Themenüberblick

Ein Beschluss und offene Fragen

Der Elektronische Gesundheitsakt (ELGA), der vorige Woche im Nationalrat beschlossen wurde, soll die gesetzlichen Grundlagen für ein Informationssystem regeln, das Patienten und Ärzten (und vielen anderen Gesundheitsdienstleistern) via Computer Zugang zu wichtigen Gesundheitsdaten (Befunde, Medikamente etc.) ermöglicht.

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Im Wesentlichen wurde ELGA mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen. Zwei Abweichler stimmten wie schon im Ausschuss nun auch im Plenum anders als die Parteikollegen: Karin Hakl (ÖVP) dagegen, der grüne Gesundheitssprecher Kurt Grünewald dafür. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) würdigte das von ihm vorangetriebene ELGA-Projekt als „großen Meilenstein“. Die ÖVP sieht „Chancen und Risken“, die Oppositionsparteien insgesamt mehr Risken.

Patienten sind automatisch bei ELGA, wenn sie nicht widersprechen („Opt-out“). Schlüssel zum Akt ist beim Arztbesuch die E-Card. Die kleinen und feinen Details in Sachen ELGA-Anwendung werden - wie so oft in Österreich - auf dem Verordnungsweg, also außerhalb des legislativen Verfahrens, stattfinden.

Wann kommt ELGA?

Spätestens Ende 2013, Anfang 2014 sollen alle Patienten Zugang zu ELGA (und zur Widerspruchsstelle) haben, ab 2015 müssen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen teilnehmen, ab 2016 alle Vertragsärzte und Apotheken (im Rahmen der E-Medikation) und ab 2017 die Privatkrankenanstalten. 2022 folgen mit Respektabstand die Zahnärzte. Die Daten bleiben dezentral gespeichert und werden über ELGA zusammengeführt.

Ärzte müssen zwar Labor- und Radiologiebefunde sowie verschriebene Medikamente eingeben, ELGA aber nicht verpflichtend anwenden. Allerdings können sie haftbar gemacht werden, wenn sie aufgrund einer Nichtverwendung einen Fehler machen.

Wer darf zugreifen?

Auf die Daten zugreifen darf neben den Patienten nur, wer einen Behandlungskontext nachweisen kann - und zwar für 28 Tage. Damit soll etwa das Schnüffeln in Prominentenakten unterbunden werden. Zugriffe werden protokolliert, der Datenverkehr soll über gesicherte Netze laufen. Patienten können (via Bürgerkarte eingeloggt) sehen, wer auf ihre Daten zugegriffen hat. Bei Missbrauch drohen Strafen.

Für Arbeitgeber, Betriebsärzte, Behörden, Versicherungen und Kassen-Chefärzte sind die Daten tabu, der Zugriff soll auch technisch nicht möglich sei. Patienten können einzelne Befunde, Behandlungsfälle und Medikamente ausblenden lassen.

Ministerium: Bringt höhere Behandlungsqualität

Das Gesundheitsministerium verspricht den Patienten einen unkomplizierten und sicheren Zugriff auf ihre Befunde, mehr Sicherheit bei Medikamentenverschreibungen und eine höhere Behandlungsqualität durch die besser verfügbaren Daten. Den Ärzten - die bis zuletzt gegen ELGA Sturm gelaufen sind - wird die Versorgung mit standardisierten Daten und damit Hilfe bei der Fehlervermeidung versprochen. Auch Doppelbefunde und Doppelmedikationen sollen zurückgedrängt werden.

Keine Zusatzkosten für Patienten

Die Patienten müssen für die Teilnahme nicht zusätzlich zahlen. In einer volkswirtschaftlichen Betrachtung listet das Gesundheitsministerium ab 2018 laufende Kosten von 18 Millionen Euro jährlich auf, dem stehen Kostendämpfungseffekte von rund 129,8 Mio. Euro, davon 95,8 Mio. Euro für das Gesundheitssystem, gegenüber. Bis 2017 müssen aber erst einmal rund 130 Mio. Euro investiert werden. Für Ärzte, Apotheken und Privatkrankenanstalten ist eine Anschubfinanzierung (insgesamt 15 Mio. Euro) vorgesehen.

Schematische Darstellung der Funktionsweise und Factbox zur geplanten Einführung von ELGA

APA/Gesundheitsministerium

Die Basisinformationen zu ELGA

Appell der Ärzte im Vorfeld

Widerstand bis zuletzt gab es aus dem Bereich der Ärztevertretung. Der Wiener Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres appellierte in einem offenen Brief an alle Nationalratsabgeordneten, ihre Zustimmung beim Beschluss zu überdenken. Seiner Auffassung nach sind nach wie vor viele Fragen unbeantwortet beziehungsweise die Folgen zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht absehbar. Szekeres findet es auch „in höchstem Maße bedauerlich“, dass Geld, das dringend für die Versorgung der Bevölkerung benötigt würde, für weniger patientenorientierte Zwecke ausgegeben werde.

Schon jetzt werden Daten gespeichert und abgerufen

Der Vorsitzende des Datenschutzrates und SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Johann Maier wies im Vorfeld der Abstimmung die Kritik der Ärztekammer zurück. In Österreich speicherten und verarbeiteten Krankenhäuser aufgrund von landesgesetzlichen Bestimmungen schon bisher Stamm- und Gesundheitsdaten von Patienten, erinnerte Maier. „Auf Landesebene gibt es aber keine Kontrollrechte. Patienten wissen in keinem Bundesland, wer auf ihre Daten zugegriffen hat, es gibt keine Möglichkeit eines Einspruchs und auch keine Möglichkeit eines ‚Opting-out‘, wie das bei ELGA der Fall ist. Niemand weiß, was mit diesen Daten passiert“, so Maier.

Allerdings: Daran ändert auch die Einführung von ELGA nichts. Krankenhäuser werden weiter parallel Krankendaten sammeln. Gerade in der Frage der Datenerhebung sollten Bundes- und Länderstandards angeglichen werden. Sonst bleibt ein Wirrwarr beim Datenstandard bestehen - und eine Parallelwelt.

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