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„Für Blut Hassans verantwortlich“

Nach dem blutigen Bombenattentat mitten im Christenviertel Aschrafija in der libanesischen Hauptstadt Beirut droht eine politische Eskalation. Der antisyrische Oppositionsblock „14. März“ rund um den Sohn des 2005 ermordeten Ex-Regierungschefs Rafik Hariri, Saad Hariri, fordert den Rücktritt von Regierungschef Nadschib Mikati.

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Mikati sei verantwortlich für die Ermordung des Polizeigeheimdienstchefs Wissam al-Hassan, der bei der Explosion der Autobombe getötet wurde und gegen den das Attentat offenbar gerichtet war. Die Opposition rief das gesamte Kabinett zum Rücktritt auf.

Mikati sei „für das Blut Wissam al-Hassans und das Blut der Unschuldigen, die starben“ verantwortlich. „Die Regierung muss gehen, und der Regierungschef wird dazu aufgefordert, seinen Rücktritt einzureichen“, hieß es Freitagabend in einer Stellungnahme des „14. März“.

Brennendes Autowrack

AP/Hussein Malla

Mehrere Autos brannten in den engen Straßen aus

UNO und USA verurteilen Anschlag

Unterdessen verurteilten die USA und die UNO den Anschlag als „abscheuliche Attacke“ scharf. „Es gibt keine Rechtfertigung dafür, einen Mordanschlag als politisches Werkzeug zu nutzen“, sagte Tommy Vietor, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates in Washington. Die USA würde der libanesischen Regierung zur Seite stehen, während sie die Verantwortlichen für die „barbarische“ Tat mit acht Toten zu Verantwortung zöge. Vietor betonte, dass die Sicherheit des Landes sehr bedeutend für die Stabilität in der Region sei.

Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Anschlag. Das Attentat müsste gründlich aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Ban am Freitag in New York in einer Mitteilung. Er rief alle Beteiligten im Libanon auf, sich von dem „abscheulichen Terrorakt“ nicht provozieren zu lassen. Der UNO-Sicherheitsrat sprach in einer einstimmig von allen 15 Mitgliedern des Rates verabschiedeten Erklärung von einer „abscheulichen Tat“. Die Bevölkerung des Libanon solle sich nicht darin beirren lassen, die Einheit des Landes und die Stabilität zu wahren.

Proteste in mehreren Städten

Empörte Anhänger Hassans strömten im ganzen Land zu Protesten gegen den Anschlag auf die Straßen. Die Explosion ereignete sich zu einem Zeitpunkt, da die Spannungen zwischen den verschiedenen libanesischen Fraktionen aufgrund des Syrien-Konflikts ohnehin bereits stark gestiegen sind. Nach dem Anschlag, in dem die Opposition das Werk des syrischen Regimes von Präsident Baschar al-Assad sieht, steigt die Gefahr sektiererischer Ausschreitungen.

Hassan, der Chef des Polizeigeheimdienstes, war hauptverantwortlich für die Vereitelung eines Bombenattentats, die zur Verhaftung eines mit dem syrischen Präsidenten Assad verbündeten libanesischen Politikers führte. Hassan war ein Vertrauter des libanesischen Oppositionschefs Saad Hariri. Zudem war Hassan bereits ein enger Gefolgsmann von dessen Vater, dem 2005 ermordeten Regierungschef Rafik al-Hariri, gewesen. Hassan leitete auch die Ermittlungen zu dessen Ermordung. Seine Recherchen legten eine Verwicklung Syriens und der Hisbollah in den Mord nahe.

Feuerwehr löscht brennendes Autowrack

AP/Hussein Malla

Feuerwehrleute versuchen im Trümmergewirr, das Feuer zu löschen

Ende des Jahres sollte Hassan Chef der Polizei werden. Der Vertreter der Falangisten, Sami Gemajel, der ein erbitterter Gegner von Syriens Präsident Assad ist, verurteilte den Angriff scharf. „Lasst den Staat seine Bürger beschützen. Wir werden in dieser Angelegenheit keine Verzögerung mehr hinnehmen. Wir haben bereits ein Jahr lang gewarnt. Genug ist genug“, so der Parlamentsabgeordnete, dessen Bruder 2006 ermordet worden war. Hassan hatte nach Angaben aus Geheimdienstkreisen in den vergangenen Tagen mehrfach Morddrohungen erhalten.

Blitzschnelles syrisches Dementi

Der zur oppositionellen Zukunftsbewegung gehörende Abgeordnete Nihad al-Maschnuk sagte: „Die Explosion von Aschrafija ist eine Botschaft des syrischen Regimes, das dabei ist, sich aufzulösen. Es ist eine Botschaft, mit dem Ziel, die Libanesen in Angst und Schrecken zu versetzen.“ Die syrische Regierung wies jede Verantwortung von sich. Schon wenige Minuten nach dem Anschlag im Nachbarland veröffentlichten die staatlichen syrischen Medien eine Stellungnahme von Informationsminister Omran al-Soabi. Dieser verurteilte den Anschlag als „feigen Akt des Terrorismus“.

Soldaten sperren Gefahrenzone ab

APA/EPA/Nabil Mounzer

Einsatzkräfte riegelten den Ort des Attentats ab

Die Explosion ereignete sich während der Stoßzeit an Freitagen, wenn viele Eltern ihre Kinder von der Schule abholen. Nach der Explosion, der eine schwarze Rauchwolke über der Stadt folgte, liefen Anrainer in Panik herum und suchten nach Angehörigen, während andere dabei halfen, Verletzte in die Rettungsautos zu tragen. Die Spitäler riefen zum Blutspenden auf.

Gefährliche Verbindungen

Im Krieg im benachbarten Syrien, das sich bis heute - gegen den Willen großer Teile der Bevölkerung - als Schutzmacht des Libanon versteht, stehen einander vor allem sunnitische Aufständische und die aus Alawiten und Schiiten bestehende Armee gegenüber. Die Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten, die im Libanon trotz des Endes des blutigen Bürgerkriegs im Jahr 1990 nie aufhörten, wurden durch den Aufstand in Syrien neu angefacht.

Im Hintergrund steht dabei vor allem die Ermordung des früheren sunnitischen libanesischen Regierungschefs Rafik Hariri im Jahr 2005. Hariris Anhänger machen seither Syrien und seinen libanesischen Alliierten Hisbollah dafür verantwortlich.

Hisbollah kämpft in Syrien

Zudem ist die Hisbollah seit Monaten in Syrien aufseiten der Regimetruppen im Kampf gegen die Aufständischen aktiv. Die Gegner der vom Iran finanzierten Hisbollah warnten diese, dass deren Schützenhilfe für Assad die Spannungen im Libanon entlang der Bürgerkriegsparteien neu anheizen wird.

Das letzte Bombenattentat in Beirut ereignete sich 2008. Dabei wurden drei Menschen getötet. Zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Unterstützern Assads war es heuer im Libanon allerdings bereits mehrmals gekommen - insbesondere in der im Norden gelegenen Stadt Tripoli.

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