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Wüstenstrom wird zum globalen Projekt

China drängt in das europäisch-afrikanische Wüstenstromprojekt Desertec. Der größte Netzbetreiber der Welt, die State Grid Corporation of China (SGCC), habe Interesse an einem Einstieg bekundet, bestätigte ein Sprecher der Projektgesellschaft DII in München im November einen Bericht der „Financial Times Deutschland“.

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Die Gespräche liefen, über eine Aufnahme würden die bisherigen Gesellschafter noch entscheiden. Neben den Chinesen interessiert sich der US-Solarmodulhersteller First Solar, aus dem Kreis der assoziierten Partner in die Kerngruppe der Träger aufzurücken. Im November traf sich die Desertec-Gemeinde in Berlin zu ihrer dritten Jahreskonferenz, um die Zukunft der geplanten Stromerzeugung mit riesigen Solaranlagen in Nordafrika zu besprechen.

Solarexperiment kostet Siemens Millionen

Den Einstieg der Chinesen ermöglichte erst der Rückzug von Siemens aus dem Großprojekt. Das Münchner Unternehmen hatte zuvor seinen Ausstieg aus dem Solargeschäft bekanntgegeben - mit erheblichen Verlusten. Der Konzern müsse erneut Belastungen von brutto mehr als 250 Millionen Euro verbuchen, wie die Zeitung „Financial Times Deutschland“ („FTD“) unter Berufung auf Siemens-Kreise am Montag berichtete.

Peter Löscher (Siemens)

APA/Helmut Fohringer

Siemens-Chef Peter Löscher setzte bei Solar auf das falsche Pferd

Diese würden sich aus Firmenwertabschreibungen, operativen Verlusten sowie Abschreibungen auf bereits begonnene Solaranlagen zusammensetzen. Von den Plänen sind weltweit 680 Mitarbeiter betroffen. Elektrotechnische Komponenten wie Generatoren und Netztechnik soll es aber weiterhin geben. Der Konzern hatte vor allem auf Anlagen zur Stromerzeugung aus Sonnenhitze gesetzt und dafür eigens die israelische Solel für 418 Millionen Dollar gekauft.

Desertec-Mitgliedschaft läuft aus

Die Strategie zahlte sich jedoch nicht aus. Solel machte mehr Verlust als Umsatz, und Siemens-Chef Peter Löscher musste die Notbremse ziehen. „Der globale Markt für Solarthermie ist von vier Gigawatt auf zuletzt etwas über ein Gigawatt zurückgegangen“, begründete Siemens-Energievorstand Michael Süß den Schritt. Insgesamt dürfte die Münchner das 2009 gestartete Experiment mit Sonnenstrom einen Betrag in der Größenordnung von 800 Millionen Euro gekostet haben, wie „FTD“ berichtet.

Der Rückzug aus dem Desertec-Planungsstab stehe aber nicht im Zusammenhang mit der Trennung des Unternehmens von seiner Solarsparte, wie ein Unternehmenssprecher erklärte. Schließlich könne Siemens von Windparks über Stromautobahnen bis hin zur Anlagensteuerung weiterhin ein Technologiepartner sein, so der Sprecher. Siemens lasse seine dreijährige Mitgliedschaft aber „regulär“ auslaufen.

Firmen fürchten um ihre Aufträge

Der weltgrößte Netzbetreiber SGCC könnte Siemens nun bei Desertec als Miteigentümer ablösen. Die vorwiegend von mitteleuropäischen Firmen wie dem Anlagenbauer ABB und Schott Solar, dem Energiekonzern RWE und der Deutschen Bank vorangetriebenen Energiepläne sehen vor, dass Europa bis 2015 rund 15 Prozent seines Stroms aus den sonnenreichen Gebieten Nordafrikas und dem Nahen Osten bezieht.

Energieschwergewicht aus China

SGCC hat 1,5 Mio. Beschäftigte und erzielte 2011 einen Umsatz von 156 Mrd. Euro. Zuletzt stieg das Unternehmen in diverse Strommärkte Afrikas ein. In Europa stiegen die Chinesen zuletzt mit 25 Prozent in die portugiesische REN ein.

Bei den Projektpartnern ist der Vorstoß Chinas laut „FTD“ jedoch umstritten. Damit wachse die Wahrscheinlichkeit, dass künftige Großaufträge an Firmen außerhalb des Desertec-Gebiets in Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten gingen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Gesellschafterkreise. „Alle Aufträge müssen nach europäischem Vergaberecht international ausgeschrieben werden“, sagte ein Vertreter eines Anteilseigners der Planungsfirma DII der Zeitung.

Langes Warten auf den Wüstenstrom

Das Wüstenstromprojekt Desertec war Ende 2009 an den Start gegangen und gilt als das derzeit ehrgeizigste Infrastrukturprojekt der Welt mit notwendigen Investitionen in Höhe von rund 600 Milliarden Euro. Bis 2050 sollen in Nordafrika und im Nahen Osten große Solarkraftwerke und Windparks entstehen, um einen großen Teil des örtlichen und auch Teile des europäischen Stromverbrauchs zu decken.

Die Pläne gerieten allerdings durch die politischen Unruhen in Nordafrika ins Stocken. Zudem gab es unter den Gesellschaftern Kritik am Vorgehen der Planungsgesellschaft DII. Zuletzt schaltete sich die Politik verstärkt in das Vorhaben ein. Medienberichten zufolge wollen die Regierungen Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Spaniens und Marokkos das Projekt vorantreiben, um schneller die nötigen Solarkraftwerke zu bauen.

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