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Korruptionsverdacht als Auslöser

Seit einer Woche wird Slowenien von einer Protestwelle erfasst. Angefangen hat es mit einer Großdemonstration in der zweitgrößten Stadt Maribor, wo am Montag rund 10.000 Menschen gegen den kompromittierten Bürgermeister Franc Kangler protestierten. Nachdem die Demo mit gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei endete, gingen im ganzen Land die Menschen auf die Straße.

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Die Proteste richten sich gegen die slowenische politische Elite im Allgemeinen. „Alle zu der Versammlung gegen die Politiker, sowohl linke wie rechte, gegen verfressene Kapitalisten". So lautet die Einladung zu der Demonstration am Freitag in Ljubljana“. „Ihr seid fertig“, heißt das Leitmotiv der Proteste.

„Demokratisches Defizit“

„Das spontane Aufkeimen der Proteste zeigt, dass die Menschen seit längerem unzufrieden sind. Der Anfang scheint trivial zu sein, doch die Agenda der Proteste ist viel breiter. Es geht nicht mehr um Maribor und den dortigen Bürgermeister, sondern um die gesamte politische Gemeinschaft“, sagte der Politologieprofessor Ziga Vodovnik von der Fakultät für Sozialwissenschaften in Ljubljana zur Tageszeitung „Delo“.

Die Revolte stamme nicht aus partiellen Interessen heraus, der Aufstand sei nicht nur die Folge von Sparmaßnahmen, sondern die Folge des demokratischen Defizits, das sich in Slowenien in den letzten Jahren vertieft habe, so Vodovnik.

Bürgermeister nun politisch immun

Auch der angesehene Rechtsexperte Miro Cerar sieht die Gründe in den jüngsten politischen Ereignissen. „Die Menschen würden nicht auf die Straße gehen, wenn sich die Politiker in der Krise nicht unanständig benehmen würden“, sagte er in den Abendnachrichten des öffentlich-rechtlichen RTV Slovenija. Die Proteste seien eine demokratisch ausgedrückte Revolte gegen bestimmte politische Vorfälle gewesen.

Als in Maribor Bürgermeister Kangler, den mehrere Korruptionsanzeigen belasten, zum Mitglied des Staatsrats (zweite Parlamentskammer) gewählt wurde, sei das laut Cerar eine derartige Provokation gewesen, dass eine Reaktion zu erwarten gewesen sei. Kangler bekam durch die Wahl auch politische Immunität, die ihn vor der Strafverfolgung schützt. Hätte es keine Reaktion gegeben, dann wäre unsere Demokratie schon ganz eingeschläfert", so Cerar.

Etliche Anschuldigungen

Die Demonstranten forderten nun lautstark den Rücktritt des Bürgermeisters. "Schickt Kangler ins Gefängnis, nicht in den Staatsrat“, "Genug von Korruption, genug von Freunderlwirtschaft, genug vom Primitivismus“, hieß es bei den Demonstrationen. „Es ist der Höhepunkt aller Frechheiten, dass ein Krimineller die Immunität des Staatsrates bekommt“, sagte ein Stadtbewohner zu Journalisten.

Gegen Kangler gibt es etliche Anschuldigungen: Die Antikorruptionskommission stellte im Fall eines stadteigenen Unternehmens, des Pharmagroßhändlers Farmadent, systematisches korruptes und klientelistisches Verhalten des Bürgermeisters fest. Farmadent gehört den Apotheken (Lekarne Maribor), die wiederum von der Stadt Maribor gegründet wurden. Demnach soll Kangler den Vorstand des Unternehmens beeinflusst haben, verschiedene Geschäfte abzuschließen, aus denen Personen aus seinem Bekanntenkreis finanziell profitierten.

Gute Geschäfte für Freunde

Die Liste der Geschäfte, bei denen Kangler vermittelt haben soll, ist lang und reicht bis ins Jahr 2009 zurück. Ein Ex-Abgeordneter erhielt 2009 von Farmadent einen Beratungsvertrag von fast 100.000 Euro, wobei die Antikorruptionskommission feststellte, dass es sich bei den Produkten überwiegend um Plagiate handelte. Kangler soll auch einem Anwalt sowie einer Buchhaltungsfirma die Kooperation mit Farmadent ermöglicht haben.

Im Vorjahr wurde seine frühere Kabinettchefin als Prokuristin bei Farmadent eingestellt, was laut Medienberichten gesetzeswidrig und ohne Rechtsgrundlage war. Der Pharmagroßhändler gewährte auch mehrere Darlehen, darunter einem lokalen Fernsehsender im Besitz des früheren Vizebürgermeisters einen Kredit von 100.000 Euro.

Radarsystem sorgt für Wirbel

Auch die Empörung über ein neues Radarsystem im Straßenverkehr eskalierte dermaßen, dass bereits zehn im Oktober aufgestellte Radarsäulen in Brand gesetzt wurden. Dem Bürgermeister wird vorgeworfen, die Radargeräte nur zur Füllung der leeren Haushaltskasse aufgestellt zu haben. Umstritten ist auch der Vertrag mit einem Privatunternehmen, das die Radaranlagen in Betrieb genommen hat und als Gegenleistung eine 30 Millionen Euro schwere Modernisierung des Ampelsystems in der ganzen Stadt durchzuführen hat. Das Unternehmen erhält nämlich 92 Prozent der einkassierten Strafen.

Rücktritt ausgeschlossen

Der Bürgermeister, der die Korruptionsvorwürfe zurückweist, macht die linksgerichtete Opposition im Gemeinderat für die Proteste verantwortlich. "Die Linke will die Politik destabilisieren, indem sie Proteste organisiert“, sagte er in einem Interview.

Zurücktreten will Kangler nicht, dazu bestünden keine Gründe. Sein Rücktritt würde der Stadt Maribor nämlich "größeren Schaden zufügen, als sich manche vorstellen“, so Kangler. Er ließ jedoch mitteilen, dass er sich nicht mehr um eine neue Amtszeit bewerben wolle. Die jetzige Amtszeit, die in zwei Jahren ausläuft, wolle er zu Ende führen.

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