Die neue Rolle des Robbie Williams
In einem Telefoninterview mit ORF.at sagt Robbie Williams, dass er anfange, diesen Platz hier, den man Erde nennt, zu mögen: Kein Wunder - er ist frischgebackener Vater und Nummer eins in den Charts. Davor war Williams’ Leben eine „Achterbahnfahrt“, wie er sagt. Heute schlägt er weit leisere Töne an als früher.
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ORF.at: Sie sind gerade Vater geworden - und haben jetzt auch noch den lange erwarteten Nummer-eins-Hit gelandet. Wie geht es Ihnen zurzeit?
Williams: Ich bin sehr zufrieden, sehr glücklich. Die Dinge laufen gut. So wie es aussieht, werde ich in meinem Alter noch anfangen, diesen Platz hier, den man Erde nennt, zu mögen - und gerne hier zu sein.
ORF.at: Sie wachen mit einem Lächeln auf?
Williams: Ja! Auf jeden Fall.
ORF.at: In Ihren neuen Songs scheinen Sie Resümee zu ziehen. „I’m half as old as you and have lived twice your life“, heißt es etwa. Ist das Partyleben jetzt endgültig vorbei - mit Ihrer jungen Familie?
Williams: Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Irgendwie ... Ich weiß nicht, wie ich diese Frage beantworten soll, ohne später Probleme zu bekommen! Also - das Partyleben ist nicht vorbei. Aber ich bin ein bisschen ein Eremit. Schon seit sieben, acht Jahren gehe ich nicht wirklich aus. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal mehr, was eine Party ist. Es fühlt sich nach Party an, wenn ich mit meiner Frau zusammen bin, auch wenn sich das jetzt kitschig anhört. Ich sitze auf der Couch, schaue fern, bin ein Vater und Ehemann - und das fühlt sich richtig gut an. Das ist es, was ich heute unter Party verstehe.
ORF.at: Sie sind ja im Großen und Ganzen von Ihrer Mutter alleine aufgezogen worden. Hatten Sie Angst, Vater zu werden, weil Sie in dieser Hinsicht kein Vorbild hatten?
Williams: Das Fehlen eines Rolemodels hatte sicher etwas damit zu tun. Ich hatte Angst vor dem Heiraten und Angst davor, Vater zu werden. Keines von beiden wollte ich. Ich würde sagen, wenn wir uns jetzt auf Amateurpsychologie einlassen wollen: Dass mein Vater nicht viel um mich herum war als Kind, hatte sogar sehr viel damit zu tun, dass ich nicht heiraten und kein Papa werden wollte.
Ich habe ja, während ich aufgewachsen bin, überhaupt keine funktionierenden Beziehungen zwischen Mann und Frau gekannt. Ich habe kaum oder eigentlich keine einzige Beziehung gesehen, in der ich gerne ein Partner gewesen wäre. Alle schienen immer nur zu streiten und auf Kosten des Partners gewinnen zu wollen. Es hat nicht wirklich nach Spaß ausgesehen, in einer Beziehung zu sein. Das hat sich aber alles geändert, als ich eine Person gefunden habe, mit der ich wirklich zusammenpasse. Sie hat mich viel gelehrt. Ich war davor noch nicht bereit, zu heiraten oder Vater zu werden. Heute liebe ich beides und bin froh, mich auf beides eingelassen zu haben.
ORF.at: Sie haben einmal mit Nicole Kidman „Something Stupid“ aufgenommen. Der Song wurde auch von Frank Sinatra gemeinsam mit seiner Tochter Nancy gesungen. Würde da ein Traum für Sie wahr werden: einmal gemeinsam mit Ihrer Tochter auf der Bühne zu stehen?
Williams: Nein, da würde kein Traum wahr werden. Wobei - ich weiß nicht. Es kommt darauf an. Wenn sie in die Unterhaltungsindustrie gehen möchte, dann ist das okay für mich. Das ist besser als ein „normaler“ Job. Es macht mehr Spaß. Ich würde hoffen, dass sie ein professioneller Mensch wird, was auch immer das bedeutet. Vielleicht managt sie ja irgendwann ihren Vater. Wer weiß? Lieber wäre es mir eigentlich, sie würde mich managen, als mit mir zusammen zu singen.
ORF.at: Sie hatten im Laufe Ihrer Karriere nicht nur Spaß - es gab viele Ups, aber sicher auch viele Downs. Dennoch würden Sie Ihrer Tochter nicht abraten, ins Showbusiness zu gehen?
Williams: Ich glaube, ich hätte auf jeden Fall viele Ups und Downs gehabt, ganz egal, ob ich Musiker geworden wäre oder Straßenkehrer. Ich kann mir jetzt eben bessere Downs leisten als andere.
ORF.at: Wünschen Sie nie, Ihre Mutter hätte Sie damals nicht zu diesem Casting für Take That gebracht?
Williams: Nein, niemals. Ohne den Schatten eines Zweifels: Wenn ich noch einmal jung wäre, ich würde alles noch einmal genauso machen. Wenn es Wiedergeburten gibt, dann war dieses Leben eine absolute Explosion, eine Achterbahnfahrt. Ich hätte mir nicht mehr wünschen können. Es war aufregend, es war dramatisch, frustrierend, unglaublich. Es war die umwerfendste Erfahrung. Das alles hätte ich nicht gehabt, wenn meine Mutter mich nicht zu diesem Casting gebracht hätte.
ORF.at: Viele Musiker sind heute von der Musikindustrie frustriert. Amanda Palmer hat ihr neues Album über das Internet mit Kickstarter finanziert. Andere Musiker verschenken MP3-Files ihrer Lieder und verkaufen nur noch LPs und hochwertige Kopien der Songs. Haben Sie jemals daran gedacht, Ihre eigenen Wege zu gehen und das „Big Business“ zu verlassen?
Williams: Nein, ich habe nicht überlegt, hier meinen eigenen Weg zu gehen. Es gab den Punkt, an dem wir damit gedroht haben und es auch hätten tun können. Aber ich bin ganz froh über den Deal, den ich jetzt habe. Ich bin auch froh, Universal hinter mir zu haben. Sie sind der größte Fisch im Teich momentan. Ich bin auch sehr zufrieden mit meinem Team. Zumindest in den nächsten zwölf Monaten habe ich also nicht vor, etwas zu ändern.
ORF.at: Das Musikbusiness ist doch ein sehr oberflächliches. Die vermeintliche Persönlichkeit von Stars wird oft eher vermarktet als ihre Musik. Sie sind doch zur Selbstironie fähig, wenn man sich etwa das Cover des neuen Albums ansieht. In Interviews zeigen Sie sich ebenfalls selbstreflexiv. Wie passen Sie in dieses Business? Wie haben Sie bis jetzt überlebt? Was sind Ihre Strategien?
Williams: Es gibt da keine wirkliche Strategie. Alles war so etwas wie ein „glücklicher Fehler“. Hätte ich da eine bestimmte Strategie entwickelt, wäre das schiefgegangen. Gott sei Dank habe ich ein gutes Management. Ich selbst treffe nicht immer die besten Entscheidungen. Hätte man mich mir selbst überlassen, wäre ich ganz woanders gelandet als dort, wo ich jetzt stehe. Ich glaube, Popstars und Bands haben alle ihre ganz eigene Identität. Sogar wenn eine Band von sich behauptet, sie habe kein Image - dann ist eben genau das ihr Image. Ich habe meinen Job selbst stets genauso gesehen, wie es in dem Song heißt: zu unterhalten. Das ist eben meine Disziplin in der Popolympiade. Ich möchte Menschen gut unterhalten.
Wenn ich im Fernsehen auftrete, möchte ich etwas zeigen, was sonst niemand zeigt. Wenn ich spreche, möchte ich etwas sagen, was sonst niemand sagt. Ich möchte meine Auftritte so gestalten, wie es sonst niemand tut. Das sehe ich als meinen Job an. Ich habe da großes Glück: Bei vielem, was ich getan habe, haben Menschen gesagt: „Ja, daran glauben wir, das wollen wir in unserem Alltag nicht missen.“ Ich kann das nicht quantifizieren. Ich weiß nicht, warum es passiert ist oder wie. Ich weiß nur: Ich stehe auf und ziehe mein Ding durch, und die Menschen mögen es. Je mehr ich darüber nachdenke, was genau sie mögen, desto schwieriger wird es, eine Antwort darauf zu finden. Ich sage gerne: „Du starrst in den Abgrund, und der Abgrund starrt zurück.“
Ich weiß also nicht, was meinen Erfolg ausmacht. Aber ich bin froh, dass es mich noch immer gibt und dass sie mich immer noch wollen. Ich bin einfach ein Glückskind.
Das Gespräch führte Simon Hadler, ORF.at
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