Zehn lange Jahre haben Fans von David Bowie auf diese Nachricht gewartet: Der britische Popstar bringt im kommenden März ein neues Album heraus. Am Dienstag - dem 66. Geburtstag des Künstlers - wurde im Voraus überraschend die Single „Where Are We Now?“ veröffentlicht.
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Nach einer Notoperation am Herzen hatte sich Bowie lange aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. 2003 war sein bis dato letztes Album „Reality“ erschienen, 2004 ging er zum letzten Mal auf Tour. Nun meldete er sich zurück. Der neue Song ist ab sofort als Download bei iTunes erhältlich. Das Video dazu kann man auf Bowies Website sehen. Das nachfolgende Album soll nach Angaben von Sony „The Next Day“ heißen. Produziert hat der langjährige kreative Weggefährte Tony Visconti. Aufgenommen wurde in New York.
Auf Bowies Website wurde mit dem Song auch ein Statement veröffentlicht, in dem es heißt: „In den vergangenen Jahren ist das Schweigen im Radio nur von endlosen Spekulationen, Gerüchten und Wunschdenken unterbrochen worden ... ein neues Album ... Wer hätte das je gedacht, wer hätte sich das je erträumt?! Letztlich ist David jene Art von Künstler, der schreibt und veröffentlicht, was er will - wann er will ... wenn er etwas zu sagen hat, und nicht, wenn er etwas zu verkaufen hat. Heute hat er definitiv etwas zu sagen.“
Songtitel auf dem neuen Album
The Next Day
Dirty Boys
The Stars (Are Out Tonight)
Love Is Lost
Where Are We Now?
Valentine’s Day
If You Can See Me
I’d Rather Be High
Boss Of Me
Dancing Out In Space
How Does The Grass Grow
(You Will) Set The World On Fire
You Feel So Lonely You Could Die
Heat
Bonustracks auf der Deluxe-Version:
So She
I’ll Take You There
Plan
Als Flaneur in Berlin
In dem Song und dem dazugehörigen Video des Multimedia- und Installationskünstlers Tony Oursler wird Bowies Zeit in Berlin gehuldigt. Das Lied ist ein schönes Stück nostalgischen Synthie-Pops. Bowie besingt darin das Wandeln durch die deutsche Hauptstadt, vorbei an Sehenswürdigkeiten und an Erinnerungsorten des Sängers (etwa dem Kaufhaus KaDeWe). Sein Gesicht mit traurigem Blick wird auf eine Skulptur projiziert, die in einem Atelier steht - daneben das einer Frau (allerdings nicht seiner Frau). Wehmütig klingt im Refrain die Frage: „Where are we now?“
Konzentriert evoziert Bowie Bilder einer untergegangenen Ära: „Den Zug erwischen vom Potsdamer Platz/Hättest’ nie gedacht, dass ich das kann/Die Toten ausführen/Im Dschungel sitzen auf der Brandenburger Straße/Ein Mann, verloren in der Zeit, nahe dem KDW/Einfach nur die Toten ausführend/Wo sind wir jetzt, wo sind wir jetzt?/Der Moment, den du kennst, den du kennst, den du kennst/20.000 Menschen überqueren die Bösebrücke/Finger sind überkreuz, nur für den Fall dass .../(Refrain) Die Toten ausführen/Solange es die Sonne gibt/Solange es den Regen gibt/Solange es Feuer gibt/Solange es mich gibt/Solange es dich gibt“.
Bowies Berliner Wohnung über der Werkstatt
Der Clip enthält unter anderem Aufnahmen der Autoreparaturwerkstatt, die sich unter der Wohnung im Berliner Stadtteil Schöneberg befand, in der er 1976 bis 1978 wohnte, dazu beeindruckende Bilder der damals geteilten Stadt. Wenn im Text vom „Dschungel“ die Rede ist, bedeutet das nicht „Großstadtdschungel“. Damit ist eine legendäre Diskothek gemeint, deren Stammgäste zwischen 1978 und 1993 neben Bowie etwa Iggy Pop, Blixa Bargeld, Nick Cave und Martin Kippenberger waren.
Wikipedia weiß über den Dschungel aus Annette Humpes Berlin-Hymne zu zitieren: „Mal sehen, was im Dschungel läuft/Die Musik ist heiß, das Neonlicht strahlt/Irgendjemand hat mir’n Gin bezahlt/Die Tanzfläche kocht, hier trifft sich die Scene/Ich fühl mich gut, ich steh auf Berlin!“ Es ist diese Szene, der Bowie angehörte, an die er sich heute erinnert und der er hör- und sichtbar nachtrauert, wenn er singt, dass die Toten ausgeführt werden, und fragt: „Where are we now?“
„Fragen, auf die es keine Antworten gibt“
„Irgendwann kommen Sie im Leben an einen Punkt, wo Sie erkennen, dass es vielleicht drei oder vier Dinge gibt, die wichtig sind“, sagte er schon vor einigen Jahren in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“. Im Jahr 2000 war seine Tochter zur Welt gekommen, sein erstes Kind mit seiner zweiten Ehefrau, dem somalischen Model Iman. „Je älter Sie werden, desto weniger Fragen sind es, die Sie beschäftigen. Unglücklicherweise sind es Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Der Tod ist eine von ihnen.“
Seine letzte Platte „Reality“ markierte für ihn denn auch einen Unterschied zu deren Vorgänger „Heathen“ (2002), wie er der Zeitung sagte: „Im Gegensatz zu meiner letzten Platte erscheint ‚Reality‘ tatsächlich beinahe fröhlich. ‚Heathen‘ war zwar ruhig, aber die Atmosphäre hatte etwas Gestörtes, etwas Unbehagliches. ‚Reality‘ ist bodenständiger und gesetzter, es reflektiert zwar auch negative Dinge, aber ich habe versucht, die bedrückenden Texte mit optimistischeren Melodien aufzufangen.“