Offene Rechnungen
Die Gewerkschaften GPA-djp (Österreich), ver.di (Deutschland) und Unia (Schweiz) wollen gemeinsam gegen die Bekleidungskette H&M vorgehen. Die Allianz gegen den schwedischen Textilriesen ist eine Premiere: Noch nie zuvor habe es eine derartige operative Länderkooperation gegeben, sagte GPA-Vizechef Karl Proyer am Donnerstag gegenüber ORF.at.
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H&M umgeht laut Proyer das Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH), wonach Kassierpersonal besser zu bezahlen ist als andere Handelsangestellte. Was genau die drei deutschsprachigen Gewerkschaften planen, verriet Proyer bei der Bekanntgabe der Allianz am Mittwochabend nicht. Zur angemessenen Zeit werde es eine Pressekonferenz geben. „Sie können aber davon ausgehen, dass es eine ordentliche Kampagne wird.“ Es seien „große Aktivitäten“ geplant.
Monat für Monat 50 Euro zu wenig?
Das Urteil des Höchstgerichts hatte im August 2011 für einigen Wirbel im Handel gesorgt. Der OGH gab damals der Klage einer Kassierin recht, die von ihrem Arbeitgeber in der falschen Verwendungsgruppe eingestuft wurde und deshalb zu wenig Geld bekam. Zahlreiche Ketten, darunter Lutz, Kika, bauMax und Zielpunkt, reagierten auf das Urteil und stuften ihre Mitarbeiter - in vielen Fällen jedoch erst nach zähen Verhandlungen mit der Gewerkschaft - schließlich in eine höhere Gehaltsklasse.
Der OGH argumentierte in der Begründung zu seinem Urteil damals mit dem höheren Stress und der größeren Verantwortung, die beim Kassieren in Rechnung zu stellen sei. Laut Gewerkschaft waren bis zu 30.000 Kassierinnen und Kassiere falsch in die niedrigere Beschäftigungsgruppe zwei eingestuft. Das machte demnach Monat für Monat einen Verlust von bis zu 50 Euro brutto aus, die den Betroffenen in der korrekten Verwendungsgruppe drei zugestanden wäre.
Textilkonzern weist Vorwürfe zurück
Im Einzelhandel arbeiten rund 280.000 Menschen, etwa die Hälfte davon nach Schätzung der Gewerkschaft an der Kasse. Das höhere Gehalt steht ihnen aber nur dann zu, wenn sie überwiegend Kassiertätigkeiten ausüben. H&M wiederum lässt die Mitarbeiter an einem 50-Prozent-Anteil von Kassiertätigkeiten haarscharf vorbeischrammen und bezahlt so nur für die Verwendungsgruppe zwei. Dass das eine Umgehung des Kollektivvertrags sei, weist die Firma freilich zurück.
H&M will das OGH-Urteil nur auf „reine Kassenkräfte in Supermärkten“ bezogen wissen - und solche gebe es bei H&M nicht, wie der Konzern gegenüber ORF.at erklärte. Dem Unternehmen sei es im Gegenteil „wichtig, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen abwechslungsreichen Arbeitsalltag zu bieten“. Deshalb seien diese „nicht überwiegend an der Kassa beschäftigt“. Man sei jedoch immer zu konstruktiven Gesprächen mit der Gewerkschaft bereit.
Image und Wirklichkeit
Dass die OGH-Rechtsprechung strittige Punkte offenlässt, räumte auch Proyer gegenüber ORF.at ein. Es sei jedoch zu vermerken, dass das höchstgerichtliche Urteil in Österreichs Handel im Großen und Ganzen umgesetzt worden sei. Viele „größere Player“, die sich der Ausweichmöglichkeiten zum OGH-Urteil ebenso bewusst gewesen seien, hätten ihre kassierenden Angestellten schließlich pauschal gemäß der besser bezahlten Verwendungsgruppe entlohnt.
Auch H&M habe die Chance, „dass das, was man von sich öffentlich behauptet - dass man ein moderner Konzern ist - dass das auch zutrifft“, noch dazu, wo es genau um jene jungen Beschäftigten gehe, um die die Firma mit ihrem Image werbe. Wenn H&M diesen Angestellten den entsprechenden Lohn zahlte, würde das den profitablen Konzern „nicht an den Rand der existenziellen Gefährdung“ bringen, so Proyer. Aus seiner Sicht hat die Firma die Wahl: „Wir haben mit H&M eine Rechnung offen und die werden wir ihnen jetzt präsentieren.“
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