Sprecher nur ein „Bauernopfer“?
Die Affäre um die angeblich versuchte Einflussnahme auf die Berichterstattung des deutschen TV-Senders ZDF ist für CSU-Chef Horst Seehofer auch nach der Entlassung seines Pressesprechers nicht ausgestanden. SPD und Grüne bezeichneten den Sprecher Hans Michael Strepp als „Bauernopfer“, in einer hitzigen Landtagsdebatte geriet Seehofer in München selbst ins Visier. Das ZDF unterfütterte den Verdacht der Einflussnahme mit neuen Details.
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Strepp habe darum gebeten, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden, und er habe dieser Bitte entsprochen, erklärte Seehofer. Die Opposition nahm den Regierungschef und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt direkt ins Visier. Diese müssten für den ZDF-Anruf verantwortlich sein. Es sei schwer vorstellbar, dass Strepp eigenmächtig gehandelt habe, hieß es von SPD und Grünen. Seehofer wies die Vorwürfe zurück.
Intervention dementiert
Strepp soll mit einem Drohanruf in der „heute“-Redaktion am Sonntag versucht haben, einen ZDF-Bericht über den bayerischen SPD-Parteitag mit der Kür des Spitzenkandidaten Christian Ude zu verhindern - was Strepp weiterhin bestreitet. „Er sagt mir, dass er keinen Druck ausgeübt hat“, betonte Seehofer. Das ZDF blieb dagegen auch am Donnerstag bei seiner Darstellung. „Die Intention des Anrufs war eindeutig“, erklärte ZDF-Intendant Thomas Bellut in Mainz.
Seehofer sagte dazu im Landtag in München, zu dem Anruf gebe es weiterhin unterschiedliche Bewertungen vom Sender auf der einen und von Strepp auf der anderen Seite. Weil man diesen Widerspruch nicht habe auflösen können, sei der Rückzug unvermeidlich. Strepp sei als Pressesprecher die Schnittstelle zu den Medien und hätte seine Aufgaben unter diesen Umständen nicht mehr fortführen können. Man werde nun „in den nächsten Wochen“ in den dafür zuständigen Gremien des ZDF versuchen, den Sachverhalt aufzuklären, betonte er.
Nicht eigenmächtig gehandelt?
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte zu Strepps Rückzug: „Das Bauernopfer ist gefallen. Doch wir wollen wissen, wer die Verantwortung für den Anruf des Pressesprechers trägt. Es ist schwer vorstellbar, dass der Pressesprecher völlig eigenmächtig handelte.“ Als Auftraggeber kämen nur Seehofer oder Dobrindt infrage, meint die SPD.
Auch andere SPD-Granden rief die Affäre auf den Plan: Fraktionschef Frank-Walter sprach ebenfalls von einem „Bauernopfer“, mit dem Seehofer lediglich „den Blick in den Sumpf verhindern“ wolle, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag-Ausgabe). „Niemand glaubt, dass ein Parteisprecher so etwas auf eigene Faust und ohne Kenntnis derjenigen macht, für die er spricht. Jetzt muss ans Tageslicht, welche Praktiken in der bayerischen CSU üblich sind und wer wo Einfluss auf öffentlich-rechtliche Medien nimmt“, sagte Steinmeier. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte eine Aufklärung der Angelegenheit. „Ich erwarte vom Parteivorsitzenden Horst Seehofer als Mindestes eine öffentliche Entschuldigung“, sagte Gabriel dem Blatt.
Fehlstart für Wahlkampf
Der bayerische SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher betonte, man habe es „mit einer handfesten Causa Horst Seehofer zu tun“. „Das war eine Auftragsarbeit von Ihnen“, sagte er an die Adresse des CSU-Chefs.
Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sagte: „Gestern noch stellt sich Herr Dobrindt hinter den Sprecher. Heute hat dieser ein Messer im Rücken. So sehen Bauernopfer aus.“ Es bleibe die Frage nach dem Auftraggeber. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger kritisierte: „Das System CSU schadet der Demokratie und schadet Bayern.“ Denn für den eigenen Machterhalt sei der CSU offenbar jedes Mittel recht.
Die Reaktionen fielen auch deshalb so deftig aus, weil die CSU mit dem Parteitag am Wochenende den Wahlkampf für die Wahl nächstes Jahr eingeläutet hatte - und die Affäre einen glatter Fehlstart der in Bayern sonst so dominanten CSU darstellt.
Seehofer dementiert Auftrag
Seehofer wies die Vorwürfe zurück. Strepp habe ihm in persönlichen Gesprächen versichert, ohne irgendeinen Auftrag beim ZDF angerufen zu haben. „Ich habe ihn ausdrücklich gefragt. Da hat er klipp und klar gesagt: Nein.“ Die Antwort sei eindeutig gewesen, betonte Seehofer. Der CSU-Chef sprach angesichts von Strepps Rückzug auch von einem „schweren Schritt“. Er habe mit ihm in den vergangenen Jahren gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. „Ich danke ihm auch für diese Größe, die er hier durch diesen Schritt zeigt“, betonte Seehofer.
ZDF: Mehrere Beeinflussungsversuche
Nach Darstellung von ZDF-Intendant Bellut und ZDF-Chefredakteur Peter Frey versuchte Strepp am Sonntag auf verschiedenen Wegen, die Berichterstattung des ZDF über die SPD zu beeinflussen. Zunächst habe Strepp SMS-Nachrichten geschrieben, dann habe er schließlich direkt in der „heute“-Redaktion angerufen.
Der „heute“-Redakteur fasste das Telefonat laut ZDF so zusammen: „Er fragte, ob wir wüssten, dass weder die ARD noch Phoenix über den SPD-Landesparteitag berichten würden. Er sei informiert, dass wir einen Beitrag planten. Weit davon entfernt, in das Programm reinzureden, wolle er aber doch rechtzeitig zu bedenken geben, dass es im Nachklapp Diskussionen geben könnte, wenn das ZDF im Alleingang sende.“
Journalisten fordern weniger Politeinfluss
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) forderte weniger Einfluss der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Politiker meinten, „ihnen gehört dieser Rundfunk, weil sie in den Gremien sitzen und dort entscheiden können“, sagte der Verbandsvorsitzende Michael Konken der ARD. „Wir hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht hier über etwas mehr Staatsferne bald entscheiden wird, und die Politik zunehmend mehr aus diesen Gremien verschwindet.“
Der stellvertretende Chef der Gewerkschaft ver.di, Frank Werneke, verlangte von Seehofer ein Bekenntnis zur Pressefreiheit und zur Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
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