VfGH tadelt Asylgerichtshof wegen Senatszusammensetzung

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Behauptet ein Asylwerber, in seiner Heimat sexuellen Übergriffen ausgesetzt gewesen zu sein, muss der Asylgerichtshof diesen Fall sofort einem Richter bzw. Senat gleichen Geschlechts übertragen. Andernfalls verstößt der Gerichtshof gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, stellt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einem Erkenntnis zur Beschwerde einer Kosovarin fest.

In dieser Grundsatzentscheidung - zu dieser Frage gibt es mehrere Beschwerden - tadeln die Verfassungsrichter die Rechtsmeinung des Asylgerichtshofes. Aus ihrer Sicht verbietet sich die - vom Asylgerichtshof vertretene - Auslegung des Paragrafen 20 des Asylgesetzes, dass sich die Zuständigkeit von Richtern gleichen Geschlechts erst ergibt, wenn sich nach Prüfung des Beschwerdefalles die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als nötig erweist. Denn die Entscheidung darüber sei bereits eine inhaltliche - weil eine mündliche Verhandlung im Gesetz nur vorgesehen ist, wenn der Sachverhalt geklärt erscheint.

„Eine Rechtssache, in der ein Asylwerber einen Eingriff in seine sexuelle Selbstbestimmung spätestens in der Beschwerde geltend macht, ist - sofern der Asylwerber nichts anderes verlangt - demgemäß gleich bei Beschwerdeanfall“ Richtern gleichen Geschlechts zuzuweisen, gibt der VfGH vor. Die Zuständigkeit werde bereits durch die Behauptung begründet, „ohne dass dabei eine nähere Prüfung der Glaubwürdigkeit oder ein Zusammenhang mit dem konkreten Fluchtvorbringen zu erfolgen hat“.

Beschwerde einer Kosovarin

Die Beschwerdeführerin, eine Kosovarin, hatte in ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Asylantrages vorgebracht, dass es in ihrer Heimat zu sexuellen Übergriffen gegen sie gekommen sei. Am Asylgerichtshof wies ein Senat aus einem Richter und einer beisitzenden Richterin ihre Beschwerde ab und bestätigte die Ansicht des Bundesasylamtes, dass keine Asylgründe vorlägen.

Ob Letzteres zutrifft, hat der VfGH nicht geprüft. Er hob die Entscheidung des Asylgerichtshofes auf, weil die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde. Der Asylgerichtshof muss nun - in richtiger Zusammensetzung, also einem weiblich besetzten Senat - neuerlich entscheiden.