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Der schwierige Weg zur Wahlurne

Grundsätzlich darf jeder US-Staatsbürger, der das 18. Lebensjahr vollendet und seinen Wohnsitz in einem der 50 US-Staaten oder dem District of Columbia hat, den neuen US-Präsidenten wählen. Dass die Wahlbeteiligung meist trotzdem nur knapp 60 Prozent beträgt, ist nicht nur auf eine mögliche Politverdrossenheit zurückzuführen: Denn das US-Wahlsystem hat einige Tücken eingebaut.

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Eine davon beginnt bereits bei der Registrierung: Da in den USA keine Meldepflicht besteht und damit kein zentrales Wählerverzeichnis aufliegt, liegt es an den Wählern selbst, sich registrieren zu lassen - und zwar bei jedem Umzug aufs Neue. Die Modalitäten dafür sind in jedem Bundesstaat anders. Und bereits im Oktober tauchten in Florida die ersten Ungereimtheiten auf, als angeblich fiktive Personen auf die Listen gesetzt worden waren.

Verzögern „provisorische“ Stimmen Ergebnis?

Das umgekehrte Problem tauchte im „Swing-State“ Ohio auf. Dort wird mehreren konservativen Gruppen wie „Ohio Voter Integrity Project“ vorgeworfen, potenziell demokratischen Wählern die Wahlberechtigung abzusprechen, indem die vorgelegte Wohnadresse beeinsprucht wird.

Die Stimmen dieser Wähler würden dann als „provisorisch“ gewertet, die Betroffenen müssten innerhalb von zehn Tagen die notwendigen Nachweise bringen. Erst dann würden ihre Stimmen gewertet - die Verkündung des Wahlsiegers könnte sich damit erheblich verzögern.

Generell gilt das System der Wählerlisten als problematisch. Das unabhängige Pew Center warnte zu Jahresbeginn, dass 51 Millionen Wahlberechtigte nicht auf den Wählerlisten verzeichnet waren. Im Gegenzug standen dort noch mehr als 1,8 Millionen Personen aufgeführt, die bereits gestorben sind. Rund 2,7 Millionen Wähler waren in mindestens zwei verschiedenen Bundesstaaten registriert. Inwieweit die Daten mittlerweile aktualisiert worden sind, ist unklar.

Gesetze gegen Obama-Wähler?

Für noch mehr Wirbel sorgten neue restriktive Wahlgesetze in von Republikanern regierten Bundesstaaten. Diese versuchten etwa, vor der Wahl neue und schärfere Regeln für eine Ausweispflicht im Wahllokal zu schaffen. Darunter waren wichtige „Swing-States“ wie Florida, Ohio, Pennsylvania und Virginia. Zumeist war geplant, nur noch offizielle Ausweise mit Fotos zu akzeptieren. Doch Personalausweise sind in den USA nicht verpflichtend - und Reisepässe sind ohnehin dünn gesät.

Kritiker meinen, die Gesetze benachteiligten vor allem Latinos, Afroamerikaner, junge und ältere Wähler - jene Gruppen, die 2008 die Wahl für Barack Obama entschieden haben. So würden etwa 25 Prozent der schwarzen Bevölkerung keinen offiziellen Ausweis besitzen - wie etwa einen vom Heimatbundesstaat ausgestellten Führerschein.

Wählen mit der Waffenkarte

Laut Experten könnten es diese und andere schärfere Wahlgesetze für bis zu fünf Millionen Amerikaner unmöglich machen, ihre Stimme am 6. November abzugeben. Bezeichnenderweise darf man etwa mit Studentenausweis nicht wählen, wohl aber mit einer Waffenberechtigungskarte. Die US-Komikerin Sarah Silverman machte per Video auf das Problem aufmerksam - und empfahl dabei satirisch, Omi eine Knarre zu besorgen.

In mehreren Staaten haben Gouverneure und Gerichte die schärferen Wahlgesetze unter Druck wieder aufgehoben. Zuletzt stoppte Anfang Oktober ein Gericht in Pennsylvania eine entsprechende Regelung, andernorts waren Verfahren bis kurz vor der Wahl anhängig. Befürchtet wurde bereits, dass die umstrittenen Regeln auch noch im Nachhinein das Wahlergebnis hinauszögern könnten. In rund einem Dutzend Bundesstaaten jedoch bestehen die Gesetze oder zumindest Gesetzesinitiativen weiter.

Warum an einem Dienstag?

Laut US-Umfragedaten ist das Hauptargument, nicht zur Wahl gegangen zu sein, dass man keine Zeit dafür hatte. Tatsächlich ist als Wahltag ein Dienstag - an dem die meisten Menschen ihrem Beruf nachgehen müssen - einer hohen Wahlbeteiligung wohl hinderlich. Die Wahl am Dienstag ist allerdings ein kulturelles Vermächtnis der frühen Kolonialzeit. Im Jahr 1845 suchte man nach dem idealen Tag für die Wahl: Der Sonntag fiel aus, weil Kirchgang und religiöse Aktivitäten auf dem Programm standen.

Für besonders religiöse Gruppen erstreckte sich das sogar von Freitag bis Samstag. Dann musste man einen Tag Anreise per Kutsche einrechnen, der Mittwoch war zumeist Markttag - und so wurde es der Dienstag. Diese Tradition wurde auf mehr und mehr Wahlen in den USA übertragen.

Der Novembertermin ergab sich auch aus dem Leben der Agrargesellschaft: Die Ernte war eingebracht, und der Winter, der Reisen erschwert, hat noch nicht eingesetzt. Einige Gruppen wie „Why Tuesday?“ setzen sich seit Jahren für eine Verschiebung etwa auf einen Sonntag ein - jedoch ohne breiten Erfolg.

Wenig Diskussion über Wahlmaschinen

Für vergleichsweise weniger Aufsehen als bei vorangegangen Wahlen haben heuer die umstrittenen und immer wieder fehlerhaften Wahlautomaten gesorgt. Für Wirbel sorgten allerdings Meldungen, wonach eine Herstellerfirma, Hart Intercivic, in der Nähe von Romney steht. Demnach stellt die Firma unter anderen in den „Swing-States“ Ohio und Colorado die Wahlcomputer.

Hart Intercivic gehört der Investmentfirma H.I.G. Capital, aus deren Chefetage namhafte Spenden für den Romney-Wahlkampf kamen. „Forbes“ berichtet zudem, H.I.G. stehe in einem engen Geschäftsverhältnis zu Solamere Capital, der Firma von Romneys Sohn Tagg.

Homer Simpson wählt Romney

Vor vier Jahren hatte die US-Serie „Die Simpsons“ die Wahlmaschinen aufs Korn genommen. Damals entschied sich Familienoberhaupt Homer Simpson für den nunmehrigen Präsidenten Barack Obama, allerdings änderte die elektronische Wahlmaschine sein Votum ab.

Heuer wählte Homer übrigens Romney. Kaum hat er abgestimmt, werden ihm die Steuerunterlagen Romneys gezeigt, aus denen hervorgeht, dass nicht der konservative Millionär einen Teil seines Einkommens abführt, sondern im Gegenteil ihm die Regierung Steuern zahlt. „Das muss ich der Presse erzählen“, entfährt es dem Simpsons-Vater, woraufhin er in einen Geheimtunnel gesaugt wird und in der Versenkung verschwindet.

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