Eloge an Putin
Aus Liebe zu Russland und Präsident Wladimir Putin will der französische Schauspieler Gerard Depardieu (64) angeblich die Nationalität wechseln. „Ja, ich habe diese Anfrage auf einen Pass gestellt und ich bin erfreut, dass meiner Bitte stattgegeben wurde“, zitierte der russische TV-Sender Erster Kanal in der Nacht auf Freitag aus einem Brief, den Depardieu geschrieben haben soll.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Putin hatte Depardieu am Vortag per Erlass die russische Staatsbürgerschaft verliehen. „Ich habe darüber sogar mit meinem Präsidenten, Francois Hollande, gesprochen. Ich habe ihm all das gesagt. Er weiß, dass ich Ihren Präsidenten Wladimir Putin sehr schätze und dass das gegenseitig ist“, hieß es in dem Text.

Reuters/Jean-Paul Pelissier
Depardieu gilt als barocker Genussmensch
Russland sei kein Land, in dem der Regierungschef einen Bürger „erbärmlich“ nenne. Der französische Premier Jean-Marc Ayrault hatte Depardieus Plan, aus Protest gegen eine geplante Reichensteuer von 75 Prozent auf Einkommen von mehr als einer Million Euro im Jahr auszuwandern, als „ziemlich erbärmlich“ kritisiert. In Russland gilt allgemein ein Steuersatz von 13 Prozent.
Antrag überhaupt gestellt?
Seine Einbürgerung habe der Star „vor nicht allzu langer Zeit über die Botschaft“ beantragt, sagte Putins Sprecher Dimitri Peskow der Agentur Interfax. Das aber dementierte Depardieus Sprecher und Berater, wie die Zeitung „Le Figaro“ in ihrer Onlineausgabe schrieb. Ob Depardieu nun wirklich Russe werden will, darüber könnte ein persönlicher Auftritt des Franzosen Klärung verschaffen.
Depardieu ist in Russland äußerst beliebt, wo er regelmäßig Filme dreht, Galas besucht und als Werbefigur gefragt ist. Putin bezeichnete ihn unlängst als „Freund“. Hingegen kritisieren Menschenrechtler die Auftritte des Schauspielers etwa zu Ehren des umstrittenen Moskau-treuen Machthabers der Konfliktregion Tschetschenien im Nordkaukasus, Ramsan Kadyrow.

Reuters/RIA Novosti
Depardieu und Putin bei einem Treffen
In seinem angeblichen Schreiben verspricht Depardieu nun, Russisch zu lernen. „Mein Vater war Kommunist und hat Radio Moskau gehört. Das ist ein Teil meiner Kultur“, heißt es dort. Der Brief „an die russischen Journalisten“ endet mit dem auch bei Nationalisten beliebten Ruf „Ehre sei Russland“.
Pariser Luxusdomizil vor Verkauf
Wegen seiner Steuerflucht aus Frankreich besitzt Depardieu jenseits der nördlichen Landesgrenze im belgischen Örtchen Nechin ein schmuckloses altes Zollhaus. Der glückliche Bürgermeister Daniel Senesael veröffentlichte mit Einwohnern noch zum Jahresauftakt ein etwas albernes „Asterix“-Video zu Ehren des erhofften Neubürgers Depardieu in der Provinz.
Der Bonvivant Depardieu („Einzig der Luxus ist dem Menschen angemessen“) ist jedoch für seinen exzessiven Lebensstil bekannt. Er trinkt gern und besitzt Weingüter. Er isst gern und hat Edelrestaurants nebst Fischladen in Paris. Rund 80 Angestellte sollen mittlerweile für den 64-Jährigen arbeiten. Seine Villa Hotel de Chambon in Paris Saint-Germain steht nun zum Verkauf.
In Paris mit Motorroller unterwegs
Putin verlieh seinem „Freund“ mit einem Dekret die russische Staatsbürgerschaft, wie der Kreml am Donnerstag mitteilte. Der Formulierung der Erklärung nach hatte der Filmstar die Staatsbürgerschaft selbst beantragt. Ein Sprecher Depardieus lehnte am Donnerstag allerdings eine Stellungnahme ohne Begründung ab.
Depardieu selbst wurde am Freitag in Paris gesehen. Auf einem Motorroller sei er von zu Hause losgefahren, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. Sein Edelrestaurant „La fontaine gallon“ nahe der Opera Garnier war zeitweise von Fotografen belagert. Ukrainischen Medien hatten zuvor gemeldet, Depardieu halte sich in Kiew auf.
Depardieu hatte sich über hohe Steuern für Reiche in Frankreich beschwert und seinen Wohnsitz nach Belgien verlegt. Daraufhin bot ihm Putin bei einer großen Pressekonferenz am 20. Dezember halb im Scherz einen russischen Pass an. Auch Regierungschef Dimitri Medwedew lockte den Star mit dem niedrigen russischen Steuersatz.
Website: Ein Witz wird Realität
„In Übereinstimmung mit Absatz a des Artikels 89 der Verfassung der Russischen Föderation ist der Antrag auf russische Staatsbürgerschaft von Gerard Xavier Depardieu, geboren 1948 in Frankreich, angenommen worden“, lautete der kurze Text, den der Kreml auf seiner Website veröffentlichte. „Ein Witz wird Realität“, titelte das russische Internetportal newsru.com daraufhin und schrieb: „Präsident Wladimir Putin hat den Russen einen neuen herausragenden Staatsbürger geschenkt.“
Depardieu hatte bald nach Putins Angebot gesagt, der Kreml-Chef habe ihm bereits einen russischen Pass geschickt. Doch Putins Sprecher Dimitri Peskow wies das damals als Scherz zurück.
Moskau hofft auf „Massenmigration“
Der französische Verfassungsrat hatte die auch von Depardieu kritisierte Reichensteuer von jährlich 75 Prozent auf Einkommen von mehr als einer Million Euro noch kurzfristig gestoppt. Dennoch hielt der Schauspieler an seinen Auswanderungsplänen fest. Sobald reiche Europäer mehr über das günstige russische Steuersystem erführen, werde es eine „Massenmigration“ geben, schrieb der russische Vizeregierungschef Dimitri Rogosin via Twitter.
„Falls Gerard wirklich eine russische Aufenthaltsgenehmigung oder einen russischen Pass will, so ist diese Frage bereits positiv entschieden“, hatte Putin bereits am 20. Dezember gesagt.
Spott und Kritik
Die Verleihung der Staatsbürgerschaft zog in Russland Kritik und Spott nach sich. Die Blogs im Internet quellen über mit bissigen Kommentaren: Von einer gelungenen PR-Aktion Putins ist die Rede und davon, dass Depardieu in Russland zwar weniger Steuern zahlen werde, diese aber direkt in die Taschen von korrupten Beamten fließen - mehr dazu in oe1.ORF.at.
„Gerard Depardieu kennt und liebt Russland, das immer auf ihn gewartet hat“, sagte der Präsident der Internationalen Vereinigung russischer Landsleute, Pjotr Scheremetjew. Der Regisseur Wladimir Meschow hingegen, der mit Depardieu den Film „Sawist Bogow“ (2000, Der Neid der Götter) drehte, sagte: „Das bedeutet nicht, dass er ein russischer Patriot ist.“
Der Schauspieler könne nun „eine echte historische Rolle“ spielen, indem er sich am 31. Jänner an einer Demonstration der Opposition in Moskau beteilige, schrieb Oppositionspolitiker Eduard Limonow am Freitag in seinem Blog. „Jeden 31. im Monat um 18.00 Uhr fordern russische Bürger (...) das Recht, sich friedlich zu versammeln, wie es in Artikel 31 der Verfassung vorgesehen ist. Wir warten auf Dich, Gerard!“
„Niemals verzeihen“
In dem Brief, den das russische Fernsehen veröffentlicht hatte, hatte Depardieu auch geäußert, Russland sei „eine große Demokratie“. Dazu sagte nun der Journalist Matwei Ganapolski im oppositionellen Radiosender Moskauer Echo: „Wir werden es niemals vergessen und ihm diesen Satz niemals verzeihen.“
Der Journalist und Blogger Anton Orech schrieb auf der Website vom Moskauer Echo, Depardieus Entscheidung, wegen zu hoher Steuern seiner Heimat den Rücken zuzukehren, zeige, dass er „Geld mehr liebt als das Vaterland“. „Lasst uns unsere Pässe jedem geben, der viel Geld hat und Zuhause keine Steuern zahlen will“, fügte Orech sarkastisch hinzu.
Ein russischer Facebook-Nutzer schrieb über Depardieu: „Er bewundert unsere Demokratie - er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.“ Ein Nutzer des Online-Netzwerkes Live Journal lästerte: „Wegen Geld aus seinem Land abzuhauen ... das ist so russisch - er ist einer von uns!“
Links: