Wahlbeteiligung als Spiegel der Proteste
Der frühere sozialdemokratische Regierungschef Sloweniens, Borut Pahor, wird nach der Stichwahl am Sonntag neuer Präsident des Landes. Er erreichte in der zweiten Wahlrunde 67,4 Prozent der Stimmen, der bisherige Staatschef Danilo Türk kam auf 32,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 42 Prozent ein historisches Tief - wohl ein Ausdruck der derzeitigen politischen Krise Sloweniens.
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Die überraschende Niederlage des 60-jährigen Türk hatte sich nach der ersten Wahlrunde am 11. November und in späteren Umfragen angedeutet. Pahor war in der zweiten Runde Favorit, obwohl er den umstrittenen Sparkurs der Mitte-rechts-Koalition von Regierungschef Janez Jansa stützt.
Erstaunliches Comeback
Pahors Regierung war erst Ende 2011 wegen ihrer schmerzhaften Pensions- und Arbeitsmarktreformen durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden. Sein Wahlsieg ist damit ein fulminantes Comeback. Pahor ist der vierte Präsident des seit 1991 selbstständigen Sloweniens. Mit 49 Jahren ist er auch das jüngste slowenische Staatsoberhaupt. Der Wahlsieg macht ihn zum einzigen slowenischen Politiker, der alle hochrangigen Funktionen im Land innehatte, da er neben seinem Amt als Regierungschef auch bereits Parlamentspräsident war. Als Staatspräsident soll er am 23. Dezember vereidigt werden.
Pahor „überwältigt“
Pahor zeigte sich "überwältigt“ von der Wählerunterstützung. In seiner ersten Reaktion beteuerte Pahor das Leitmotiv seiner Kampagne, die Einigkeit. "Ich glaube daran, dass es kein Problem gibt, das man nicht gemeinsam lösen könnte“, sagte er unmittelbar nach der Veröffentlichung der Hochrechnung.

AP/Darko Bandic
Pahor will Brüche im Land kitten
Seinen Sieg sieht Pahor als den "Anfang von etwas Neuem, einer neuen Hoffnung, einer neuen Zeit“. "Wir brauchen das Vertrauen ineinander, gegenseitigen Respekt, Toleranz und die Bereitschaft, einander zuzuhören. Ungeachtet dessen, wie groß die Unterschiede zwischen uns sein mögen, die Sachen, die uns verbinden, sind stärker“, so Pahor.
Umstrittener Sparkurs
Slowenien durchlebt derzeit eine tiefe Wirtschaftskrise. Die EU-Kommission sagt für dieses Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,3 Prozent voraus, auch im kommenden Jahr soll die Wirtschaft des Euro-Landes demnach schrumpfen. Die Arbeitslosenrate in Slowenien liegt derzeit bei 11,6 Prozent. Regierungschef Jansa will mit seinem rigiden Sparkurs verhindern, dass Slowenien internationale Finanzhilfen beantragen muss.
Protestwelle rollt weiter
Der Wahlkampf war in der letzten Woche allerdings vor allem von den Bürgerprotesten überschattet worden. In mehreren Städten gingen die Menschen aus Protest gegen die politischen Eliten auf die Straße. Tausende drückten damit ihre Unzufriedenheit mit dem allgemeinen Zustand im Land, für das dem gesamten politischen Establishment in Slowenien die Schuld gegeben wird, und ihre Empörung über Korruptionsskandale von einzelnen Politikern aus.
Die Protestwelle, die vor einer Woche begonnen hat, nimmt keinen Halt. Neue Proteste wurden bereits am den Tag nach der Wahl in Ljubljana und Maribor angekündigt, und bei der Wahl drückte sie sich in der Beteiligung aus: Nicht einmal 42 Prozent der rund 1,7 Millionen stimmberechtigten Slowenen gaben ihre Stimme ab. Vor fünf Jahren waren es bei der Wahl noch 58,7 Prozent gewesen.
Türk in Umfragen noch voraus
Für den scheidenden Präsidenten Türk ist das Resultat umso enttäuschender, als er in den Umfragen konstant mit deutlichem Vorsprung vor seinem Herausforderer lag. Dabei sah es einige Zeit so aus, als ob er sogar die absolute Mehrheit erreichen könnte, die ihm eine Wiederwahl bereits in der ersten Wahlrunde garantiert hätte.
Der frühere UNO-Spitzendiplomat (1992 bis 2000 slowenischer UNO-Botschafter, 2000 bis 2005 Stellvertreter des damaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan für politische Angelegenheiten in Europa, Asien und Pazifik) galt vor fünf Jahren als unbeschriebenes Blatt im Präsidentschaftsrennen. Seitdem profilierte er sich eindeutig als linksgerichteter Politiker und Kritiker der Mitte-rechts-Regierung. Während des Wahlkampfs hat Türk seine oft scharfe Regierungskritik allerdings abgemildert.
Türk gratulierte seinem Herausforderer zum Wahlsieg. Er zeigte sich den slowenischen Wählern gegenüber dankbar, dass er vor fünf Jahren die einmalige Chance bekommen habe, der Präsident zu sein. "Ich habe diese Arbeit mit viel Freude, viel Schwung und großem Eifer ausgeübt. Ich glaube, dass ich sie auch gut ausgeübt habe“, sagte Türk. Wie er ankündigte, werde er "ein aktiver Bürger“ bleiben.
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