Verschlechterung in allen Punkten
Das Politikinteresse der Österreicher befindet sich laut einer aktuellen Studie mittlerweile auf einem „dramatisch“ niedrigen Niveau. Im Vergleich zu 2004 nahm demnach nicht nur das Desinteresse der Bevölkerung zu - es stieg auch die Unzufriedenheit mit der Arbeit der heimischen Politiker. Gestiegen ist aber auch die Forderung nach einem Ausbau der direkten Demokratie.
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Konkret sagte mit 19 Prozent nur noch ein Bruchteil der Befragten, politisch interessiert zu sein, wie aus der am Montag in Wien vorgestellten Studie „Direkte Demokratie in Österreich“ der Studiengruppe Internationale Vergleichende Sozialforschung der Karl-Franzens-Universität Graz und des Meinungsforschungsinstituts IFES hervorgeht.
2.000 Österreicher befragt
2.000 Österreicher wurden zwischen August und September 2012 von Angesicht zu Angesicht für die Studie „Direkte Demokratie in Österreich“ befragt. Die letzte vergleichbare Studie - die Parlamentarismusstudie - gab es laut IFES-Projektleiter Gert Feistritzer im Jahr 2004.
48 Prozent halten sich zumindest „so ungefähr“ auf dem Laufenden, 33 Prozent kümmern sich im Gegensatz dazu so gut wie gar nicht um das Thema Politik. Von den unter 30-Jährigen ist sogar die Hälfte komplett desinteressiert. 2004 waren laut den Studienautoren in einer vergleichbaren Studie noch 26 Prozent interessiert, 55 Prozent „so ungefähr“ und nur 19 Prozent uninteressiert. Laut Studiengruppenleiter Max Haller geht aus dem Vergleich deutlich hervor, dass sich das Interesse an der Politik weiter verschlechterte und mittlerweile als „dramatisch niedrig“ zu bezeichnen ist.
Schlechtere Noten auch für Abgeordnete
Wie das Politikinteresse hat sich der Studie zufolge auch das Image des Nationalrates in den letzten vier Jahren weiter verschlechtert. Nachdem 2004 noch 45 Prozent einen „eher guten“ Eindruck von dessen Arbeit hatten, sind es jetzt nur noch 35 Prozent. Für zehn Prozent arbeitet der Nationalrat „ganz schlecht“, für 43 Prozent „eher schlecht“. Entsprechend sind auch nur 30 Prozent „eher zufrieden“ damit, wie die gewählten Volksvertreter die Interessen der Bevölkerung vertreten. Insgesamt ist mit 55 Prozent nur eine knappe Mehrheit alles in allem zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie als Ganzes.
80 Prozent für mehr direkte Demokratie
Gegen diese „höchst problematische Entwicklung“ könnte der Ausbau der direkten Demokratie helfen: Das meinen nicht nur die Studienautoren, sondern auch die Mehrheit der Befragten. Fast 80 Prozent sind dafür (31 Prozent „sehr“, 48 „eher schon“), am stärksten die 30- bis 44-Jährigen - und die Anhänger von FPÖ und BZÖ -, die „auch die Unzufriedensten“ sind. Von den bestehenden Formen wird die verbindliche Volksabstimmung als beste Möglichkeit der Mitbestimmung erachtet (74 Prozent), auch Volksbegehren und Volksbefragung werden mehrheitlich als „echte Gelegenheit zur Mitentscheidung“ gesehen.
Hohe Zustimmung zu „Schweizer Modell“
Knapp die Hälfte der Befragten würde bei einer Volksentscheidung mitmachen, fast 40 Prozent an Volksbefragung oder -begehren teilnehmen - und nochmals jeweils rund 40 Prozent „teilweise“, abhängig vom Thema. Interessant sei, so Haller, dass die „politisch vielfach absenten Jüngeren“ die größte Teilnahmebereitschaft zeigten.
Auf große Zustimmung stößt das „Schweizer Modell“ einer von Bürgern eingeleiteten Volksabstimmung, die automatisch zum Gesetz wird. 25 Prozent sind sehr dafür, 47 Prozent eher. Vorteile brächte der Ausbau der direkten Demokratie nach Meinung der Befragten vor allem der Bevölkerung insgesamt (60 Prozent) bzw. den mittleren und ärmeren sozialen Schichten. Fast drei Viertel sind überzeugt, dass damit Interesse und die Zufriedenheit mit der Politik gesteigert würden.
Die Studie beschäftigte sich auch mit den oft vorgebrachten Gegenargumenten, dass sich manche Themen nicht für Volksentscheide eignen. Es zeigte sich auch eine „durchaus differenzierte“ Haltung: Die Mehrheit würde nicht über Todesstrafe oder Abtreibungsverbot abstimmen lassen. Über den Austritt aus der EU hätten zwar 57 Prozent gerne eine Abstimmung, aber 62 Prozent würden dagegen stimmen. Über die sofortige Abschiebung krimineller Ausländer hätten 68 Prozent gerne ein Votum - und 73 Prozent würden dafür stimmen.
„Besser als nichts“
Die aktuelle Volksbefragung über die Wehrpflicht begrüßte Haller zwar prinzipiell - aber nur nach dem Motto „besser als nichts“. Wenig anfreunden kann sich Haller allerdings mit der Fragestellung der Wehrpflichtbefragung. Kritisiert wurde zudem, dass das Votum als „Spielball der Parteipolitik“ genützt und die Bevölkerung nicht wirklich ausgewogen informiert werde. Die Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass die Beteiligung recht hoch sein wird. IFES-Projektleiter Gert Feistritzer rechnet mit „jedenfalls über 50 Prozent“.
Noch höher wäre die Beteiligung an einer verbindlichen Volksabstimmung, merkte Johannes Pichler, der Direktor des Instituts für Rechtspolitik, an - der auch kritisierte, dass sich die Regierungsparteien dazu nicht durchringen konnten. Wie die Studie zeige, mache es „einen Unterschied, ob man das Volk nur befragt oder entscheiden lässt“.
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