„Brutale“ Gefangennahme Montagabend
Wenige Stunden nach einer überraschenden gewaltsamen Gefangennahme durch einen Trupp von Soldaten am späten Montagabend hat der malische Regierungschef Cheick Modibo Diarra den Rücktritt der gesamten Regierung bekanntgegeben. „Ich trete mit meiner Regierung zurück“, sagte Diarra Dienstagfrüh in einer kurzen Erklärung ohne jegliche Begründung im staatlichen Fernsehen.
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Der Regierungschef las im TV allem Anschein nach eine vom Militär vorbereitete Erklärung von einem Blatt ab. Diarra war in der Nacht nach Angaben von Mitarbeitern von Soldaten festgenommen worden, die aus der Militärgarnison Kati zu seiner Wohnung in der Hauptstadt Bamako kamen. Die Soldaten hätten die Eingangstür von Diarras Haus „demoliert“ und den Regierungschef „ziemlich brutal“ behandelt, hieß es weiter. Die Hintergründe des Putsches sind noch unklar.
Zu „Gesundheitscheck“ nach Paris?
Diarra hatte laut einem Mitarbeiter in der Nacht auf Dienstag nach Frankreich reisen wollen; angeblich, um sich in Paris einem Gesundheitscheck zu unterziehen. Er habe zuvor eine kurze Fernsehansprache aufgenommen. Die Aufnahme sei jedoch vom Militär beschlagnahmt worden. Das Militär erklärte in einer offiziellen Mitteilung, Regierungschef Diarra sei am späten Montagabend gefasst worden, als er versucht habe, nach Frankreich zu reisen.
Die Militärs hatten laut Diarras Mitarbeitern beim Eindringen in dessen Haus gesagt, dass sie im Auftrag von Hauptmann Amadou Haya Sanogo handelten. Sanogo war bereits an einem Putsch im März beteiligt, bei dem der langjährige Präsident Amadou Toumani Toure gestürzt wurde. Offiziell übergab Sanogo zwei Wochen nach dem Putsch vom März auf internationalen Druck hin die Macht wieder an eine zivile Regierung, faktisch aber behielt er in Bamako erheblichen Einfluss.
Unter Hausarrest gestellt
Diarra wurde laut seiner Familie inzwischen durch Armeeangehörige unter Hausarrest gestellt. Er könne „weder empfangen, wen er will, noch dorthin gehen, wohin er will“, sagte eines seiner Familienmitglieder am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. In seinem Haus in Bamako befänden sich Soldaten, die seine Bewegungsfreiheit einschränkten. In der Hauptstadt blieb es zunächst ruhig.
Armeeführer Sanogo stritt zugleich ab, dass es sich um einen Staatsstreich handle. „Das ist kein neuer Putsch“, sagte ein Vertrauter Sanogos, Bakary Mariko, gegenüber dem Sender France 24. Er warf Diarra zugleich vor, nicht im Interesse Malis gehandelt, sondern eine „persönliche Agenda“ verfolgt zu haben. Staatschef Dioncounda Traore werde „in den kommenden Stunden“ einen neuen Regierungschef ernennen, sagte Mariko.
Putsch kurz vor Entsendung von Hilfstruppen
Die Festnahme Diarras dürfte die Bemühungen erschweren, das westafrikanische Land zu stabilisieren: Militär und Politiker sind seit dem Putsch gespalten. Im Norden haben islamistische Rebellen, die Verbindung zur Extremistenorganisation Al-Kaida unterhalten, die Macht an sich gerissen. In dem Gebiet haben die Islamisten ein brutales Regime errichtet. Die westliche Welt hegt Befürchtungen, die Region könnte zu einem Rückzugsgebiet für Extremisten werden.
Diarra sprach sich wiederholt dafür aus, eine internationale Militärtruppe solle gegen die Islamisten im Norden einschreiten. Der Zeitpunkt des Putsches hat wohl auch damit zu tun, dass dieser Moment immer näher rückte: Die Europäische Union hatte am Montag offiziell mit der Planung für einen neuen Militäreinsatz in Mali begonnen. Sie will zwischen 200 und 250 Militärausbildner in die Hauptstadt Bamako schicken, sagten Diplomaten. Der Beschluss zur Entsendung der EU-Militärs folgt später.
Islamisten als lachende Dritte?
Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS bereitet ihrerseits auf Bitten Malis einen Militäreinsatz mit bis zu 5.000 Soldaten vor, die die Islamisten aus dem Norden Malis vertreiben sollen. Was nun mit den Plänen der ECOWAS und der EU geschieht, ist offen. Die Unruhen in Mali haben laut UNO-Angaben fast 350.000 Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Etwa 200.000 von ihnen seien innerhalb des Landes vertrieben worden, sagte Flüchtlingskommissar Antonio Guterres erst am Montag im UNO-Sicherheitsrat.
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