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Spritsparjet als Sicherheitsrisiko?

Eine Häufung von Pannen beim Flugzeugtyp 787 „Dreamliner“ des US-Herstellers Boeing lässt nun die US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) einschreiten. Die Behörde kündigte am Freitag an, die kritischen Systeme des Modells genau unter die Lupe zu nehmen. Sie wird sich dabei sowohl die grundlegende Konstruktion als auch die Produktion anschauen.

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Bei einer Pressekonferenz bemühte sich der neue FAA-Chef Michael Huerta allerdings um einen demonstrativ schonenden Umgang mit dem US-Hersteller: „Wir glauben, dass das ein sicheres Flugzeug ist“, sagte Huerta in Anwesenheit von US-Verkehrsminister Ray LaHood und Boeings Zivilluftfahrtchef Ray Conner. Zuletzt hatten sich Zwischenfälle bei dem laut Listenpreis gut 200 Millionen Dollar teuren Flugzeug des EADS-Rivalen gehäuft. In fünf Tagen wurden bei jeweils unterschiedlichen Flugzeugen fünf bedenkliche Pannen bekannt.

Für Chefingenieur „absolut sicher“

Alle Vorfälle betrafen die japanischen Fluglinien Japan Airlines (JAL) und All Nippon Airways (ANA). Am Montag geriet dabei ein Akkumulator in Brand, während das Flugzeug auf dem Flughafen der US-Stadt Boston stand. Am Dienstag verlor ebenfalls in Boston unmittelbar vor dem Abheben eine weitere 787 durch eine Fehlfunktion der Ventilsteuerung ungefähr 175 Liter Öl. Am Mittwoch musste ein innerjapanischer Flug abgesagt werden, weil der Bremskontroll-Computer versagte.

Am Donnerstag verteidigte der Boeing-Chefingenieur öffentlich das Prestigeobjekt des Konzerns gegen Kritik und betonte, das Flugzeug sei absolut sicher. Es handle sich nur um „Kinderkrankheiten“. Die Pannenhäufigkeit liege völlig im Bereich anderer Flugzeugmodelle am Beginn der Serienfertigung. Am Freitag folgten jedoch gleich zwei weitere Pannen. Bei einem Inlandsflug traten Risse im Cockpitfenster auf, bei einem anderen verlor das Flugzeug wieder Öl.

Erste „besorgte“ Kunden

Der Druck auf Boeing steigt damit weiter. Seit dem ersten kommerziellen 787-Flug Ende 2011 wurden (Stand Ende Dezember 2012) insgesamt 49 „Dreamliner“ ausgeliefert, 24 davon an JAL und ANA. Das bedeutet inzwischen einen Schnitt von Pannen bei jedem zehnten Flugzeug. Schon erklärte Air India, man sei angesichts der jüngsten Vorfälle „besorgt“. Sechs 787 stehen bei Air India - erst seit Mittwoch - in Dienst, weitere sind bestellt.

Pannen beim „Dreamliner“ bereiten zudem mehr Sorgen als bei anderen Flugzeugtypen. Mit der 787 hatte Boeing komplett neue Wege beschritten. Die Präsentation des Flugzeugs hatte sich jahrelang immer wieder verzögert. Bei der Auslieferung der ersten Flugzeuge war man wegen der unvorhergesehenen Probleme letztlich drei Jahre in Verzug. Boeing muss sich daher auch gegen die Vermutung wehren, man habe ein unausgereiftes Flugzeug in Serienfertigung gegeben, nur um endlich die immer ungeduldigeren Kunden zufriedenzustellen.

Fliegendes Hochspannungskraftwerk

Zugleich ist es aber genau jene technische Revolution im „Dreamliner“, die dazu führt, dass sich das Flugzeug trotz der Skepsis verkauft wie warme Semmeln: Das Flugzeug ist mit seiner Karbonwerkstoffbauweise leichter als alle anderen. Für eine weitere Gewichtsreduktion sorgt, dass schwere Systeme anderer Flugzeugtypen - etwa bei den hydraulischen Funktionen und der Klimatisierung des Flugzeugs - durch leichtgewichtige elektrische Systeme ersetzt wurden.

Möglich wurde das nur durch hochkomplexe Akkusysteme, die aus der 787 ein fliegendes Hochspannungskraftwerk machen. Die Generatoren eines „Dreamliner“ erzeugen jeweils 1,5 Megawatt Strom. Für die Airlines bedeutet das geringe Gewicht des Flugzeugs aber vor allem eines: Mit jedem geflogenen Kilometer werden Spritkosten gespart. Man darf daher davon ausgehen, dass die Airlines der 787 so lange wie möglich die Treue halten. 799 „Dreamliner“ sind bei Boeing derzeit bestellt und in Fertigung.

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