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Kein Termin für Parlamentswahlen

Ägyptens Präsident Mohammed Mursi hat seinen krisengeplagten Landsleuten einen Wirtschaftsaufschwung und modernen Staat versprochen. Wann ein neues Parlament gewählt werden soll, sagte Mursi allerdings während einer Rede am Wochenende in Kairo nicht.

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Vielmehr zeichnete der neue Präsident seinen letzten politischen Meilenstein heraus: Die neue Verfassung, die dem Amt des Präsidenten mehr Handlungsfreiheiten und die Befugnis zu Allein- bzw. Letztentscheidung einräumt, bezeichnete er als Garant für die Bürgerrechte. „Alle sind vor dem Gesetz gleich und gemäß dieser Verfassung“, sagte Mursi. Die neue Verfassung garantiere die „Freiheit für alle, ausnahmslos“.

Klares Votum einer Minderheit

Nach monatelangen Protesten der Opposition hatten die Ägypter in einer am vergangenen Wochenende abgeschlossenen Volksabstimmung dem Entwurf der von den politischen Inhalten der Muslimbrüder geprägten Verfassung zugestimmt. Auf den Text entfielen nach amtlichen Angaben 63,8 Prozent der Stimmen, die Wahlbeteiligung lag allerdings bei unter 33 Prozent. Mursi setzte die Verfassung am Mittwoch vergangener Woche in Kraft.

Opposition kündigte Kampf an

Die Opposition kündigte an, ihren Kampf gegen die Verfassung fortzusetzen, deren vage Formulierungen aus ihrer Sicht die Bürgerrechte nicht ausreichend gewährleisten und dem islamischen Recht zu viel Raum geben. Die Nationale Heilsfront, das größte Oppositionsbündnis, kritisierte zudem zahlreiche Regelverstöße und Fälle von Betrug während der beiden Referendumsrunden.

Die Opposition warf Muslimbrüdern und Salafisten erneut vor, Methoden des alten Mubarak-Regimes übernommen zu haben. Anlass waren die jüngsten Ermittlungen gegen die Oppositionsführer Mohamed ElBaradei, Amr Mussa und Hamdien Sabahi wegen Hochverrats. ElBaradei beklagte sich am Samstag im Kurzmitteilungsdienst Twitter: „Als hätte es die Revolution nicht gegeben, als wäre das System nicht gestürzt.“

Wahl binnen 60 Tagen

Nachdem die neue Verfassung in Kraft getreten ist, muss eigentlich binnen 60 Tagen über ein Abgeordnetenhaus abgestimmt werden. Viele Ägypter hatten damit gerechnet, dass Mursi während seiner ersten Rede vor dem Oberhaus des Parlaments (Shura-Rat, Anm.) den Wahltermin bekanntgibt. Die islamistische Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, und die ultrakonservativen Salafisten müssen bei der Parlamentswahl mit einem Denkzettel rechnen.

Mursi versprach, dass er die Armut in dem Land bekämpfen werde, wo etwa vier von zehn Menschen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen müssen. Allein in der Industrie sollten 20.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Er betonte, dass es bereits erste wirtschaftliche Fortschritte gebe. Mursi warf politischen Gegnern vor, sie redeten einen Bankrott des Landes herbei. Erst in dieser Woche war Ägypten erneut von einer Ratingagentur herabgestuft worden.

Land ohne Legislative

Seit das erste ägyptische Parlament nach dem Sturz von Langzeitpräsident Hosni Mubarak aufgelöst wurde, gibt es in dem Land keine richtige Legislative mehr. Ein Gericht hatte im Sommer die Parlamentswahl für ungültig erklärt, weil sich Parteimitglieder um Direktmandate beworben hatten, die eigentlich für unabhängige Kandidaten reserviert worden waren. Zunächst übernahm Mursi die parlamentarischen Befugnisse. Seit Inkrafttreten der neuen Verfassung, erlässt nun der Schura-Rat die Gesetze.

In dem Gremium haben die islamistische Muslimbruderschaft sowie die ultrakonservativen Salafisten eine Mehrheit. Zwei Drittel der 270 Mitglieder haben ihr Schura-Mandat bei einer Wahl zu Jahresbeginn 2012 errungen. Die übrigen Mitglieder wurden vor einer Woche von Mursi ernannt.

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