Tödlicher Kampf gegen den Schmerz
Laut Statistik sterben jährlich in 17 US-Bundesstaaten mehr Menschen an einer Überdosis verschreibungspflichtiger Medikamente als bei Verkehrsunfällen. Auch die Zahl der Schmerzmittelabhängigen hat sich in den letzten Jahren vervielfacht, warnt das US-Gesundheitsministerium, das bereits von einer „Epidemie“ spricht.
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Je mehr Schmerzmittel verschrieben werden, desto mehr Menschen werden davon abhängig. Wenn der legale Weg ausgeschöpft ist, etwa der Arzt keine weiteren Rezepte ausstellt oder die benötigte Dosis darüber hinausgeht, greifen Süchtige zu illegal gehandelten Medikamenten. Rund 15.000 Menschen sterben allein in den USA jährlich an einer Überdosis verschreibungspflichtiger Mittel. Damit hat sich die Todesrate in den letzten zehn Jahren verdreifacht, wie eine Studie der US-Behörde Centers of Disease Control and Prevention belegt.
In Amerika erreicht die Zahl der Konsumenten und Abhängigen von Schmerzmitteln Jahr für Jahr neue Rekorde. Die Zahl der verkauften Pillen hat sich in den letzten zehn Jahren weltweit vervierfacht und den Pharmafirmen einen Umsatz von elf Milliarden Dollar (8,5 Mrd. Euro) beschert. 80 Prozent des globalen Verbrauchs gehen auf das Konto von US-Bürgern.
Süchtige meist männlich, weiß und im mittleren Alter
Das Profil der typischen Betroffenen unterscheidet sich deutlich von jenem der Crack- und Kokainwelle in den 1980er und -90er Jahren. Waren die Süchtigen damals primär junge Amerikaner mit schwarzer Hautfarbe, ist der klassische Abhängige weiß, männlich und im mittleren Alter.
Aber auch Quelle und Verbreitungskette unterscheiden sich fundamental von jener der „harten“ Drogen, beschreibt der „Guardian“. Statt eines mexikanischen oder kolumbianischen Drogenkartells ist es meist ein Arzt, der den Abhängigen ihre Drogen verschafft. „Es hat mit dem ehrlichen Versuch der Mediziner begonnen, zu helfen“, erklärt der Arzt David Caraway gegenüber dem „Guardian“.
Man habe standardmäßig zur Schmerztherapie auf eine aggressive Behandlung mit Opioiden gesetzt - ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Das Problem habe erst begonnen sich auszuweiten, als die starken Schmerzmittel nicht nur in der Therapie wirklich schwerer Fälle als „letzter Ausweg“ eingesetzt wurden, sondern auch für die Behandlung chronischer Erkrankungen - als Dauerlösung.
Babys kommen mit Abhängigkeiten zur Welt
Der Missbrauch verschreibungspflichtiger Schmerzmittel durch Schwangere hat in den USA auch dazu geführt, dass immer mehr Babys mit einer Opiatabhängigkeit auf die Welt kommen. Die Zahl derartiger Fälle habe sich binnen zehn Jahre verdreifacht, hieß es in einer am Montag im „Journal of the American Medical Association“ veröffentlichten Studie. Der Anteil von Neugeborenen mit Entzugserscheinungen wie Atemproblemen, Krampfanfällen und Zuckungen, geringem Geburtsgewicht oder Reizbarkeit stieg demnach in den Jahren 2000 bis 2009 von durchschnittlich 1,2 Fällen je 1.000 Geburten auf 3,9 Fälle.
Die betroffenen Babys mussten der Studie zufolge nach ihrer Geburt durchschnittlich 16 Tage im Krankenhaus bleiben. Laut dem Bericht verfünffachte sich der Schmerzmittelmissbrauch durch werdende Mütter in dem Zeitraum. Durchschnittlich 60 bis 80 Prozent der betroffenen Neugeborenen zeigten Symptome eines postnatalen Entzugs.
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