Themenüberblick

Rücktritt „angemessene Reaktion“

Nach falschen Missbrauchsanschuldigungen gegen einen britischen Ex-Politiker nach einem Fernsehbericht seiner Sendergruppe ist BBC-Chef George Entwistle zurückgetreten. „Ich habe entschieden, dass es die angemessene Reaktion ist, zurückzutreten“, sagte Entwistle am Samstagabend in London.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Ausstrahlung eines Berichts der Sendung „Newsnight“, der Vorwürfe des Kindesmissbrauchs gegen den früheren Politiker Alistair McAlpine zur Folge hatte, sei „grundlegend falsch“ gewesen, so Entwistle am Samstag gegenüber dem BBC-Radio. Am Vorabend hatte sich die BBC in einer Mitteilung bei McAlpine entschuldigt.

BBC-Chef Entwistle wird von Medien belagert

APA/EPA/Facundo Arrizabalaga

Entwistle Ende Oktober nach einer Anhörung im Fall Savile

Als Generaldirektor sei er „letztlich verantwortlich für den gesamten Inhalt“ der BBC-Sendungen, begründete der erst im September ins Amt gekommene Entwistle seinen Rücktritt. „Die ganzen Ereignisse der vergangenen Wochen haben mich zu dem Schluss gebracht, dass die BBC einen neuen Chef haben sollte.“

Vorwürfe zurückgezogen

„Newsnight“ hatte in den vergangenen Tagen über Steve M. berichtet, der in den 1970ern in einem Kinderheim in Wales missbraucht worden war. Obwohl der Täter in der Sendung nicht namentlich identifiziert wurde, kursierte kurz darauf im Internet das Gerücht, es handle sich um McAlpine.

Die BBC und andere britische Medien entschuldigten sich, Namen eines vermeintlichen Täters ins Spiel gebracht zu haben. Der ehemalige Schatzmeister der konservativen Partei, Alistair McAlpine, war unter anderen von der BBC, aber auch in einer Twitter-Meldung der Zeitung „Guardian“ identifiziert worden. Der frühere Schatzmeister der Konservativen bestritt am Freitag die Vorwürfe. „Ich muss gegen diese Verunglimpfungen angehen und meinen Ruf retten“, heißt es in einer Mitteilung des Politikers. Und auch Steve M. selbst teilte mit, dass es sich bei McAlpine nicht um den Täter gehandelt habe.

Savile-Skandal erschüttert BBC

Entwistle ordnete laut der BBC-Mitteilung vom Freitag an, dass „Newsnight“ seine Recherchen vorübergehend einstellt, um seine Arbeitsmethoden zu überprüfen. Die Sendung steht derzeit im Zentrum der Ermittlungen gegen den BBC-Starmoderator Jimmy Savile, der zu Lebzeiten Hunderte Kinder missbraucht haben soll. „Newsnight“ wird vorgeworfen, entsprechende Hinweise zurückgehalten zu haben. Entwistle hatte am Samstag gesagt, ein mögliches Aus für das 32 Jahre alte Sendeformat sei „absolut unverhältnismäßig“.

400 Ermittlungsstränge verfolgt

Die Affäre Savile erschüttert seit Wochen Großbritannien, immer wieder gibt es neue Enthüllungen. Scotland Yard hat inzwischen wegen des Verdachts auf „Missbrauch in noch nie dagewesenem Ausmaß“ durch den Fernsehmoderator Ermittlungen eingeleitet.

Savile soll über Jahre hinweg 300 junge Menschen missbraucht haben. Die Polizei hat inzwischen eine Großuntersuchung eingeleitet, 400 Ermittlungsstränge werden verfolgt. Die Verantwortlichen bei der BBC sehen sich mit der Frage konfrontiert, wer in der renommierten Sendeanstalt von den Vorgängen gewusst hat. 2006, als Savile nach mehr als 40 Jahren die letzte reguläre Sendung seiner Reihe „Top of the Pops“ moderiert hatte, waren Spekulationen bereits im Umlauf. Savile war 2011 im Alter von 84 Jahren gestorben.

Promis festgenommen

Mehrere andere britische Prominente wurden wegen Missbrauchsvorwürfen festgenommen. Darunter auch der nun 69 Jahre alte TV-Comedian Freddie Starr. Die Polizei befragte ihn vorige Woche wegen des Verdachts, in den Missbrauch involviert gewesen zu sein. Am Wochenende zuvor war bereits der 70er-Jahre-Rocker Gary Glitter festgenommen und von der Polizei befragt worden. Beide sind inzwischen gegen Kaution wieder auf freiem Fuß. Starr bestreitet jede Vorwürfe. Er hatte bereits zuvor angeboten, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, um die Vorwürfe aus der Welt schaffen zu können.

Die BBC will nun nach Informationen der „Mail Online“ die Archivsendungen von „Top of the Pops“ mit Savile als Moderator nicht mehr als Wiederholungen ausstrahlen. „Wir werden sehr genau hinsehen, ob die Ausstrahlung von Material mit Jimmy Savile gerechtfertigt ist“, zitierte die Zeitung einen Sprecher der BBC.

Link: