Themenüberblick

Verhärtete Fronten im Vorfeld

Die EU-Staats- und -Regierungschefs kommen am Donnerstag in Brüssel zusammen, um Weichen für den Umbau der Euro-Zone zu stellen. Und wie immer vor einem EU-Gipfel driften die 27 nationalen Debatten über die anstehenden Themen auch diesmal auseinander. Dabei geht es in einem zentralen Punkt um das umstrittene Vorhaben einer gemeinsamen Bankenaufsicht.

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Während Frankreich und Spanien den Eindruck erwecken, die Staats- und Regierungschefs müssten die geplante zentrale Bankenaufsicht schnell beschließen, damit sich angeschlagene Institute rasch Geld beim Euro-Rettungsschirm ESM besorgen können, bremsen andere - wie etwa Deutschland. Der französische Präsident Francois Hollande fordert hingegen, die umstrittene Bankenaufsicht bis Jahresende unter Dach und Fach zu bringen. Doch nicht nur Paris und Berlin sendeten dabei Signale der Zwietracht aus - am Mittwoch preschte die tschechische Regierung vor.

„Bin bereit, den Entwurf zu blockieren“

So forderte Tschechien im Vorfeld Zugeständnisse: „Falls wir keine klare Übereinstimmung erzielen, bin ich bereit, den Entwurf zu blockieren“, erklärte Regierungschef Petr Necas am Mittwoch in Prag. Er sprach sich klar dagegen aus, dass sich nationale Einlagensicherungen gegenseitig Geld leihen könnten. Zudem forderte er „Garantien für die Stabilität des tschechischen Finanzsektors“. Bei der Abgabe von Kompetenzen müsse Prag vorsichtig agieren, weil ausländische Institute 95 Prozent des heimischen Bankenmarkts beherrschten. Tschechien hat mit der Krone bisher noch eine eigene Währung.

Disput um Zeithorizont

Diese Ansage gießt bei der ohnehin nicht zimperlich geführten Diskussion zusätzlich Öl ins Feuer. So spießt es sich zwischen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Francois Hollande schon seit längerem, wenn es darum geht, wie genau der Zeitplan für den Aufbau einer einheitlichen Bankenaufsicht in der Euro-Zone festgelegt wird. Dabei ist vor allem der Zeithorizont umstritten: Der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, will einen Beschluss bis Jahresende, wie aus einem Entwurf der Gipfelerklärung hervorgeht.

Und Frankreich steht dabei auch fest an der Seite der Südländer wie Spanien, die möglichst schnell eine neue Aufsicht wollen - denn die ist eine Voraussetzung für direkte Kapitalspritzen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM für marode Banken. Die deutsche Bundesregierung hingegen warnt vor einem überhasteten Aufbau der Aufsicht und fordert möglichst strenge Regeln für die direkte Bankenhilfe. „Qualität geht vor Schnelligkeit“, hatte Merkel zuletzt bekräftigt. Kritisiert wird vor allem das zu hohe Tempo, mit der die Verhandlungsvorlagen ausgearbeitet worden seien.

Berlin sieht Gipfel als „Etappe“

So sieht Deutschland das bevorstehende Treffen eher als Mittel zur weiteren Planung: „Der Gipfel ist eine Etappe auf dem Weg in den Dezember, aber auch Etappen können interessant und wichtig sein“, heißt es aus deutschen Regierungskreisen. Mit anderen Worten: Jetzt wird erst einmal Vorarbeit geleistet, diskutiert und abgewogen, wie Europa und ganz besonders der Euro gegen künftige Krisen geschützt werden können.

Schäuble-Vorstoß sorgt für Verwunderung

Unerwartet legte auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zwei Tage vor dem Gipfel weitreichende Vorschläge vor, die von Merkel unterstützt werden, wie ein ranghoher Regierungsvertreter in Berlin unterstrich. In Brüssel sorgte der Vorstoß für Verwunderung. Denn für den EU-Gipfel liegt bereits ein Papier mit Vorschlägen für einen umfassenden Umbau der Euro-Zone auf dem Tisch. Doch nicht alle Ideen darin hält Deutschland für geeignet. In dem an die 27 Hauptstädte verschickten Papier wird nicht nur die Ausgabe gemeinsamer Euro-Anleihen mit kurzen Laufzeiten, sondern auch ein Fonds zur Tilgung von Altschulden angeregt.

Gegen beides sträubt sich die Bundesregierung seit nunmehr zwei Jahren unverändert, und auch jetzt heißt es nur knapp: „Wir lehnen das ab.“ Doch die Arbeitsgruppe um Van Rompuy - der auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker und der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, angehören - wissen andere Länder auf ihrer Seite. Frankreichs Präsident Hollande sprach sich am Mittwoch erneut für „eine teilweise Vergemeinschaftung der Schulden“ in Form von Euro-Bonds aus.

Spanien und Griechenland kein Thema?

Offiziell steht weder die bedrohliche Lage Spaniens, noch die andauernde Finanzmisere Griechenlands offiziell auf der Tagesordnung. Auch das in der Krise zum Mittelpunkt der EU-Gipfel gewordene gesonderte Treffen der 17 Euro-Länder ist bisher nicht angesetzt worden. Denn weder liegt der endgültige Troika-Bericht zu den Sparfortschritten Griechenlands und somit über die finanzielle Zukunft des Landes vor, noch hat Spanien offiziell um Hilfe gerufen.

Doch auf dem Gipfel könnten wichtige Weichen gestellt werden. Spanien wird nach Einschätzung von EU-Diplomaten in der kommenden Woche einen Hilfsantrag beim ESM etwa auf eine vorsorgliche Kreditlinie stellen, um damit die EZB zum Ankauf spanischer Staatsanleihen zu bewegen. Bei dem Gipfel könnten die Bedingungen für eine Hilfe geklärt werden, hieß es. Und auch die Lage Griechenlands wird bei den Staats- und Regierungschefs zu Sprache kommen, sagte ein deutscher Regierungsvertreter. „Alles andere wäre verwunderlich.“

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