Justizministerin unter Druck
In Bayern kommt nach Jahren Bewegung in den mehr als ungewöhnlichen Fall des heute 56-jährigen Gustl Mollath. Der hatte seinerzeit eine große deutsche Bank schmutziger Geschäfte beschuldigt, sitzt seit fast sieben Jahren in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung, die bayrische Justiz glaubte ihm nie. Doch nun könnte die ganze Causa neu aufgerollt werden.
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Zumindest wird die Liste derer, die glauben, dass in dem Fall nicht alles ganz sauber gelaufen ist, länger. Mollath macht auch mit Hilfe einer Unterstützergruppe auf einer Website auf sein Anliegen aufmerksam - Impressum: „Gustl F. Mollath, derzeit gegen seinen Willen festgehalten im Bezirkskrankenhaus Bayreuth“. Er wolle „Fairness“ und „ein entgleistes Justiz- und Regierungssystem wieder in die richtige Spur“ bringen.
Zur Vorgeschichte: Mollath, geboren 1956 und früher mit einer Vermögensberaterin der deutschen HypoVereinsbank (HVB) in Nürnberg verheiratet, hatte seinerzeit behauptet, dass diese für reiche Kunden in großem Stil Schwarzgeld in die Schweiz transferierte. Anfangs habe er selbst dabei geholfen, sagte der gelernte Maschinenschlosser - doch niemand glaubte ihm. Mollath hatte Briefe an die Staatsanwaltschaft und sogar an den damaligen bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) geschrieben.
„Keine Krankeneinsicht“
Nachdem ihn seine Frau beschuldigt hatte, sie geschlagen zu haben, wurde Mollath von Gutachtern eine psychische Krankheit attestiert. Er lebe in einer paranoiden Wahnwelt, sei gewalttätig und gefährlich, hieß es damals. Dazu zeige er „keine Krankeneinsicht“, zitierte die „Zeit“ aus einem Gutachten von damals. Mollath ist nun seit knapp sieben Jahren in unterschiedlichen psychiatrischen Abteilungen in Bayern im Maßregelvollzug untergebracht.
Doch nun könnte sich das Blatt wenden - aus mehreren Gründen: Zum einen, da die Zahl von Mollaths Unterstützern wächst und Bayerns Generalstaatsanwaltschaft um das Vertrauen in die Justiz fürchte und die zuständige Justizministerin Beate Merk (CSU) um ihren Job kämpfe, hieß es am Mittwoch. Zum anderen sei da - und das scheint ganz wesentlich - ein interner Bankenbericht, der zu dem Schluss komme, dass es seinerzeit tatsächlich unsaubere Geschäfte gab. Der Bericht war erst vor wenigen Monaten aufgetaucht.
Gericht könnte Causa wieder aufrollen
Bis dato ist allerdings unklar, wann und ob Mollath tatsächlich die Psychiatrie verlassen kann. Ein Sprecher des Oberlandesgerichts Bamberg erklärte am Mittwoch, dass derzeit das Gericht wieder über den Fall berate. Mollaths Verteidiger hatten vor ein paar Monaten zum wiederholten Mal die Freilassung beantragt und waren - wie x-mal davor - gescheitert.
Doch nun machte die Generalstaatsanwaltschaft ein Zugeständnis: Falls das Oberlandesgericht ein weiteres Mal die Freilassung ablehnt, werde ein neuer und externer Gutachter beauftragt, der bisher noch nichts mit dem Fall zu tun hatte. Zu diesem ungewöhnlichen Schritt entschloss sich die Behörde wegen des Verdachts, Mollath könnte ein Justizopfer sein - das Vertrauen in die Justiz drohe inzwischen Schaden zu nehmen, erklärten die Staatsanwaltschaft in München.
Kräftige Wellen auch außerhalb der Justiz
Doch der Fall schlägt mittlerweile auch außerhalb der Justiz Wellen und belastet die bayrische Landesregierung. Deren Rolle erscheint wie die der Justiz, die Mollath nie ernst genommen hat, zumindest nicht sonderlich glücklich. So soll die bayerische Justizministerin Merk im Landtag nach Einschätzung der Opposition bewusst Falsches über Mollath gesagt haben. Es gibt Rücktrittsforderungen an die CSU-Ministerin, außerdem steht eine mögliche Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Raum. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) beobachtet die Causa genau.
Doch trotz des Dauerbeschusses rückt Merk nicht von ihrer Haltung ab. Für sie ist Mollath kein Justizopfer, sondern ein Mann, vor dem die Öffentlichkeit geschützt werden muss. Im ZDF-„Morgenmagazin“ verwies Merk am Mittwoch darauf, dass die Zwangseinweisung bisher jeder juristischen Überprüfung standgehalten hat. Selbst der deutsche Bundesgerichtshof bestätigte die Rechtmäßigkeit.
Oder doch kein Justizopfer und Unschuldslamm?
Es scheint tatsächlich auch guten Grund zu geben, Mollath für gefährlich zu halten. In dem Verfahren zu seiner Einweisung kam das Nürnberger Landgericht 2006 zu dem Ergebnis, dass er seine Frau grundlos mehrfach auf den gesamten Körper geschlagen, sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und mit den Füßen getreten hatte. Auch eine Freiheitsberaubung und Reifenstechereien hielt das Gericht für erwiesen.
Mollath bestreitet diese Vorwürfe. Nach seinen Angaben will er seiner Frau zu Beginn noch bei ihren Schwarzgeldfahrten in die Schweiz geholfen haben, diese später aber aus Gewissensbissen abgelehnt haben. Bald zerstritt sich das Paar, die Ehe scheiterte und Mollath begann, die Schwarzgeldvorwürfe zu veröffentlichen. Weil dem Psychiatriepatienten niemand glaubte, sind diese juristisch inzwischen verjährt.
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