„Schönste Musik, die je gespielt wurde“
Auch wenn seine langgliedrigen Hände zuletzt immer zerbrechlicher wirkten, in die Tasten hämmern konnte der nun verstorbene Dave Brubeck bis zuletzt. Und wenn der weißhaarige Pianist wie noch vor ein paar Jahren beim Jazzfestival in Montreal oder im legendären New Yorker Club Blue Note die ersten Töne von „Take Five“ erklingen ließ, dann war das Publikum immer noch so hingerissen wie bereits vor Jahrzehnten.
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Der Amerikaner hat den Jazz aus den rauchigen kleinen Untergrundbars geholt und die Improvisationsmusik salonfähig gemacht. Einen Tag vor seinem 92. Geburtstag starb Brubeck an den Folgen eines Herzinfarktes.
„Dialogues For Jazz Combo And Orchestra“
Im Tempel der Klassik hielt der Jazz 1959 Einzug: Damals dirigierte Leonard Bernstein in der New Yorker Carnegie Hall Brubecks umjubelte Uraufführung von „Dialogues For Jazz Combo And Orchestra“ mit den New Yorker Philharmonikern. Vier Jahre später trat das „Dave Brubeck Quartet“ dann vor ausverkauftem Haus schon solo auf.

AP/Richard Drew
Brubeck mit Bandkollegen backstage in der Carnegie Hall
Das Konzert ist auf dem Album „At Carnegie Hall“ verewigt - und wurde seinerseits zum Klassiker für die Fans. Er habe die „eigensinnigste und schönste Musik geschaffen, die je gespielt wurde, seit der Jazz zur Welt kam“, bestätigte ihm das US-Magazin „Time“ und widmete ihm ein Cover - erst als zweiter Jazzmusiker nach Louis Armstrong.
„Time Out“ knackt Millionengrenze
Kurz nach dem Carnegie-Debüt kam dann auch der Sprung in das ganz große Plattengeschäft. „Time Out“ war die erste Jazzplatte, die sich mehr als eine Million Mal verkaufte. Allerdings sahen Musikkritiker einen Grund dafür in der Annäherung Brubecks an den allgemeinen Publikumsgeschmack.
Seine Pianoklänge waren gefälliger als in den Anfangsjahren, eingängige Rhythmen durchzogen die Titel, und Brubecks Saxofonist Paul Desmond achtete bei aller Freude an der Improvisation darauf, dass die Melodien nicht zu kurz kamen. Seine Komposition „Take Five“ im ungewöhnlichen 5/4-Takt wurde ein Welthit, aber auch „Pick Up Sticks“, „Unsquare Dance“ und „Blue Rondo a la Turk“ haben ungewöhnliche und unvergessliche Rhythmen.
Student der Veterinärmedizin
Begonnen hat die musikalische Laufbahn von David Warren Brubeck bereits im Elternhaus in Concord (US-Bundesstaat Kalifornien), wo er 1920 geboren wurde. Seine Mutter war Pianistin und brachte ihm schon früh das Klavierspielen bei. Er studierte zunächst Tiermedizin, änderte jedoch rasch seine Richtung und widmete sich fortan der Musik.
Zu seinen Professoren gehörte der französische Komponist Darius Milhaud, der ihn ermunterte, den damals bei vielen Weißen verpönten Jazz auszuprobieren. „Wenn ihr Amerika ausdrücken wollt, müsst ihr Jazz in euren Kompositionen haben“, diktierte der Meister. Die Freiheit des Improvisierens gefiel Brubeck so gut, dass er es nie wieder aufgab.
Mehrere Herzoperationen
Noch während des Studiums gründete er seine erste Band. Mit dem bald als „West Coast Cool“ bekannten Sound eroberte er die Konzertsäle der Universitäten in den USA - ein Zeichen dafür, dass der Jazz auf dem besten Wege war die „Schmuddelecke“ zu verlassen. „Jazz goes to College“ war nicht ohne Grund ein weiteres erfolgreiches Album. In führenden amerikanischen Clubs trat das „Dave Brubeck Quartet“ mit Stars wie Stan Getz, Charlie Parker und Dizzy Gillespie auf. Später tourte die Band, deren Besetzung öfter wechselte, um die Welt.
Vom „Original-Brubeck-Stil“ ließen sich nicht nur unzählige Kollegen beeinflussen, sondern auch seine fünf Söhne und eine Tochter, die alle professionelle Musiker wurden. Einen Sohn nannte er nach seinem französischen Lehrer Darius.
Nach mehreren Herzoperationen hat Brubeck selbst schon vor Jahren seine öffentlichen Auftritte reduziert, internationale Konzerte gibt er gar nicht mehr. Zu Hause aber ist er nicht vom Klavier weg zu bringen. „Er kann gar nicht aufhören zu spielen“, sagt sein Sohn Chris.
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