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Israel erwägt Massenmobilisierung

Die israelische Luftwaffe hat ihre Angriffe auf Ziele im Gazastreifen in der Nacht auf Samstag wieder verschärft. Nach palästinensischen Angaben bombardierte sie mehrfach die Zentrale der Hamas-Regierung in Gaza-Stadt.

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Die israelische Luftwaffe habe den Sitz von Ministerpräsident Ismail Hanijeh beschossen, teilte auch ein israelischer Armeesprecher in der Nacht mit. Insgesamt hätten die Angriffe 85 Terrorzielen gegolten, darunter Werkstätten zum Bau von Raketen, hieß es weiter. Weitere Ziele waren die Polizeizentrale der Hamas im Westen von Gaza-Stadt, das im Norden der Stadt gelegene Hauptquartier der Inneren Sicherheit sowie das Haus eines Vertreters des Innenministeriums im Flüchtlingslager Dschabalja. Allein am Samstag feuerte Israel 200 Raketen in den Gazastreifen.

Acht Tote allein in dieser Nacht

Bei den Luftangriffen wurden laut palästinensischen Rettungskräften mindestens zehn Palästinenser getötet. Drei von ihnen seien Mitglieder des bewaffneten Arms der Hamas gewesen, teilten palästinensische Sicherheitskräfte mit, unter den Toten sei auch der Militärchef für den mittleren Abschnitt des Gazastreifens, Ahmed Abu Dschalal. Demnach hielten sie sich zum Zeitpunkt des Angriffs in einem Flüchtlingslager im Zentrum des Gazastreifens auf. Weitere Personen wurden Rettungskräften zufolge bei zwei Angriffen auf den Süden des Gazastreifens getötet.

Zerstörtes Regierungsgebäude in Gaza

Reuters/Suhaib Salem

Vom Regierungssitz ist nach dem Luftangriff nur noch Schutt übrig

Hamas gab sich auch am vierten Tag israelischer Luftangriffe kämpferisch: „Israel wird einen hohen Preis für seine Verbrechen zu zahlen haben. Wir schwören Rache für Tod und Schrecken, die die Besatzer über unsere Menschen bringen“, hieß es in einer am Samstag verbreiteten schriftlichen Mitteilung des Hamas-Sprechers Sami Abu Suhri. Nach Angaben der Hamas und von Bewohnern legten die israelischen Bombardements Hanijehs Amtssitz in Schutt und Asche und beschädigten mehrere benachbarte Häuser - erste Bilder unterstreichen diese Angaben.

Kurz nach Besuch von Ägyptens Premier

Vor dem Amtssitz hatten führende Hamas-Mitglieder Freitagfrüh noch den ägyptischen Premier Hischam Kandil zu einem kurzen Solidaritätsbesuch im Gazastreifen empfangen. Eigentlich wollte Kandil zwischen den beiden Seiten schlichten und für einen Waffenstillstand werben. Doch eine für den Besuch verabredete Feuerpause hielt nicht, Kandil beendete ihn daraufhin vorzeitig.

Israel bombardiert seit Mittwoch massiv Hunderte von Zielen in dem Gebiet am Mittelmeer. Nach eigenen Angaben griff Israel bisher mehr als 800 Ziele im Gazastreifen an. Militante Palästinenser feuerten zeitgleich etwa 600 Raketen und Granaten Richtung Israel. Am Freitag hatten Raketen erstmals auch die Großräume von Jerusalem und Tel Aviv erreicht. 82 weitere wurden durch die Raketenabwehr abgefangen.

Als Schutz vor den Raketenangriffen hat Israel mit Hilfe der USA ein mehrstufiges Verteidigungssystem installiert. Es soll das Land mit moderner Technik vor Kurz-, Mittel- und Langstreckenwaffen bewahren. Die Abwehrtechnik gegen Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 70 Kilometern heißt „Iron Dome“ (Eisenkuppel). Sie kommt bereits gegen Raketen zum Einsatz, die vom Gazastreifen aus abgefeuert werden.

Nach Hamas-Angaben wurden seit Beginn der israelischen Luftangriffe im Gazastreifen bisher 38 Palästinenser getötet, 17 Soldaten und 21 Zivilisten, darunter acht Kinder und eine schwangere Frau. Auf israelischer Seite starben am Donnerstag drei Zivilisten durch eine Rakete.

Vorbereitung auf Bodenoffensive

Im Konflikt mit der radikalislamischen Hamas bereitet sich Israel mittlerweile auf eine mögliche Bodenoffensive vor. Dafür will Verteidigungsminister Ehud Barak statt 16.000 nun bis zu 75.000 Reservisten zu den Waffen rufen, wie aus politischen Kreisen verlautete. Beim letzten großen Militärangriff auf Gaza - der Operation „Gegossenes Blei“ zum Jahreswechsel 2008/2009 -, als ebenfalls Bodentruppen in den Gazastreifen einmarschierten, wurden lediglich 10.000 Reservisten mobilisiert. Selbst beim zweiten Libanon-Krieg waren weniger Reservisten mobilisiert wurden.

Nahe der Grenze zum Gazastreifen fuhren Panzer und Panzerhaubitzen auf. Die israelische Armee sperrte drei Straßen für den zivilen Verkehr, die zu dem Küstenstreifen führen oder an ihn grenzen.

Raketenabwehr bei Tel Aviv stationiert

Das israelische Militär hat angesichts der Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf den Großraum Tel Aviv ein Raketenabwehrsystem bei der Stadt stationiert. Es handle sich um eine Abwehrtechnik des Typs „Eisenkuppel“ gegen Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite bis zu 70 Kilometer. Es sei die fünfte Einheit, deren Aufbau eigentlich erst für kommenden Jänner geplant gewesen sei, teilte die Armee am Samstag mit.

Angesichts der überraschenden Angriffe auf Tel Aviv sei der Termin vorgezogen worden. Die anderen vier Systeme sind um den Gazastreifen herum stationiert. Dort hätten sie in den vergangenen Tagen 211 Raketen aus dem Gazastreifen noch in der Luft zerstört.

Hamas hindert Ausländer an Ausreise

Die Hamas verweigerte unterdessen 22 ausländischen Journalisten und Mitgliedern von Hilfsorganisationen die Ausreise aus dem Gazastreifen. Das sagte einer der in der Enklave festsitzenden Journalisten am Samstag der Nachrichtenagentur dpa.

Das Hamas-Innenministerium habe zur Begründung angegeben, Israel schließe den Eres-Kontrollpunkt im Norden des Gazastreifens am Sabbat. Israel betonte jedoch, der Übergang sei wegen der jüngsten Eskalation des Konflikts mit der Hamas für Personen auch am Samstag geöffnet. Die Ausländer berichteten, sie hätten das der Hamas mitgeteilt, dennoch hätten sie nicht passieren dürfen.

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