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Nur noch im europäischen Mittelfeld

Bei der Einschätzung der Verbreitung von Korruption zeigt Österreich eine starke Verschlechterung. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International (TI) hervor. Von Platz 16/18 ex aequo mit Barbados und Großbritannien im Jahr 2011 wurde es heuer nur noch Rang 25 von insgesamt 172 Plätzen.

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Für Österreich bedeutet der aktuelle Korruptionswahrnehmungsindex einen „deutlichen Ruck nach unten“, wie es die Vorsitzende von TI Österreich, Eva Geiblinger, formulierte. Mit 69 Punkten liegt Österreich gleichauf mit Irland und hinter den USA mit 73 und Frankreich mit 71 Punkten, aber auch hinter Chile und Uruguay mit jeweils 72 Punkten. Deutschland kommt mit 79 Punkten weltweit auf Platz 13.

Im Vergleich der EU-27 und anderer entwickelter demokratischer Industriestaaten in Europa, Nordamerika und Asien befindet sich Österreich damit nur noch im Mittelfeld, im Vergleich der früheren EU-15 und der angelsächsischen Demokratien sogar nur noch im unteren Drittel (nur die südlichen EU-Mitgliedsstaaten liegen hier noch schlechter).

Korruption öffentlich sichtbarer

Überrascht sind die Korruptionsbekämpfer über die Verschlechterung nicht, hätten doch diverse Korruptionsfälle im Beobachtungszeitraum 2011 die Medien gefüllt. „Wir bei TI erkennen durchaus an, dass nicht nur die Medien, sondern auch die Justiz sowie die Regierung und die Abgeordneten - mit dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zumindest im ersten Halbjahr 2012 - mittlerweile viel zur Aufdeckung von Korruption beigetragen haben“, meinte Geiblinger.

Als Ergebnis seien Ende Juni unter anderem „schwerwiegende Lücken“ im Korruptionsstrafrecht geschlossen und ein neues Parteiengesetz erlassen worden. Angesichts der bereits getroffenen Maßnahmen sieht TI auch Chancen für einen Aufwärtstrend. Zugleich fordert man weiterhin eine Neuordnung der Weisungsspitze für Staatsanwälte sowie konkrete Regeln für Informanten (Whistleblower).

Politik für Vergangenheit „bestraft“

Der Korruptionswahrnehmungsindex sagt freilich nicht direkt etwas über den Korruptionsgrad aus. Vielmehr wird durch Auswertung internationaler Untersuchungen ermittelt, wie stark Korruption wahrgenommen wird. Das ist in Zeiten, in denen ein Skandal den nächsten zu jagen scheint, naturgemäß recht ausgeprägt.

„Bis zu einem gewissen Grad wird die österreichische Politik auch für etwas bestraft, das teilweise in der Vergangenheit liegt“, meinte der Vizepräsident des TI-Beirats, Hubert Sickinger. Ironie am Rande: Mitte der 2000er Jahre lag Österreich auf Platz zehn. „Unverdient“, meint Sickinger - und tatsächlich haben ja einige Affären, die derzeit noch ihrer Aufklärung harren, genau in jenem Zeitraum ihren Ursprung.

Transparency sieht Chancen

Sickinger und sein Kollege im Beirat von TI Österreich, der frühere Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler, sehen aber einen Silberstreif am Horizont. Die Maßnahmen des Gesetzgebers könnten Österreich mittelfristig wieder weiter nach vorne verhelfen, wenn sie denn „glaubwürdig“ umgesetzt werden. Auch die tunlichst gründliche Erledigung der Altfälle werde die Korruptionswahrnehmung wohl positiv beeinflussen.

Weisungs- und Whistleblower-Regelung

Dennoch habe die Politik noch nicht alle Hausaufgaben gemacht, meint man bei TI. Fiedler trat einmal mehr vehement dafür ein, die Staatsanwaltschaften vom politischen Weisungsrecht zu befreien. Selbst wenn das Justizressort stets beteuere, dass es kaum Weisungen ausspreche und diese auch transparent mache, brauche es eine unabhängige Stelle. Die „oberste Weisungsspitze“ dürfe nicht im Ministerium angesiedelt werden.

Karin Mair, ebenfalls im Beirat und bei Deloitte im Forensikbereich tätig, konkretisierte die Forderung nach einer „umfassenden Regelung zum Schutz von Hinweisgebern in Korruptionsfällen“. Die Kronzeugenregelung habe sich bereits bewährt; was fehle, seien konkrete Mechanismen, um Hinweisgeber zu schützen, die nicht in potenzielle Korruptionsfälle verwickelt sind.

„Die meisten Whistleblower sind, kurz nachdem sie einen Hinweis gegeben haben, arbeitslos“, so Maier. Daher müsse der Whistleblower gesetzlich definiert werden, zudem brauche es einen konkreten Kriterienkatalog, welche Hinweise unter die Regelung fallen sollen. Auch ein Imagewandel sei nötig: Bisher würden Hinweisgeber oft noch als „Vernaderer“ gelten, dabei verdienten sie Respekt.

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