: Dem befragten Volk dämmerte, dass seiner Entscheidung über die Wehrpflicht einiges an Bedeutung zukommt - und dieses Kommando wurde übernommen. Und dann war da wohl auch der Drang, die Politik nicht nur diesen Politikern zu überlassen. Österreich hat sich also mehrheitlich entschieden: Die Wehrpflicht bleibt, der Zivildienst auch. Egal, ob man nun auf der einen oder auf der anderen Seite der Meinungsfront stand, sollte man Respekt aufbringen. Und zwar für die direkte Demokratie und die Bereitschaft der Bürger, Entscheidungen selbst in die Hand zu nehmen, wenn sie dazu die Gelegenheit bekommen. Die Beteiligung war (gerade auch angesichts des frostigen Jänner-Sonntages) respektabel bzw. weitaus besser als befürchtet. Immerhin rund die Hälfte der Wahlberechtigten im Land fand den Weg zur Urne. Das Volk als intakter Entscheidungsträger - all der in ihm spürbaren Politikverdrossenheit zum Trotz.

„Oberösterreichische Nachrichten“, Linz, 21.1.2013

Davon ist auszugehen, dass sich Erwin Pröll feixend auf die Schenkel geschlagen hat, angesichts der Vollendung seines Coups, die SPÖ in die Fallgrube zu locken. Dort steckt sie fest und wird rätseln, wie es ihr passieren konnte, gegen alle Prognosen eine Position zu vertreten, die nicht einmal bei ihren eigenen Wählern mehrheitsfähig gewesen ist. Leider wird es keine Gerechtigkeit geben, die Pröll einen Preis dafür abverlangt, unter dem Deckmantel „direkte Demokratie“ ein Warmlaufen für den niederösterreichischen Wahlkampf inszeniert zu haben. Auch Michael Häupl kommt davon. Sein abrupter Kurswechsel in Wien, der den Schlagabtausch zum Heer erst ermöglicht hat, ist folgenlos, Pröll und Häupl werden uns als Souffleure der Regierung erhalten bleiben, das ist schlimm genug.

„Vorarlberger Nachrichten“, Schwarzach, 21.1.2013

Zwei Überraschungen brachte die Volksbefragung, nämlich eine viele größere Mehrheit für die Wehrpflicht und eine viel höhere Beteiligung als erwartet. Damit hat das Ergebnis Gewicht, das setzt die Regierungsparteien unter Druck. Die ÖVP hat mit Erfolg für die Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivildienstes geworben. In der Argumentation ging sie bisweilen jedoch über die Grenze des Zumutbaren. So war die Panikmache, dass ohne Zivildiener die Rettung nicht mehr zeitgerecht daherkommen werde, entbehrlich.

Doch was hilft’s. Das Ergebnis zählt. Und das zwingt die ÖVP nun, die angekündigte Reform des Grundwehrdienstes auf den Tisch zu legen. Andernfalls bekommt sie ein Glaubwürdigkeitsproblem, das sich bei den Nationalratswahlen im Herbst bitter rächen würde. (...) Für die Sozialdemokraten ist die Volksbefragung dagegen eine schallende Ohrfeige. Seit Wiens Bürgermeister Michael Häupl aus taktischen Überlegungen vor der Gemeinderatswahl 2010 die Wehrpflicht verabschiedet und einem Berufsheer das Wort geredet hat, ist es ihnen nicht gelungen, eine überzeugende Begründung für diesen Schwenk zu geben. Nicht einmal das eigene Lager konnte man ordentlich ansprechen, wie die Ergebnisse zeigen. Sprich: Mobilisierungkraft der Partei? Null. Und das im Wahljahr. Alle Alarmglocken müssen schrillen.

„Der Standard“, Wien, 21.1.2013

Die SPÖ kann sich bei Michael Häupl bedanken. Der Wiener Bürgermeister hat seiner Partei das Referendum zur Wehrpflicht in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ eingebrockt. Gemessen an Häupls eigenem Zitat, Wahlkämpfe seien Zeiten „fokussierter Unintelligenz“, war es ziemlich unintelligent, dieses Wochenende - diesmal im „Kurier“ - die nächste Volksbefragung anzukündigen: zum Thema Schule. Würde diese Methode tatsächlich Schule machen, könnte man auf eine Regierung gleich verzichten und alle Themen, über die sich die Koalition nicht einig werden kann, ans Volk zur Streitschlichtung delegieren.

Für die SPÖ ist das Ergebnis der Volksbefragung ein selbst verschuldetes Handicap zum Auftakt des sogenannten Superwahljahres. Die SPÖ konnte ihren Positionswechsel in der Frage der Wehrpflicht nicht schlüssig erklären. Zwar hatte auch die ÖVP ihre Haltung ins Gegenteil verkehrt. Aber die führenden ÖVP-Politiker schafften es, geschlossen aufzutreten. (...) Jetzt ist die ÖVP am Zug, die vor der Volksbefragung keinen Plan vorgelegt hat, wie sie die von ihr versprochene höhere Attraktivität des Wehrdienstes schaffen will.

„Kurier“, Wien, 21.1.2013

Es war ein Novum in der heimischen Innenpolitik. Erstmals durften die Bürger abseits einer Wahl mitbestimmen. Entsprechend groß war die Nervosität in den Parteizentralen: Wie viele Österreicher werden hingehen? Es waren mehr, als die Experten prognostiziert hatten. Und das Ergebnis ist eindeutig: 60 Prozent wollen bei der Wehrpflicht bleiben. Die ÖVP darf sich als Sieger feiern; ihre Angstargumente – die Rettung kommt nicht mehr so schnell, bei Katastrophen fehlen die Helfer – haben gezogen. Der Zivildienst hat die Wehrpflicht gerettet. Für die SPÖ ist es eine bittere Niederlage. Selbst viele ihrer Anhänger konnte sie nicht vom Berufsheer überzeugen. Kein Wunder, wenn sogar rote Spitzen wie Salzburgs Gabi Burgstaller und der Steirer Franz Voves skeptisch waren. (...) Die Schlammschlacht in Sachen Heer hat gezeigt: Die Bürger mögen reif sein für direkte Demokratie, Rote und Schwarze sind es nicht.