Signale der Annäherung
50 Jahre nach der Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich reist der französische Präsident Francois Hollande in das nordafrikanische Land. Beide Seiten wollen ihre Zusammenarbeit vertiefen und schmerzliche Erinnerungen an die Kolonialzeit und den Unabhängigkeitskrieg hinter sich lassen. Zumindest die Chancen dafür stehen gut.
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Der negativ aufgeladene Begriff „Francafrique“ beschrieb seit der Unabhängigkeit afrikanischer Staaten das Verhältnis zwischen der Kolonialmacht Frankreich und ihren ehemaligen Kolonien. Beziehungen, die öfter über informelle denn über offizielle Netzwerke abliefen, jedoch stets auf höchster Ebene und die jahrzehntelang dazu dienten, das “verlorene Reich in Afrika” politisch, wirtschaftlich und militärisch zu kontrollieren – auch wenn das für die stolze französische Republik bedeutete, mit Diktatoren zu kooperieren.
Verbundenheit mit Algerien
“Francafrique, c’est fini” (Francafrique, das ist vorbei), gab bereits der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy als Parole aus, hielt sich dann jedoch nicht ganz daran. Ob es seinem Nachfolger Hollande gelingt, einen Schlussstrich unter das seit den 1960er Jahren andauernde Kapitel französisch-afrikanischer Geschichte zu ziehen, muss sich erst weisen.
Doch Hollande hatte sich ein Ende von Francafrique nicht nur auf die Fahnen, sondern auch bereits in sein Wahlprogramm geschrieben. Der 58-jährige Hollande, der am Mittwoch und Donnerstag zu einem Staatsbesuch in Algerien erwartet wird, fühlt sich dem Land schon seit jungen Jahren verbunden. Der Sozialist verbrachte 1978 acht Monate in Algier, wo er ein Praktikum im Rahmen seines Studiums an der französischen Elitehochschule ENA machte. Später kehrte er mehrfach dorthin zurück, auch als Parteichef der Sozialisten.
Kolonialzeit als „Ausbeutung“ und „Besatzung“
Seine erste Bewährungsprobe auf dem afrikanischen Kontinent hatte Hollande bereits Mitte Oktober im senegalesischen Dakar bestanden. Dort, wo sein Vorgänger 2007 noch sagte, “der afrikanische Mensch ist bisher nicht genügend in die Geschichte eingegangen”, bestätigte Hollande, dass es für ihn “die Zeit von Francafrique längst vergangen” sei - heute gebe es Frankreich, und es gebe Afrika
Anders als manche Franzosen sieht Hollande die Kolonialzeit als „eine Ausbeutung, eine Beherrschung, eine Besatzung“. Zwar warnt er Frankreich auch davor, in „Selbstkasteiung“ zu verfallen, was nur neue Wunden aufreißen würde. Doch im Oktober erkannte er die „blutige Niederschlagung“ einer Demonstration von Algeriern am 17. Oktober 1961 im Zentrum von Paris an.
Umfassende Zusammenarbeit geplant
Mit dieser Anerkennung brach Hollande das mehr als 50-jährige Schweigen des französischen Staates zu den Bluttaten, bei denen rund 200 Algerier von Sicherheitskräften getötet wurden. Scharfe Kritik kam daraufhin aus dem rechten Lager in Frankreich, das es „unerträglich“ nannte, den französischen Staat verantwortlich zu machen.
Hoch sind daher die Erwartungen in Algerien an den Besucher aus Frankreich. Präsident Abdelaziz Bouteflika hofft auf eine „besondere Partnerschaft“ zwischen beiden Ländern. Er und Hollande, der von rund einem Dutzend seiner Minister begleitet wird, wollen eine gemeinsame Erklärung beschließen, die den Weg für eine umfassende Zusammenarbeit beider Länder ebnen soll.
Wirtschafts- und Verteidigungskooperationen
Rund 15 Abkommen sollen zudem geschlossen werden. Der französische Autohersteller Renault will ein Montagewerk für jährlich 75.000 Autos in Westalgerien bauen. Algerien will sich auf den Feldern Wissenschaft und Technologie an Paris orientieren. Auch in der Verteidigungskooperation soll es vorangehen. Paris wiederum hofft auf eine engere Zusammenarbeit beim Kampf gegen den Terrorismus im Norden Malis an der Grenze zu Algerien.
Auch auf französischer Seite wird der Besuch von Hollande, der vor den beiden algerischen Parlamentskammern sowie vor der Universität Tlemcen sprechen wird, als „historisch“ eingestuft. Doch auch wenn sich Paris nicht in „eine endlose Diskussion über die Vergangenheit“ verstricken lassen will, so werden die düsteren Kapitel Kolonialzeit bis zur algerischen Unabhängigkeit 1962 doch allgegenwärtig sein.
Heikle Lage in Algerien
Kürzlich hatten algerische Regierungsmitglieder und rund ein Dutzend Parteien von Frankreich die offizielle Anerkennung von in Algerien verübten „Verbrechen“ verlangt. Im Elysee-Palast in Paris hieß es hingegen, die gemeinsame Vergangenheit solle zwar „klar“ betrachtet werden, doch in „Reue“ wolle Frankreich auch nicht abgleiten.
Einfach wird der Besuch für Hollande auch deshalb nicht, weil die algerische Regierung im eigenen Land alles andere als unumstritten ist. Die Jugend des Landes lasse sich nicht mehr durch einen „patriotischen Diskurs“ betrügen, sagt Kader Abderrahim vom Institut für internationale und strategische Beziehungen. Mehr als eine halbe Million algerischer Einwanderer leben bereits in Frankreich, Hunderttausende haben zudem die französische Nationalität. Gerade bei der Einwanderung erwartet Algerien von Frankreich ein Entgegenkommen.
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