„Fühle mich wie mitten im Krieg“
Der Ballettchef des legendären Moskauer Bolschoi-Theaters, Sergej Filin, ist bei einem Säureanschlag schwer verletzt worden. Ärzte eines Moskauer Krankenhauses kämpfen um das Augenlicht des 42-jährigen Tänzers, wie russische Medien am Freitag berichteten.
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Ein maskierter Unbekannter hatte Filin, der die größte und berühmteste Balletttruppe der Welt seit 2011 führt, am späten Donnerstagabend vor dessen Wohnung angegriffen und ihm Säure ins Gesicht geschüttet. Das teilte die Polizei mit. Der Täter entkam. Ermittelt werde wegen schwerer Körperverletzung. Der Familienvater trug schwere Verätzungen an den Augen und am Kopf davon. Filins Posten gilt als einer der einflussreichsten in der Welt des Tanzes - und als einer der umkämpftesten. Der in Moskau geborene Filin gilt als Tänzer von Weltrang.
Vom Tänzer zum Ballettchef
Sergej Filin, der von 1989 bis 2007 im Bolschoi-Ensemble tanzte, wurde im März 2011 zum Ballettchef ernannt. Zuvor hatte er als Ballettchef am Stanislawsky-und-Nemirowitsch-Dantschenko-Theater, Heimat von Moskaus zweiter großer Ballettcompagnie, gearbeitet.
„Ständig Drohungen“
„Es gab gegen Sergej ständig Drohungen, seit er diese Position übernommen hat“, sagte die Sprecherin des Theaters, Katja Nowikowa. Filin hatte Medien zufolge viele Neider. Außerdem bestimmt Filin die Tänzer für Rollen, was immer wieder zu Konflikten innerhalb der Truppe führt. „Wir hätten nie gedacht, dass solch ein Krieg um Rollen - und nicht etwa um Immobilien oder um Öl - solch ein kriminelles Niveau erreichen kann.“
Bolschoi-Intendant Anatoli Iksanow verurteilte den Anschlag. „Ich bin zu 100 Prozent sicher, dass das mit seiner beruflichen Tätigkeit zu tun hat“, sagte Iksanow dem russischen Staatsfernsehen. „Er ist ein prinzipienfester Mensch und geht keine Zugeständnisse ein. Wenn er den einen oder anderen Künstler für nicht reif für eine Partie hält, verwehrt er ihm den Auftritt“, sagte Iksanow. Der Ballettchef gilt als besonnener und diplomatischer Künstler. Iksanwo betonte, Filin habe ihm noch kurz vor der Attacke gesagt: „Ich habe das Gefühl, dass ich mich mitten im Krieg befinde.“
Autoreifen zerstochen
Filins Kollegen berichteten, dass zuletzt etwa auch dessen Website gehackt und mit Beleidigungen übersät worden sei. Zudem seien die Reifen seines Autos zerstochen worden. Den Berichten zufolge wird der Künstler von den besten Spezialisten in Moskau behandelt. Experten erwarten, dass Filin mindestens ein halbes Jahr für die Heilung benötigt.
Die Geschichte des Bolschoi-Theaters reicht rund 200 Jahre zurück. 2011 wurde der historische Säulenbau am Moskauer Theaterplatz nach sechsjähriger Totalsanierung im alten Zarenglanz wiedereröffnet. Das Bolschoi hat eine reiche Opernkultur. Und es gilt als Wiege des klassischen Balletts mit makellosem Spitzentanz, athletischer Sprungkraft und streng synchronen Bewegungen. Die Balletttruppe hat mehr als 200 Tänzer und damit so viele wie keine andere der Welt.
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