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Pfusch an der englischen Sprache?

Das Oxford English Dictionary steht im Medieninteresse - aber nicht wie sonst, weil wieder interessante oder witzige Neologismen aufgenommen wurden. Im Gegenteil: Jetzt ist eine Debatte darüber entstanden, welche Wörter in der Vergangenheit entfernt wurden. Besonders ein Redakteur entfernte vor rund 30 Jahren Tausende alte Einträge.

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Sarah Ogilvie, ehemalige Redakteurin des Oxford English Dictionary (OED), hat sich der Monsteraufgabe angenommen zu erforschen, nach welchen Kriterien von 1884 an Wörter ihren Weg in die britische Sprachbibel fanden. Elf Jahre arbeitete sie an ihrer Studie „Words of the World“, die nun in der Cambridge University Press erschien und vom britischen „Guardian“ aufgegriffen wurde. Ogilvie trat an, ein altes Vorurteil auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Seit jeher hatte es geheißen, dass die Redakteure der ersten fünfzig Jahre england- und queenfixierte Pedanten gewesen seien, deren Englisch wenig mit dem der vielen Millionen anglophoner Menschen in aller Welt zu tun hatte. Erst Robert Burchfield soll das Dictionary zwischen 1972 und 1986 für ein weiter gefasstes Verständnis von Sprache geöffnet haben. Ogilvie behauptet: Kein Wort davon ist wahr - sondern das Gegenteil.

Die Pioniere wagten das Sakrileg

Es muss in den ersten fünfzig Jahren aufregend gewesen sein, für das Wörterbuch zu arbeiten, sagte die Forscherin gegenüber dem „Guardian“. Damals habe sich in den Kolonien so viel getan, aus dem britischen Englisch seien neue Sprachen entstanden. Die Redakteure des Wörterbuchs hätten diese damals jungen, frischen Entwicklungen in ihren Einträgen abgebildet - durchaus experimentierfreudig, offen und erhellend.

Die Linguisten seien damals sogar heftig für ihre Haltung kritisiert worden. In einer Besprechung des OED im 19. Jahrhundert hatte es geheißen: „Es gibt kein sichereres und tödlicheres Zeichen für den Untergang einer Sprache als die Aufnahme barbarischer und fremder Wörter.“ Die Redakteure hatten Wortabwandlungen und Neuschöpfungen aus Ländern wie Vietam, Mexiko und Neuseeland aufgenommen und auch fremdsprachige Ausdrücke, die in englischsprachigen Gegenden verwendet werden, integriert.

Ein Wörterbuch für die Ewigkeit?

Das Oxford English Dictionary bildete also auch die Geschichte der Entwicklung der Sprache im gesamten anglophonen Raum ab - bis Burchfield kam, kritisiert Ogilvie - ausgerechnet jener Redakteur, der es sich in Interviews mit Journalisten auf die Fahnen heftete, das starre Sprachlexikon liberalisiert zu haben. Die Journalisten prüften nicht lange nach. Sie bermerkten, dass Burchfield das eine oder andere Schimpfwort aufgenommen hatte - und glaubten ihm.

Zahlreiche Lehnwörter gestrichen

Ogilvie glaubt Burchfield, der 2004 im Alter von 81 Jahren verstarb, nicht. Das mit den Schimpfwörtern stimmt zwar - aber die von ihm behauptete Öffnung des OED habe nicht stattgefunden. Burchfield strich - offenbar aus persönlichem Gutdünken und ohne weitere Absprachen - 17 Prozent der Lehnwörter aus anderen Sprachen und der Neologismen aus fernen Ländern aus dem Wörterbuch - und er fügte weit weniger als andere Kollegen hinzu.

Ein Sprecher des OED bestritt das gegenüber dem „Guardian“. Burchfield sei sehr wohl der Meinung gewesen, dass sich das Wörterbuch öffnen müsse, habe aber einiges entfernt, um Platz für Neues zu schaffen. Auch er habe viele tausend wissenschaftlich abgesicherte neue Einträge internationaler Natur gemacht. Die Regeln, was aufgenommen wird und was nicht, hätten sich im Lauf der 180-jährigen Geschichte des Wörterbuchs eben immer wieder geändert.

„New Yorker“ nimmt Burchfield in Schutz

Auch der „New Yorker“ nimmt Burchfield gegen die im „Guardian“-Artikel knapp zusammengefasste Kritik Ogilvies in Schutz. Es sei ein Missverständnis, dass Burchfield das Wörterbuch nur erweitern habe sollen. Es sei vielmehr um eine überarbeitete Neuauflage gegangen. Dabei sei viel entfernt worden - und tatsächlich besonders Lehnwörter aus ferneren Ländern.

Wenn man sich aber die Streichungen und Neueinträge Burchfields ansehe, sei der Schluss, Burchfield habe etwas gegen solche Wörter gehabt, nicht zulässig. Auch bei seinen Ergänzungen fänden sich solche Einträge. Allerdings sei der Redakteur unter großem Druck gestanden. Er hätte eigentlich nur einen Band verfassen sollen - es wurden daraus aber vier, und er verpasste seine Deadline um viele Jahre. Dennoch sei noch immer zu wenig Platz gewesen, und Burchfield habe somit die schwierige Entscheidung treffen müssen, was entfernt werden soll.

Scrabble-Spieler doch keine Opfer

Als historisch-linguistische Quelle fallen die Ausgaben der letzten Jahre jedenfalls aus. Aber die vermeintlichen Opfer von Burchfields Streichungen können aufatmen, nämlich englischsprachige Scrabble-Spieler, die ausgefallene alte Wörter brauchen, um möglichst viele Punkte zu machen. Für sie wurden - zunächst einmal nur online - sämtliche Streichungen Burchfields wieder ins OED aufgenommen.

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