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„Realitätsferne“ Bemessungsgrundlage

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Bemessung der Grunderwerbssteuer als verfassungswidrig aufgehoben. Der Grund ist erneut, dass die Steuer für einen Teil der Transaktionen nach dem Verkehrswert und für den anderen Teil nach dem veralteten Einheitswert berechnet wird.

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Je nachdem, wie ein Grundstück erworben wurde oder um welches Grundstück es sich handelt, wird die Steuer entweder anhand des tatsächlichen Wertes oder anhand des Einheitswertes berechnet. Bei Käufen wird etwa der Verkehrswert herangezogen, für Schenkungen und landwirtschaftliche Übergaben der Einheitswert.

Einheitswert 1973 festgelegt

Weil die Einheitswerte über Jahrzehnte nicht angepasst wurden, führe das nun dazu, dass es alleine von der Art der Rechtsgeschäfts abhängig sei, ob eine „realitätsferne“ Bemessungsgrundlage zum Einsatz komme, so VfGH-Präsident Gerhart Holzinger am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

Gerhart Holzinger, Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs

ORF.at/Günter Hack

VfGH-Präsident Gerhart Holzinger bei der Bekanntgabe der Entscheidung

Eine Vergleichsberechnung des Finanzministeriums aus dem Jahr 2007 ergab laut Holzinger, dass im Extremfall der Verkehrswert eines Grundstücks 510 Prozent des dreifachen Einheitswertes ausmacht. Andererseits gebe es Grundstücke, bei denen der Einheitswert höher sei als der Verkehrswert. Der Einheitswert wurde zuletzt 1973 festgelegt.

„Unsachliche Ergebnisse“

Grundsätzlich hätten die Höchstrichter nichts gegen eine verwaltungsökonomische Vereinfachung, so Holzinger, nur dürfe diese nicht zu „unsachlichen Ergebnissen“ führen. Durch die Nichtanpassung löse der Gesetzgeber „Unstimmigkeiten und Verwerfungen“ im Steuersystem aus, die ab einem gewissen Zeitpunkt auch die Gründe für die Verwaltungsökonomie nicht mehr rechtfertigen würden, heißt es in der Entscheidung des VfGH.

Die laut Höchstrichtern sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung führte schon zu einer Reihe von Aufhebungen, nämlich der Schenkungs-, Erbschafts-, Stiftungseingangssteuer sowie zuletzt der Grundbucheintragungsgebühr. Auch die jüngst reparierte Grundbucheintragungsgebühr könnte laut Holzinger wieder vor dem VfGH landen, weil sie weiterhin teilweise nach dem Einheitswert berechnet wird.

Lange Reparaturfrist wegen Wahljahres

Für die Grunderwerbssteuer hat der VfGH eine recht lange Reparaturfrist bis 31. Mai 2014 gesetzt. Als Grund nannte Holzinger das kommende Wahljahr: „Wir gehen davon aus, dass der Gesetzgeber auf die Steuer nicht verzichten will, und 2013 wird kaum Zeit sein, das zu reparieren.“ Bis zum Ablauf der Reparaturfrist oder dem Beschluss einer neuen Regelung bleibt alles wie gehabt.

Regierung will schnell handeln

In einer ersten Reaktion auf die Entscheidung des VfGH kündigte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Dienstag an, dass die Regierung mit diesem Thema sofort beginnen werde. Man werde eine Reparatur zustande bringen, meinte auch Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) nach dem Ministerrat. Laut Faymann hatte die Regierung mit der Entscheidung gerechnet, nachdem es bereits entsprechende Signale des VfGH gegeben habe. Die Landwirtschaftskammer begrüßte die Entscheidung des VfGH. Sie sieht darin die Bestätigung für die eigene langjährige Forderung, dass die Einheitswerte neu festgelegt werden müssten.

Der Gemeindebund drängt auf eine schnelle Lösung noch vor der Nationalratswahl im kommenden Jahr. Wenn die Reparaturfrist wegen politischen Stillstands nach der Wahl ohne Ergebnis auslaufe, würden die Gemeinden vor dem „finanziellen Ruin“ stehen, so Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer. 96 Prozent der Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer fließen demnach in die Gemeindebudgets.

750 Mio. Euro 2011

Im Jahr 2011 brachte die Grunderwerbssteuer dem Staat 750 Mio. Euro ein, teilte das Finanzministerium am Dienstag mit. Vor einer inhaltlichen Stellungnahme will das Ministerium das Erkenntnis des VfGH erst genau prüfen.

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