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Obama ruft Notstand aus

Wirbelsturm „Sandy“ hat die Ostküste der USA mit voller Wucht getroffen und mehr als ein Dutzend Menschen getötet. Die Angaben über Opferzahlen variierten, zuletzt war von 16 Toten die Rede, unter ihnen mehrere Kinder. An der Küste kam es zu katastrophenartigen Zuständen mit Regen und Überflutungen.

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Die meisten der Opfer kamen durch umstürzende Bäume ums Leben, hieß es am Montagabend (Ortszeit) in US-Medien und seitens der Behörden. So wurden in der nahe New York gelegenen Stadt Westchester zwei Kinder von einem Baum getötet, der das Dach eines Wohnhauses durchschlug. Mittlerweile beginnt sich die Lage in einigen Teilen New Yorks leicht zu entspannen, das Wasser geht zurück.

Millionen ohne Strom

Laut CNN waren 6,5 Millionen Menschen in mehreren US-Bundesstaaten und in der Hauptstadt Washington von Stromausfällen betroffen. In einem New Yorker Umspannwerk gab es eine Explosion. Bilder zeigten einen gewaltigen Feuerball aus der Anlage in der Lower East Side von Manhattan am späten Montagabend. Von Verletzten wurde dort zunächst nichts bekannt - Video dazu in iptv.ORF.at.

Abgebrannte Häuser im Stadtteil Breezy Point im Bezirk Queens, New York

AP/Frank Franklin II

Dutzende Häuser in Queens wurden ein Raub der Flammen

Millionenmetropole macht zu

Die Nahverkehrssysteme sowie Schulen, Behörden, Theater, Büchereien, Parks und zahlreiche Restaurants und Geschäfte blieben vielerorts geschlossen. Auch die Vereinten Nationen und die Börse an der Wall Street in New York blieben zu. In das geschlossene U-Bahn-System der Millionenmetropole drang der Verkehrsbehörde MTA zufolge Wasser ein. Sieben Tunnel, die unter dem East River durchführen, stehen unter Wasser. Windböen peitschten durch die Stadt, immer wieder waren Sirenen zu hören. Auch andere Metropolen wie Washington, Philadelphia und Atlantic City kamen zum Stillstand.

Überflutete Tunnelzufahrt in New York

AP/Louis Lanzano

Manhattan, nachdem der Wirbelsturm die Stadt stundenlang in Atem gehalten hat

Notstand ausgerufen

US-Präsident Barack Obama rief mittlerweile für die - vom Hurrikan auf einen Wirbelsturm herabgestufte Unwetterfront „Sandy“ - schwer getroffenen Bundesstaaten New York und New Jersey den Notstand aus. Das teilte das Weiße Haus in Washington mit. Die Entscheidung ermöglicht es den vom Sturm Betroffenen, Bundesgelder zu beantragen, etwa für den Wiederaufbau ihrer Häuser und für die Unterbringung in Ersatzwohnungen.

Alarm in AKWs

Im Atomkraftwerk Oyster Creek südlich von New York wurde wegen eines bedrohlich steigenden Wasserpegels Alarm ausgelöst, teilte die US-Atomaufsichtsbehörde NRC am späten Montagabend (Ortszeit) mit. Das Kraftwerk im Bundesstaat New Jersey sei zu dem Zeitpunkt bereits abgeschaltet gewesen. Wind, Sturmflut und Regen hätten das Wasser zunächst stark anschwellen lassen. In den folgenden Stunden sollte es aber rasch ablaufen, hieß es. Oyster Creek ist seit 1969 am Netz und das älteste laufende Atomkraftwerk der USA.

Strandgut am Ufer von new Jersey

Reuters/Eduardo Munoz

Blick auf die New Yorker Skyline am frühen Morgen

Auch in einem weiteren AKW, Indian Point rund 70 Kilometer nördlich von New York, musste ein Reaktor wegen Problemen mit der Stromversorgung abgeschaltet werden. Auch hier betonten die Betreiber, es bestehe keine Gefahr. Der Atommeiler Salem 1 am Delaware River im US-Bundesstaat New Jersey wurde am Dienstag abgeschaltet. Wie der Betreiberkonzern PSEG mitteilte, waren zuvor vier der sechs Wasserkreislaufpumpen ausgefallen. Der Nachbarreaktor in Hancocks Bridge arbeite normal.

„Bleiben Sie, wo Sie gerade sind!“

Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg forderte die Einwohner der Stadt auf, auf keinen Fall auf die Straße zu gehen. „Wo immer Sie gerade sein mögen: Bleiben Sie da!“, sagte Bloomberg am Montagabend im Rathaus. Zugleich solle der Notruf nicht wegen Sachschäden oder leichter Verletzungen genutzt werden: „Rufen Sie nur an, wenn es um Leben und Tod geht.“

Dunkle Skyline von New York

AP/Frank Franklin

Der „Supersturm“ zieht über Manhattan

Damm in New Jersey gebrochen

Im dicht besiedelten Bundesstaat New Jersey, der an New York angrenzt, brach ein Damm. Die folgende Flut setzte die drei Städte Moonachie, Little Ferry und Carlstadt bis zu eineinhalb Meter hoch unter Wasser. Es gab vorerst keine Berichte über Tote. Laut Polizei wurden die drei Städte „zerstört“. Der Sturm löste auch einen Großbrand im Stadtteil Queens - in einer Gegend, die zuvor bereits überschwemmt worden war - aus. Dabei wurden mindestens 50 Häuser zerstört.

Nach einer ersten Expertenschätzung könnte „Sandy“ an der US-Ostküste Gesamtschäden von bis zu 20 Milliarden US-Dollar angerichtet haben. Diese Zahl nannte der auf Risikoanalysen spezialisierte Versicherungsdienstleister Eqecat in der Nacht auf Dienstag in Oakland. Allerdings war das Unwetter zum Zeitpunkt der Schätzung noch nicht vorbei.

Schwere Schäden in Atlantic City

Nach Angaben des US-Hurrikanzentrums erreichte das Auge des Wirbelsturms am Montagabend (Ortszeit) im Bundesstaat New Jersey nahe der Spielermetropole Atlantic City die Küste. Teile der Strandpromenade wurden beschädigt. Dann wirbelte der Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde an der US-Ostküste entlang. Zuletzt zog er insgesamt abgeschwächt weiter westwärts. Wetterexperten befürchteten aber, dass „Sandy“ später im Nordosten auf einen Wintersturm treffen könnte. Diese Kombination könnte dann zum schwersten Unwetter seit Jahrzehnten führen.

Flut am Ground Zero

AP/John Minchillo

Wasser fließt in die Baustelle auf Ground Zero

Chaos im Flugverkehr

In New York hatten fast 400.000 Menschen in tiefer gelegenen Gebieten der Metropole schon vor dem Sturm ihre Häuser und Wohnungen verlassen müssen. Tausende Flüge an die US-Ostküste - auch von und nach Österreich - wurden gestrichen. Weiterhin gab es am Dienstag keine Flüge von Wien nach New York, dafür eine Wiederaufnahme der Verbindung Wien - Washington. Das war der Stand am Dienstagvormittag, wie AUA-Sprecherin Patricia Strampfer auf Anfrage der APA sagte.

Rettungskräfte im Einsatz

Reuters/Brendan McDermid

In Manhattan kam man zeitweise nur per Schlauchboot voran

Einer der schwersten Stürme in USA

„Sandy“ gilt als einer der schwersten Stürme in der Geschichte der USA. Tausende Geschäfte bleiben auch am Dienstag geschlossen. Busse und Bahnen blieben vielerorts schon seit Sonntagabend in den Remisen, zahlreiche Flüge wurden gestrichen. Die Börsen an der Wall Street machten erstmals seit 27 Jahren wetterbedingt zu.

Sturm, Flut und Schnee

Obwohl sich der Sturm abschwächt, je weiter er landeinwärts zieht, bleibt „Sandy“ gefährlich: Das Nationale Hurrikanzentrum in Miami warnte, dass der Wirbelwind weiter große Mengen an Regen und Schneefall mit sich bringen wird und lokale Überflutungen auslösen kann. Der Sturm wirkte sich auch auf den Endspurt zur US-Wahl am 6. November aus. Sowohl Präsident Barack Obama als auch sein Herausforderer Mitt Romney sagten mehrere Termine ab. Romney kündigte aber inzwischen an, am Dienstag im besonders umkämpften Bundesstaat Ohio einem „Sturmhilfe-Event“ beizuwohnen. Es ist de facto eine Umbenennung eines dort geplanten Wahlkampfauftritts.

AP/Dann Cuellar

Flut in Atlantic City

Atlantic City war vom Wirbelsturm besonders schwer betroffen

Raffinerien stellen Arbeit ein

Wegen „Sandy“ mussten auch mehrere Ölraffinerien ihre Produktion einstellen. Das führt dazu, dass die ohnehin hohen amerikanischen Lagerbestände an Rohöl weiter wachsen, was Druck auf die Ölpreise ausübt. Vor der Küste von North Carolina sank infolge des Sturms ein Dreimaster. Während 14 der 16 Besatzungsmitglieder per Helikopter aus ihren Rettungsbooten geborgen werden konnten, kam für eine 42-jährige Frau, die am Abend von der Küstenwache leblos aus dem Atlantik geborgen wurde, jede Hilfe zu spät. Der 63-jährige Kapitän der 1962 für einen Filmdreh gebauten „HMS Bounty“ wurde weiter vermisst. Bei seinem Zug durch die Karibik hatte der Hurrikan in den vergangenen Tagen bereits 67 Menschen getötet. In der Nacht auf Dienstag war „Sandy“ zu einem Zyklon herabgestuft worden.

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