Aktivist, Staatsfeind, Nationalikone
Er war erst politischer Gefangener, dann der erste schwarze Präsident Südafrikas - Nelson Mandela galt als einer der wichtigsten Vertreter im Widerstand gegen die Apartheid und Wegbereiter für die demokratische Neuorientierung in Südafrika. Am Donnerstagabend teilte Südafrikas Präsident Jacob Zuma mit, dass Mandela gestorben sei.
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Der 95-Jährige sei am Donnerstag friedlich dahingeschieden, so Zuma in Johannesburg in einer landesweit übertragenen Fernsehsendung. „Unsere Nation hat ihren größten Sohn verloren“, betonte Zuma. „Nelson Mandela brachte uns zusammen, und zusammen nehmen wir Abschied von ihm“, sagte Zuma. Er starb um 20.50 Uhr Ortszeit (19.50 Uhr MEZ) in seinem Haus in Johannesburg.
Mandela war im Sommer wegen einer schweren Lungenentzündung im Medi-Clinic-Heart-Krankenhaus in der südafrikanischen Hauptstadt behandelt worden. Seine letzten Wochen hatte der Friedensnobelpreisträger im Kreis seiner Familie verbracht. Er soll in seinem Heimatort Qunu im Südosten des Landes beigesetzt werden. Beobachter rechnen damit, dass in Südafrika Staatstrauer ausgerufen wird. Zu den Beisetzungsfeierlichkeiten, die vermutlich in etwa fünf bis sieben Tagen stattfinden, werden zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus aller Welt erwartet.

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Mandela 1961
Letzter öffentlicher Auftritt bei Fußball-WM
Der greise Ex-Präsident war binnen sechs Monaten viermal im Krankenhaus behandelt worden. Im Dezember 2012 unterzog er sich einer Gallensteinoperation. Anschließend erlitt Mandela eine Infektion der Atemwege. Im April musste er wegen einer Lungenentzündung zehn Tage ins Krankenhaus. Nach der erneuten Einlieferung in die Klinik Anfang Juni berichtete das Präsidialamt mehrfach von lebensbedrohlichen Krisen.
Zeitweise soll der 95-Jährige künstlich beatmet worden sein und wegen Nierenversagens Dialysen bekommen haben. Die Ärzte hätten der Familie angeboten, über die Abschaltung der lebenserhaltenden Geräte zu entscheiden, meldete die Zeitung „The Citizen“. Der zunehmend gebrechliche Nationalheld hatte sich seit vielen Jahren öffentlich nicht mehr geäußert. Sein letzter öffentlicher Auftritt war bei der Schlussfeier der Fußballweltmeisterschaft im Juli 2010 in Johannesburg.
Obama: Vorbild für alle Menschen
US-Präsident Barack Obama würdigte Mandela als großes Vorbild für alle Menschen. Die Welt habe einen der einflussreichsten und mutigsten Menschen verloren, so Obama am Donnerstag im Weißen Haus in Washington. Der frühere US-Präsident George W. Bush bezeichnete Mandela als ein Symbol der Versöhnung. Er habe seinen Peinigern ungeachtet seiner 26-jährigen, ungerechten Gefangenschaft vergeben. „Er war ein Mann von unglaublichem moralischem Mut, der den Gang der Geschichte in seinem Land veränderte“, so Bush in einer schriftlichen Erklärung.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon würdigte den südafrikanischen Nationalhelden als „Giganten der Gerechtigkeit“. Der Friedensnobelpreisträger sei eine „Quelle der Inspiration“ für die ganze Welt gewesen, erklärte Ban in New York. „Wir müssen uns von seiner Weisheit, seiner Entschlossenheit und seinem Engagement inspirieren lassen, um die Welt zu verbessern.“
Name als Omen
Geboren als Rolihlahla Mandela hat sich der Menschenrechtsaktivist und Friedensnobelpreisträger Zeit seines Lebens auch durch Erfolge und Auszeichnungen nicht von seiner Hartnäckigkeit abbringen lassen, sozialen wie rassistischen Missständen die Stirn zu bieten.
Sein gebürtiger Name aus der Sprache seines Volkes Xhoasa kann als „Unruhestifter“ übersetzt werden. „Den Namen kann man als Omen für den Mann sehen, der ich geworden bin. Die Unruhe, die ich ausgelöst habe, ist zum Vorteil für all jene gewesen, die Hilfe brauchten“, sagte Mandela einst in einem Interview. Erst an seinem ersten Schultag erhielt er den westlichen Namen Nelson.
Inspiration und Schlüsselfigur
Als Schlüsselfigur der Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika war Mandela auch Katalysator für unzählige Initiativen, die die Lebensbedingungen der Menschen rund um den Erdball verbessern sollten. Für seine Anhänger und politischen Mitstreiter blieb er eine Inspiration für Menschlichkeit und den Kampf für eine gerechte und freie Gesellschaft.
Was ihn ebenfalls besonders auszeichnete: Zu allen Dingen - insbesondere auch zur Politik - pflegte er einen persönlichen Zugang. Stets war er um einen versöhnlichen Dialog zwischen den Völkern bemüht. Trotz Weltruhms bezeichnete er sich in seinem zweiten Buch „Conversations With Myself“ als „mittelmäßigen Menschen im wahrsten Wortsinn“.
„Das Leben mit ihm war ein Leben ohne ihn“
Dreimal war Mandela verheiratet. Seine zweite Ehefrau, Winnie Madikizela, beschrieb das „Leben mit ihm“ als ein „Leben ohne ihn“. Neben seinem politischen Engagement musste das Privatleben zurückstecken. Nachdem Mandela 1963 wegen Sabotage, Umsturzplänen und kommunistischen Aktivitäten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, verbüßte er 27 Jahre im Gefängnis.

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Das Hochzeitsfoto von Nelson und Winnie Mandela, 1958
Rebellion und College-Rauswurf
„Ich kann nicht genau sagen, wann ich politisiert wurde, wann ich wusste, dass ich mein Leben völlig dem Freiheitskampf verschreiben würde“, schrieb Mandela in seiner Biografie, die er zum Großteil heimlich während seiner ersten Jahre auf der Gefängnisinsel Robben Island verfasste. Es hätte keine Offenbarung gegeben, der Grund wäre vielmehr eine Aneinanderreihung Tausender Kränkungen und Momente gewesen, die in ihm die Wut zur Rebellion gegen die einkerkernde Apartheid erzeugten. Der Befreiung seines Volkes widmete er sich, „weil ich nicht anders konnte“. Und der Regierung war klar: Er war niemand, den man ignorieren durfte.
Schon als junger Jusstudent engagierte sich Mandela aktiv in der Opposition gegen das weiße Minderheitenregime, organisierte Studentenstreiks und wurde 1940 als Folge vom College Fort Hare verwiesen. „Diese Rebellion habe ich nie bereut“, sagte er in einem Interview. „Der Rauswurf hat erst meine Augen geöffnet: darüber, wie wichtig es ist, mich als Aktivist gegen die repressiven Systeme in meinem Land zu erheben.“ Um einer arrangierten Ehe zu entkommen, flüchtete Mandela nach Johannesburg und begann ein Studium der Rechtswissenschaften.
Von gewaltfreiem Protest zu bewaffnetem Kampf
1942 trat Mandela dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) bei. Angetrieben von der Unzufriedenheit über ihre ineffektive Vorgangsweise, gründete er zwei Jahre später die Jugendliga des ANC und übernahm 1951 deren Präsidentschaft. Das verstaubte Parteiprogramm des ANC wurde durch ein neues ersetzt und die Partei zur Massenbewegung. Ein Jahr drauf eröffnete er in Johannesburg mit seinem langjährigen Freund Oliver Tombo die erste von Schwarzen geführte Anwaltskanzlei Südafrikas.
Nachdem bei einem Massaker 1960 unbewaffnete Demonstranten erschossen und in der Folge der ANC und andere Anti-Apartheid-Gruppen verboten wurden, akzeptierte Mandela - bis dahin von einem gewaltfreien Protest überzeugt - die Notwendigkeit eines bewaffneten Kampfes. Auch später ist er auf den Deal einer Freilassung, die ihm bei Gesprächen zwischen ANC-Vertretern und Regierungsmitgliedern in den späten 1980er Jahren angeboten wurde, nicht eingestiegen. Der Grund: Die Bedingung, den bewaffneten Kampf zu beenden, war für Mandela nicht akzeptabel.
Die Haft konnte ihn nicht brechen
Während seiner 18-jährigen Inhaftierung auf Robben Island - es sollte nur die erste von drei Gefängnissen sein - setzte er den unerbittlichen Kampf gegen die Repressionen der Apartheid sowie der Vorherrschaft von Weißen über Schwarze im Gefängnis fort. Wie Mandelas langjähriger Freund und Anwalt in einem Interview sagte, waren die ersten Jahre von Schikanen und rassistischen Anfeindungen der Wärter geprägt. In der letzten Phase durfte er ein Büro einrichten und bekam einen Telefonanschluss.

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Demonstration in London 1964 gegen die Inhaftierung Mandelas
Weiterhin unterhielt der ehemalige Staatsfeind politische Kontakte und ließ nicht unerwähnt, dass er die Aktivitäten, die ihn hinter Gitter gebracht hatten, auch nach seiner Freilassung wieder aufnehmen würde. Gebrochen hat ihn die jahrzehntelange Gefangenschaft nicht. „Als ich ihn sah und von seinen Visionen sprechen hörte, machte er auf mich den Eindruck eines Staatsoberhauptes und eines Mahatma Gandhi“, sagte ein US-amerikanischer Professor, nachdem er Mandela im Gefängnis besucht hatte.

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Mandela 1990 mit US-Präsident George Bush
Die internationale Solidarität setzte das südafrikanische Regime zunehmend unter Druck, und Mandela wurde am 11. Februar 1990 im Alter von 71 Jahren aus dem Gefängnis entlassen.
Präsidentschaft als historischer Meilenstein
Mit ungetrübter Hingabe widmete er sich danach wieder seinen Überzeugungen. Er ebnete den Weg zu einer Politik der Versöhnung und in weiterer Folge zu demokratischen Wahlen in Südafrika. Vier Jahre später kam es zum historischen Meilenstein. Nelson Mandela wurde zum ersten schwarzen Präsidenten in Südafrika gewählt. Damit sollte 1994 der Rassentrennung, die das Land und seine Bevölkerung in schwarz und weiß spaltete, ein Ende nehmen. „Niemand kennt eine Nation wirklich, solange er nicht in ihren Gefängnissen war“, sagte die Nationalikone Südafrikas über seine einschneidenden Erlebnisse als Häftling.

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Mandela 1994 nach seiner Wahl
„Bereit, für meine Ziele zu sterben“
Still wurde es um den zuletzt gesundheitlich angeschlagenen Mandela auch in den letzten Jahren vor seinem Tod nicht. Nachdem er 2004 der Politik und Öffentlichkeit den Rücken gekehrt hatte, engagierte sich Mandela weiter in Stiftungen und Projekten. In seiner berühmten Verteidigungsrede von 1964 sagte er, „dass ich für meine Ziele und Überzeugungen lebe, aber wenn nötig, auch bereit bin, für sie zu sterben“. Und weiter: „An meinem letzten Tag will ich, dass jene, die zurückbleiben, sagen: Hier liegt ein Mann, der seine Pflicht gegenüber seinem Land und Volk erfüllt hat.“
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