Amnestie als Auslöser
Die linke Opposition in Tschechien versucht erneut, die Regierung des konservativen Premiers Petr Necas (ODS) durch ein Misstrauensvotum zu stürzen. Für Donnerstag, den 17. Jänner, berief die Parlamentspräsidentin Miroslava Nemcova eine außerordentliche Sitzung ein, die eine Gruppe von sozialdemokratischen Abgeordneten (CSSD) beantragt hatte.
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Der Grund ist die umstrittene Amnestie, die Staatspräsident Vaclav Klaus in seiner Neujahrsrede verkündet und die Necas mitunterschrieben hatte. Die Kritiker betrachten die Maßnahme als skandalös - vor allem, weil die Amnestie Personen begnadigt, die in Zusammenhang mit großen Korruptionsdelikten stehen.
Kritik an Ausmaß
Außerdem rief das Ausmaß der Amnestie heftige Kritik hervor. Aus Anlass der Unabhängigkeit Tschechiens vor 20 Jahren wurden 7.000 von etwa 24.000 Gefangenen aus den Haftanstalten entlassen, darunter viele schon mehrmals bestrafte Personen. Die meisten von ihnen wurden zu Haftstrafen von weniger als einem Jahr verurteilt. Auch Gefangene, die älter als 75 Jahre sind und zu höchstens zehn Jahren Haft verurteilt wurden, kamen frei. Mittlerweile wurden indes Fälle gemeldet, wo entlassene Personen neue Vergehen begangen haben sollen.
Koalition angeschlagen
Laut tschechischen Medien ist es jedoch wenig wahrscheinlich, dass die Regierung bei der Misstrauensabstimmung gestürzt wird. Dafür sind mindestens 101 Stimmen im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus erforderlich, über die die Opposition nicht verfügt. Obwohl die Koalition seit Monaten angeschlagen und ihre Mehrheit im Parlament unsicher ist, kann sie sich auf die Stimmen jener Parlamentarier verlassen, die keiner Partei bzw. keinem Klub angehören. Die Regierung Necas hat bereits vier Misstrauensvoten überstanden.
Klaus: Zweite Chance
Auch Klaus stand und steht wegen der von ihm am Neujahrstag verkündeten Teilamnestie für Gefangene zunehmend in der Kritik. Mehrere Zeitungen und Oppositionspolitiker rügten Anfang Jänner, dass wegen Korruption und Wirtschaftsdelikten verurteilte Täter nun auf freien Fuß kämen. Klaus, dessen zweite und letzte Amtszeit Anfang März endet, verteidigte die Amnestie.
„Es geht um eine Geste, um diesen Bürgern, die sicherlich gegen das Gesetz verstoßen haben, aber keine Wiederholungstäter sind, eine zweite Chance zu geben“, erklärte er in der Zeitung „Dnes“. „Die Amnestie ist ein Zeichen der Versöhnung und des Verzeihens, auf das wir in diesem Land nicht verzichten sollten“, so Klaus.
Aufregung um Korruptionstäter
Für Kritik sorgte jedoch die Tatsache, dass sich die Begnadigung auch auf mehrere Leute bezog, die wegen Korruption bestraft wurden bzw. noch verfolgt werden. Dazu gehören der wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verfolgte Geschäftsmann Tomas Pitr und der wegen Kreditbetrugs zu zehn Jahren Gefängnis verurteilte frühere Chef des tschechischen Fußballverbands, Frantisek Chvalovsky.
„Durch die Amnestie kommen die Köpfe großer Wirtschaftsfälle auf freien Fuß“, bemängelte der Chef der tschechischen Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka. Dabei gehe es etwa um Steuerbetrug in Milliardenhöhe.
Klaus verwies darauf, dass die von seinem Vorgänger und politischen Rivalen Vaclav Havel Anfang 1990 kurz nach dem Sturz der kommunistischen Führung dekretierte Amnestie sogar 23.000 Gefangene - und damit zwei Drittel aller damaligen Häftlinge in der Tschechoslowakei - betraf.
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