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Unternehmen immer stärker unter Druck

Der Ort kann als Signal verstanden werden: Siemens-Chef Peter Löscher stellt die Jahresbilanz des Konzerns im Berliner Gasturbinenwerk vor, nicht wie zuletzt üblich in Münchner Hotels. Denn trotz aller Bemühungen um ein „grünes“ Image ist das Geschäft mit der Ausrüstung konventioneller Kraftwerke für Siemens das profitabelste.

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In Berlin wird Löscher am Donnerstag auch die Details seines Sparplans enthüllen, der die Siemens-Gewinne wieder zum Wachsen bringen soll. Mehrere tausend Arbeitsplätze sind von Einschnitten bedroht, Größenordnungen von 10.000 wankenden Stellen wies Löscher indes bereits als „Unfug“ zurück.

Die Gewinnspannen des riesigen Industriekonzerns standen in letzter Zeit in vielen Segmenten unter Druck. Zusätzlich könnten die jüngsten EU-Sanktionen gegen den Iran Siemens das Quartal verhageln, wenn die Münchner aus laufenden Projekten aussteigen müssen.

Einsparungen bis zu vier Milliarden Euro

Analysten veranschlagen, dass Löscher jährlich bis zu vier Milliarden Euro weniger ausgeben will. Die Einschnitte sehen auch den Verkauf von unrentablen Geschäftsteilen vor. Erste Schritte hat Löscher gemacht: Siemens zieht sich aus dem Geschäft mit Solarstromtechnik zurück. Wirtschaftlich hatte sich der Ausflug in die Welt der Stromerzeugung aus Sonnenhitze als kostspieliger Flop erwiesen. Medienberichten zufolge verbrannte Löscher insgesamt um die 800 Millionen Euro mit der Solartechnik.

Aber auch als Zulieferer für die Photovoltaikindustrie kommt Siemens immer mehr unter Druck. Das Geschäft mit Umrichtern für Solarpanels wird stark eingedampft. Das Unternehmen drossle die Produktion der einst knappen und heiß begehrten Elektroteile signifikant, um auf den Schwund der Nachfrage aus der Photovoltaikbranche zu reagieren, erklärte ein Firmensprecher. Seit Oktober werden die Komponenten nur noch in ausgewählten Ländern vertrieben. Folglich wendet sich Siemens zum Jahresende von der Wüstenstrominitiative Desertec ab.

Siemens leidet unter schwacher Weltkonjunktur

Allerdings könnte die Abkehr von der Sonnenenergie Siemens geholfen haben, die gesenkte Prognose - einen Gewinn aus fortgeführtem Geschäft von mindestens 5,2 Milliarden Euro - im Ende September abgeschlossenen Geschäftsjahr zu erreichen. Da die verlustreiche Sparte nicht mehr weitergeführt wird, werden ihre Fehlbeträge auch nicht mehr zum Kerngeschäft gerechnet. Zudem ist Konzernkreisen zufolge in den vergangenen Monaten das Geschäft etwas besser gelaufen als befürchtet.

Zuvor schlug bei Siemens nicht nur die Solarkrise ins Kontor, sondern vor allem die Konjunkturtrends in Europa und China. Im dritten Geschäftsquartal war der Auftragseingang um gut ein Viertel eingebrochen. Das Umsatzwachstum kommt längst nicht so voran, wie Löscher erhofft hatte. Dabei spendierte er seinen Ingenieuren in den vergangenen Jahren acht Milliarden Euro, damit Siemens über kurz oder lang auf 100 Milliarden Euro Umsatz kommt und die Konkurrenz in den Schatten stellt. Der Plan ging nicht auf, Rivalen wie ABB und GE zogen Siemens davon und hielten auch in der Flaute der Weltwirtschaft Kurs.

Siemens setzt Osram vor die Türe

Auf absehbare Zeit dürfte der Siemens-Umsatz wegen Löschers Portfoliopolitik sinken. Im kommenden Frühjahr verschenkt er die Leuchtmitteltochter Osram an die eigenen Aktionäre, nachdem IPO-Pläne für die Firma zu den Akten gelegt worden waren. Siemens will nicht mehr in das Geschäft mit Glühbirnen und Leuchtdioden investieren. Experten rechnen damit, dass Osram bald einen eigenen Sanierungskurs einschlägt, um mit der erstarkenden asiatischen Konkurrenz mithalten zu können.

Investoren erwarten daher mit Spannung die Einladung Anfang Dezember zur Siemens-Hauptversammlung, die vom Osram-Abspaltungsbericht flankiert wird. Darin werden vom Konzern beauftragte Wirtschaftsprüfer erstmals einen öffentlichen Preisstempel auf Osram setzen und damit die Weichen für den künftigen Börsenkurs des Traditionsherstellers stellen.

Pensionen drücken Ergebnis

Trotz aller Unwägbarkeiten will Löscher am Donnerstag eine konkrete Prognose wagen. Sie wird auch unter der Neubilanzierung des Pensionswesens leiden, die Siemens im Ergebnis mehrere hundert Millionen Euro kosten dürfte, wie Finanzchef Joe Kaeser bereits in Aussicht gestellt hat. Das Milliardenloch in seiner Pensionskasse wird für Siemens immer mehr zum Problem. „Sollte die Niedrigzinsphase länger andauern, kann das zu einer ernsten Herausforderung werden“, warnte Kaeser. „Die Komplexität und Tragweite des Pensionsthemas schaffen eine gewisse Brisanz.“

Jens Hack, Reuters

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