Sicherheit von Flügen nicht gefährdet?
Die irische Diskontfluggesellschaft Ryanair sieht sich laut Medienberichten mit dem Vorwurf konfrontiert, beim Startgewicht ihrer Flugzeuge betrogen und sich dadurch möglicherweise Flughafengebühren in Millionenhöhe erspart zu haben. Das könnte Ryanair den Angaben zufolge teuer zu stehen kommen.
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Konkret soll die Airline beim Startgewicht ihrer Flugzeuge vom Typ Boeing 737-800 bis zu acht Tonnen verheimlicht haben, wie unter anderem die deutsche „Welt“ (Mittwoch-Ausgabe) berichtete. Eine Serie von Inspektionen auf den deutschen Flughäfen Frankfurt-Hahn und Bremen habe demnach ergeben, „dass das von Ryanair angegebene einheitliche Startgewicht von 67 Tonnen je Flug in allen Fällen überschritten“ worden sei - der Zeitung zufolge einmal „um sechs Tonnen, in aller Regel aber um knapp acht Tonnen“.
17 Euro pro Flug
Damit habe sich Ryanair pro Flug 17 Euro erspart, was laut „Welt“ auf den ersten Blick „nicht dramatisch“ klinge. Auf das Jahr hochgerechnet ergebe das aber rund 370.000 Euro allein in Deutschland - in ganz Europa könne sich der Schaden auf bis zu 50 Mio. Euro summieren, schreibt das Blatt unter Berufung auf Berechnungen von Luftfahrtexperten weiter.
Ryanair wollte sich in dem Fachmagazin „Cargo Forwarder“, das ebenfalls über Gewichtsdifferenzen berichtete, nicht zu „Gerüchten oder Spekulationen“ äußern. Das Unternehmen habe sich aber an Boeings Vorgaben gehalten und werde auf Anfragen der europäischen Flugsicherung Eurocontrol direkt antworten, hieß es.
Ryanair zahlt bereits korrigierte Gebühr
Von der Deutschen Flugsicherung (DFS) wurde unterdessen bekanntgegeben, dass Ryanair bereits seit November eine korrigierte Gebühr bezahlt. Nachdem der Fehler bei Prüfungen aufgefallen sei, habe man die Pauschale entsprechend angehoben, sagte eine DFS-Sprecherin am Mittwoch in Langen bei Frankfurt.
Startgewicht von Flugzeugen
Um das tatsächliche Startgewicht eines Flugzeugs zu ermitteln, werden drei Werte addiert: das bekannte Gewicht der Maschine inklusive Treibstoff, das Gewicht der Passagiere und das des Gepäcks. Dabei wird das Gepäck bei den meisten Fluggesellschaften exakt gewogen, wie ein Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit in Frankfurt sagte. Bei den Reisenden rechnen die Airlines hingegen meist mit Standardwerten - etwa 85 Kilogramm pro Passagier.
Jetzt muss die DFS das tatsächliche Startgewicht einer jeden Maschine nachträglich überprüfen. Dieses ist in den Flugplänen festgehalten, die der DFS vorliegen. Ob Nachforderungen an Ryanair gestellt oder gar rechtliche Schritte eingeleitet werden, ist nach Angaben der Sprecherin unklar. Laut "Cargo Forwarder könnten könnten für Ryanair noch teure Konsequenzen drohen.
Auch die europäische Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol meldete sich in der Causa zu Wort. „Wir wissen über die Behauptungen Bescheid und wir befinden uns in Gesprächen mit Ryanair“, sagte eine Sprecherin von Eurocontrol am Mittwoch in Brüssel. Eurocontrol berechnet und erhebt im Namen der Mitgliedsstaaten die Gebühren für die Flugsicherung in den einzelnen Ländern. Die Höhe richtet sich vor allem nach dem erlaubten Höchstgewicht beim Start eines Flugzeugs und nach der Länge der Strecke.
Schwerer Zwischenfall bei Memmingen
Eine Debatte über Flugsicherheit dürfte Ryanair in diesem Fall aber erspart bleiben, da die Sicherheit der Flüge den Angaben zufolge nie gefährdet war. Dennoch sorgte Ryanair in den letzten Monaten auch in Sachen Flugsicherheit für reichlich Debatten. Erst Anfang Dezember berichtete etwa das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ von einem schwerwiegenden Zwischenfall. Ein Ryanair-Flugzeug mit 141 Menschen an Bord habe demnach im September auf dem Weg von Manchester nach Memmingen rund sieben Kilometer von dem Flugplatz im Allgäu entfernt viel zu schnell an Höhe verloren.
Laut Ryanair verursachte heftiger Wind den Beinaheunfall über dem Allgäu. Die Maschine war der Fluggesellschaft zufolge gerade im Landeanflug auf den Flughafen Memmingen, als die Piloten „plötzlich unerwartet hohen Rückenwind“ verzeichneten. „Die Crew beendete den Vorgang und landete kurze Zeit später völlig normal.“
Auch nach mehreren außerplanmäßigen Landungen in Spanien musste sich Ryanair im September zur Wehr setzen. In einem Brief an die spanische Verkehrsministerin Ana Pastor forderte Ryanair-Chef Michael O’Leary unter anderem, dass seiner Ansicht nach falsche Aussagen aus Regierungskreisen, Ryanair könne seine Lizenz in Spanien verlieren, richtiggestellt werden. Obwohl innerhalb von vier Tagen jeden Tag ein Flugzeug in Spanien außerplanmäßig landen musste, ortete Ryanair „absolut keine Probleme“ bei der Sicherheit.
Laufende Ermittlungen in Italien
Mit Schwierigkeiten hat Ryanair derzeit auch in Italien zu kämpfen, nachdem die Justizbehörden der norditalienischen Stadt Bergamo Ermittlungen gegen O’Leary aufgenommen haben. Der Vorwurf lautet auf Steuerhinterziehung, so die Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“. Ermittlungen laufen auch gegen O’Learys rechte Hand bei Rechtsfragen, Juliusz Komorek.
Ryanair wird beschuldigt, die Lohnnebenkosten für 220 italienische Mitarbeiter der Airline nicht bezahlt zu haben. Diese waren in Dublin nach irischem Arbeitsrecht angestellt worden, arbeiten aber de facto auf dem lombardischen Flughafen von Orio al Serio bei Mailand. Damit seien nach Angaben der Staatsanwaltschaft für die Kassen der italienischen Fürsorgeanstalt INPS Verluste in Höhe von zwölf Mio. Euro entstanden, behaupten die Staatsanwälte. Auch hier wies Ryanair die Vorwürfe entschieden zurück. Da sie keine fixe Niederlassung in Italien habe, sei sie für die Zahlung der Lohnnebenkosten nicht verantwortlich.
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