„Niemand ist sicher“
Vorwürfe und Berichte über Menschenrechtsverletzungen im syrischen Konflikt haben Regime und Rebellen immer wieder zurückgewiesen. Aktivisten zufolge verschwanden allerdings seit Beginn des Konflikts vor über 18 Monaten rund 28.000 Menschen schlicht. Andere Menschenrechtsorganisationen gehen sogar von bis 80.000 Verschwundenen aus.
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Die Strategie des syrischen Regimes unter Präsident Baschar al-Assad sei klar: Rebellen direkt loszuwerden und zugleich die Bevölkerung so einzuschüchtern, dass kritische Stimmen gegen das Regime verstummen.
Kaum Kontakt möglich
„Niemand ist sicher“ vor einer bewussten Regierungskampagne des Terrors, betonte die international agierende Aktivistengruppe Avaaz gegenüber der britischen BBC. Sie verfügt über 18.000 Namen von Vermissten und weiß von 10.000 weiteren Fällen. Fadel Abdelghani vom Syrischen Netzwerk für Menschenrechte bekräftigte die Zahl von 28.000.

AP/Michael Sohn
Avaaz führt international eine Kampagne gegen das Assad-Regime
Avaaz unterstützt lokale Aktivisten in mehreren Ländern, auch in Syrien, mit Kameras und Aufnahmeausrüstung, die bei den Recherchen unterstützen. Die Organisation sammelt so die Zeugenaussagen von Angehörigen und Freunden, die mit Gewalt von Soldaten oder dem Regime nahestehenden Milizen entführt wurden. Die Entführten kommen häufig in Dienststellen eines der Geheimdienste. Kontaktaufnahmen sind kaum möglich, Nachrichten, dass der Gesuchte getötet worden sei, können nicht überprüft werden.
Vorsätzliche Strategie
„Syrer werden von Sicherheitskräften und Paramilitärs von der Straße aufgelesen und in ‚Folterzellen‘ gebracht“, sagte Avaaz-Kampagnendirektor Alice Jay im BBC-Interview - egal ob es sich dabei um Frauen beim Einkaufen oder um Bauern auf der Suche nach Treibstoff handle. Es sei eine vorsätzliche Strategie, um „Familien und Gemeinschaften zu terrorisieren“, denn durch die Angst und die Ungewissheit, was mit dem Angehörigen geschieht, ersticke man Aufbegehren in der Bevölkerung gegen das Regime.
Erst vor kurzem berichteten syrische Menschenrechtsaktivisten, dass ein Professor der Universität Damaskus in der Haft zu Tode gefoltert worden sei. Der Wissenschaftler war zuvor an einer Straßensperre festgenommen worden. Vor etwa zwei Wochen soll der Autor Mohammed Nimr al-Madani an den Folgen der Folter gestorben sein. Madani hatte als Holocaust-Leugner international Schlagzeilen gemacht. Die Aktivisten sehen seinen Tod als Teil einer Kampagne gegen Intellektuelle.
Flüchtlingszahl in der Türkei steigt
Mindestens 18.000 Menschen wurden bisher im Syrien-Konflikt nach UNO-Angaben getötet, 170.000 flohen ins Ausland, und 2,5 Millionen brauchen innerhalb Syriens dringend Hilfe. Einen großen Teil der Flüchtlinge fängt derzeit die Türkei auf, die bereits an die EU appellierte, ebenfalls Flüchtlinge aufzunehmen.
Zuletzt stieg die Zahl der syrischen Flüchtlinge in den 14 Auffanglagern an der Grenze auf 102.000. Medienberichten zufolge richtet sich die Türkei bis Mitte kommenden Jahres auf rund 400.000 Flüchtlinge ein. Nach Aussagen der türkischen Regierung mache die Schwelle von 100.000 die baldige Einrichtung von Schutzzonen auf der syrischen Seite der Grenze notwendig.
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