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„Vielseitige Persönlichkeitsstörung“

Am vierten und letzten Verhandlungstag im Mordprozess gegen die frühere Eissalonbesitzerin Estibaliz C. ist am Donnerstag nochmals die Persönlichkeit der Angeklagten im Mittelpunkt gestanden. Die psychiatrische Sachverständige Adelheid Kastner beschrieb dabei - in teils drastischen Worten -, was vor den beiden Morden, die der 34-jährigen C. zur Last gelegt werden, in deren Kopf vorgegangen war.

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C. sei in ihren früheren Beziehungen grundsätzlich nicht glücklich gewesen. Eine herkömmliche Trennung, ein Verlassen der Männer sei ihr allerdings nicht möglich gewesen, so die Sachverständige vor dem Wiener Landesgericht für Strafsachen. Das habe sie „nicht gelernt“, so Kastner. „Dieser Weg war für sie nicht unmittelbar gangbar.“ Die Psychiaterin attestierte der Angeklagten eine „gravierende, umfassende, vielgestaltige Persönlichkeitsstörung“. C. setze das, was sie will, für absolut: „Das ist Narzissmus pur.“

„Aus-dem-Weg-Räumen als Lösung“

In ihrer Ehe mit dem ersten Mordopfer, dem Deutschen Holger H., habe C. „leider erleben müssen, dass die Rechnung wieder nicht aufgegangen ist“. Der Mann sei nicht so gewesen, wie sie es sich erwartet hätte. C. hätte von ihm „pausenlose Bestätigung“ für ihr Selbstwertgefühl gebraucht, diese aber nicht erhalten, sagte die Gutachterin. In ihrem Denken habe H. das freie Leben mit einem anderen blockiert, „indem er einfach da war. Das Problem war, dass er einfach dasaß, und sie hat keine Möglichkeit gesehen, ihn vom Dasitzen wegzubringen.“

In dieser Situation sei C. „die Tötung, das Aus-dem-Weg-Räumen dieses Menschen“ als Lösung erschienen, so die Gutachterin. Diese Möglichkeit habe die Frau längere Zeit „durchgespielt“ und von einer Fantasie zur „Gewissheit“ entwickelt. Laut Kastner lag eine „trichterförmige Einengung auf eine absehbare Tat“ vor: „Es war eine Welle, die kommt und immer stärker wird.“ Die Tat an sich habe die Angeklagte zielgerichtet vollbracht. „Sie verliert nicht den Kopf. Sie verliert sich in Emotionen“, sagte die Psychiaterin über C.

Erster Mord: Erfahrung, „dass sie dazu fähig ist“

Ähnlich gefangen habe sich die Angeklagte bei ihrem späterem Lebensgefährten und zweiten Mordopfer Manfred H. gefühlt. Wiederum sei sie an einen Mann gebunden gewesen, „der ihr beileibe nicht das geboten hat, was sie gebraucht hat“, so Kastner. Manfred H. habe der Frau immer mehr Nähe und Zuwendung entzogen. Erneut sei „die Welle“ mit der Tötungsfantasie gekommen: „Nach der ersten Tötung war Frau C. bewusst, dass sie dazu fähig ist. Sie war beim zweiten Mal ganz sicher nicht mehr überrascht, dass sie dazu fähig ist.“ Im Unterschied zum ersten Mal habe sie sich auf die Tötung Manfred H.s vorbereitet und die Folgen der Tat „wesentlich rascher und effizienter bereinigt.“.

Laut Kastners Gutachten hatte sich C. zum Zeitpunkt der ihr zur Last gelegten Taten nicht „in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand“ befunden. „Es ist keine Ursache fassbar, warum sie zurechnungsunfähig sein sollte. Es war ihr immer klar, was Recht und Unrecht ist“, sagte die Gutachterin, die der Angeklagten damit keinen Schuldausschließungsgrund bescheinigte. Die erste wie die zweite Tat sei „ganz klar kein Affektdelikt“ gewesen. Die Gutachterin bescheinigte der 34-Jährigen eine ausgesprochen düstere Zukunftsprognose. Eine „weitere Tatbegehung“ liege bei ihr „bei realistischer Betrachtung nahe“.

Schwierige Familie, nur unglückliche Beziehungen

C. sei in einem schwierigen familiären Umfeld aufgewachsen. „Frauen waren die, die zu gehorchen hatten. Die Männer bestimmten, was geschah.“ Den Vater habe männliche Dominanz ausgezeichnet. Ihm sei eine unterwürfige, dankbare Mutter gegenübergestanden, so Kastner weiter. Aus dieser Konstellation habe C. gelernt, man müsse für Männer möglichst attraktiv sein, um den Partner halten zu können: „Man muss ihn mit entsprechendem Liebreiz bedienen.“ Die Angeklagte habe diese „Rechenformel“ für sich regelrecht verinnerlicht und sich in weiterer Folge immer wieder „getrieben von der eigenen Bedürftigkeit den Nächstbesten genommen“, erläuterte Kastner.

Den Richtigen habe C. aber nicht gefunden: „Es ist unglaublich, in wie viele defizitäre Partnerschaften die Frau geraten ist.“ Sie habe vergeblich „bedingungslose Akzeptanz als Gegenleistung für bedingungslose Unterwerfung erwartet“. C. wird in dem Verfahren von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, ihren Ex-Ehemann Holger H. und später ihren Lebensgefährten Manfred H. ermordet, zerstückelt und in Beton gegossen zu haben. Die Leichen der beiden Männer wurden im Zuge von Umbauarbeiten 2011 im Keller des Eissalons „Schleckeria“ in Wien-Meidling in Tiefkühltruhen gefunden.

Geburt und Heirat in der Haft

C. war als Au-pair nach Deutschland gekommen, wo sie ihren späteren Ehemann kennenlernte und 2007 heiratete. Das Paar zog nach Wien, wo die beiden den Eissalon im zwölften Bezirk eröffneten. Nachdem sich die Beziehung verschlechtert hatte, ließen sich C. und Holger H. scheiden. 2008 erschoss die heute 34-Jährige ihren Ex-Mann laut eigener Aussage mit einer Pistole.

Auch ihren neuen Lebensgefährten Manfred H., einen Eismaschinenvertreter, tötete C. nach einem Streit im November 2010 mit mehreren Schüssen. C. floh zunächst nach Italien und wurde dort im Juni 2011 festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war die Frau im zweiten Monat von einem weiteren Mann schwanger, im Jänner gebar sie einen Buben und heiratete den 47-jährigen Vater des Kindes im März in der Justizanstalt Wien-Josefstadt.

„Brandgefährliche Frau“

Staatsanwältin Petra Freh nannte die C., die die spanische und die mexikanische Staatsangehörigkeit besitzt, eine „eiskalte, brandgefährliche Frau“. Ihr Verteidiger Rudolf Mayer sagte, seine Mandantin sei „ein schwer gestörter Mensch, der sich nicht ausgesucht hat, gestört zu sein“. Bei dem Prozess wurden Dutzende Zeugen und mehrere Sachverständige gehört.

Der Prozessauftakt am Montag war von enormem Medieninteresse begleitet. C. bekannte sich zum Auftakt des Verfahrens schuldig, die Morde hatte sie bereits in Verhören mit der Polizei gestanden. Als Begründung gab sie an, „schwierige Beziehungen“ zu den Männern gehabt zu haben. Es sei „alles falsch“ gewesen, was sie getan habe, sagte C. am ersten Verhandlungstag. Sie versuche allerdings nichts zu beschönigen.

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