Regierung will Eskalation vermeiden
Nach massiven Protesten gegen den Machtausbau Mohammed Mursis hat das ägyptische Präsidialamt bekräftigt, die umstrittenen „Alleinherrscher-Dekrete“ seien nur vorübergehender Natur. Mit allen politischen Kräften solle eine gemeinsame Basis für eine neue Verfassung gefunden werden, erklärte Mursis Amt am Sonntag.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die Anordnungen seien als notwendig erachtet worden, um Korruption und Verbrechen aus der Regierungszeit von Ex-Präsident Hosni Mubarak und in der Übergangsphase zu ahnden. Mursi hatte unter anderem per Dekret den Weg dafür geebnet, dass Prozesse gegen den bereits verurteilten Mubarak und dessen Getreue wieder aufgerollt werden können. Er hatte zudem seine Anordnungen bis zur nächsten Parlamentswahl juristisch unanfechtbar gemacht.
Justizminister will vermitteln
Mursis Dekrete hatten in der Justiz des Landes einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Am Sonntag bemühte sich die Regierung erstmals sichtbar um Schlichtung. Justizminister Ahmed Mekki vermittle zwischen Vertretern der Regierung und der Justiz, berichtete das Staatsfernsehen. Mekki berief demnach ein Treffen am Sitz des Obersten Gerichts in Kairo ein. Der Minister selbst hatte zuvor signalisiert, er habe gewisse Vorbehalte gegen Mursis Dekrete.
Mursis Erlass macht seine Entscheidungen de facto unangreifbar. Neben der Empörung säkular eingestellter Bevölkerungskreise hatten die Dekrete auch unter den Richtern des Landes einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, weil Mursis Anordnungen so bis zur nächsten Parlamentswahl juristisch unanfechtbar werden könnten. Als Reaktion traten die meisten Richter und Staatsanwälte am Wochenende in Streik - bis zur Rücknahme der Dekrete.
Gerichtsrat kontert mit eigener Interpretation
Nach Meinung des Obersten Gerichtsrates - der höchsten Justizbehörde Ägyptens - ist Streik ohnehin das falsche Mittel des Protests. Der Rat konterte am Sonntag im Gegenteil damit, dass er Mursis Dekrete auf seine Art interpretierte: Der Rat erklärte, der Geltungsbereich der neuen Dekrete erstrecke sich nur auf präsidentielle Erlässe und außenpolitisch wirksame Entscheidungen. Zudem wurden die Richter aufgefordert, ihren Streik zu beenden. Bereits zuvor hatte der Rat Mursis Anordnungen als beispiellosen Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz gebrandmarkt.
Auch Juristen mit fragwürdigen Motiven
Aus strikt juristischer Sicht ist die Interpretation des Gerichtsrates gewagt: Der aus der islamistischen Muslimbruderschaft hervorgegangene Mursi hatte am Donnerstag etwa auch bestimmt, dass die verfassungsgebende Versammlung und das Oberhaus juristische Immunität genießen. Damit werden die von Islamisten dominierten Gremien vor Klagen geschützt. Die Motivation des Gerichtsrates ist zudem genauso zu hinterfragen wie jene Mursis.
Neben dem Militär war die Justiz und dabei vor allem der Gerichtsrat unter dem früheren Präsidenten Mubarak eine der zentralen Machtbasen des Regimes. Zum Teil sind Mubaraks frühere Vertraute immer noch im Amt. Laut Experten zeigen Mursis Dekrete gerade den Argwohn der Muslimbrüder gegenüber der Justiz. Unbestritten ist ebenso, dass die Muslimbrüder ihre Macht nützen, um Kritiker mundtot zu machen. Nun will Mursi aber auch auf den Gerichtsrat zugehen: Ein Treffen am Montag wurde vereinbart.
Links: