Dijsselbloem mit guten Karten
Der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem soll nach einem Zeitungsbericht neuer Chef der Euro-Gruppe und damit Nachfolger des Luxemburger Regierungschefs und Finanzministers Jean-Claude Juncker werden. Eine informelle Absprache dazu hätten die Staats- und Regierungschefs des Euro-Raums am Rande des EU-Gipfels vergangene Woche in Brüssel getroffen, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) in ihrer Montag-Ausgabe.
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Juncker hatte Anfang Dezember erklärt, er werde mit Jahresanfang 2013 sein Amt zur Verfügung stellen. Juncker ist mehr als acht Jahre Chef der Euro-Gruppe. Eine formelle Entscheidung zur Nachfolge wollten die 17 Euro-Finanzminister im Jänner fällen. Die deutsche Regierung, die dabei ein gewichtiges Wort mitreden wird, hielt sich bedeckt, Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, das Thema werde zum gegebenen Zeitpunkt unter den Finanzministern entschieden.
Treffen mit Schäuble
Dijsselbloem stattete allerdings seinem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble (CDU) einen Besuch ab. Dabei wurde vermutlich auch über den Posten des künftigen Euro-Gruppe-Chefs gesprochen, meldete die niederländische Nachrichtenagentur ANP am Montag. Schäuble hatte allerdings selbst lange Zeit als Favorit gegolten. Ob er noch im Rennen ist, darüber wird allerdings nur spekuliert.
„Mr. Euro“ mit 46?
Dijsselbloem wurde am 29. März 1966 in Eindhoven geboren. Er ist erst seit kurzem im Amt. Seit November ist er niederländischer Finanzminister in der sozial-liberalen Koalitionsregierung von Premierminister Mark Rutte. Zuvor war er seit dem Jahr 2000 mit Unterbrechungen Abgeordneter der Sozialdemokraten (PvdA). Seit 2010 ist er Vizefraktionschef seiner Partei. Vor seiner Zeit als Abgeordneter war Dijsselbloem im Landwirtschaftsministerium tätig.
Euro-Kassenhüter als „Teilzeitjob“
Dijsselbloem selbst hatte erklärt, er würde über eine solche Berufung nachdenken, wenn sie ihm angeboten wird. Beim EU-Gipfel in Brüssel spielte das Thema im Sitzungssaal zwar keine Rolle, wurde aber am Rande debattiert. Dijsselbloems Name machte dabei die Runde. Als offizieller Kandidat wurde er allerdings noch nicht genannt.
Juncker, dienstältester EU-Regierungschef, meinte nach den Beratungen, er wolle EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in die Nachfolgesuche einschalten. „Ich werde noch im Laufe der nächsten Woche mit Herman Van Rompuy entweder zusammentreffen oder ein längeres Telefonat in dieser Frage mit ihm führen.“
Der Sozialdemokrat Dijsselbloem erklärte in Den Haag, er werde in jedem Fall Finanzminister der Niederlande bleiben. Die Aufgabe des Chefs der Euro-Kassenhüter in Brüssel sieht er als Teilzeitjob. „Es ist eine Funktion, die ein Finanzminister zusätzlich übernehmen kann.“ Dijsselbloem hat laut Diplomaten gute Karten, weil er aus einem Land mit der Einsernote „AAA“ bei den Ratingagenturen kommt. Außer den Niederlanden sind in der Euro-Zone nur noch Deutschland, Luxemburg und Finnland im „Bestenclub“. Bei den Personalspekulationen war auch der niederländische Regierungschef Mark Rutte genannt worden.
Faymann: Prinzipiell kommt jeder infrage
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat für die Nachfolge von Juncker noch keinen konkreten Kandidaten im Auge. „Wir suchen im Kreis der Finanzminister“, sagte er am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Auf die Frage, ob der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) oder Österreichs Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) im Gespräch als Juncker-Nachfolger seien, sagte er: „Prinzipiell kommt jeder infrage.“ Österreich sei „in vielen Bereichen ein Vorbild“ und damit bei Personaldiskussionen immer ein Kandidat.
Juncker: Keine Favoriten, nur Freundschaften
Juncker machte auch deutlich, dass er nicht mit schnellen Entscheidungen rechne. Zuerst müsse geklärt werden, ob der Posten als hauptamtlich deklariert werde oder nicht. Juncker führt die Euro-Kassenhüter seit 2005. Vorher gab es keinen festen Vorsitz. Er sagte einmal, die Euro-Gruppe erfordere rund vier Stunden Arbeit pro Tag. Auf die Frage, ob er davon ausgehe, dass er wie gewünscht im Februar des kommenden Jahres vom Amt des Euro-Gruppe-Vorsitzenden befreit sei, sagte er: „Ja, das Amt auch von mir.“ Zur Frage, ob er einen Favoriten für seine Nachfolge habe, formulierte er: „Ich habe keine Favoriten, ich habe Freundschaften.“
In der Finanzkrise hat der Vorsitzende der Euro-Kassenhüter eine herausgehobene Rolle, denn er empfängt Hilfsanträge von Staaten in Finanznöten. Juncker will nach eigenen Angaben im Jänner noch das Hilfsprogramm für das krisengeschüttelte Zypern abschließen, bevor er den Posten verlässt.
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